Problem von Taner - 15 Jahre

Angst vor dem Tod der Eltern - viele Schicksalsschläge miterlebt

Guten tag, oder besser gesagt, guten Abend liebes Kummerkasten-Team,
es ist jetzt 3uhr nachts und ich kann wieder nicht einschlafen.. eigentlich muss ich schlafen, und in 5 stunden aufstehen und mich fertig für die schule machen. Doch der Schlaf fällt diese Nacht weg.

Es plagt mich schon seit meiner Kindheit ein Problem, mit dem ich mich nicht abfinden kann und durch welches ich schlaflose Nächte habe. Es geht um den Tod meiner Eltern.

Ich liege abends im Bett und ganz plötzlich kommt mir der Gedanke, was ich nur mache, wenn meine Eltern von mir gehen. Ich frage mich, wie ich diesen Schmerz überwinden soll, der auf mich zukommen wird. Es bereitet mir so sehr Kopfzerbrechen, das ich mich frage: wie schlimm soll der Schmerz sein, wenn sie eines Tages von mir gehen werden, wenn ich allein große Schmerzen hab - wenn ich über den Verlust meiner Eltern nachdenke? Dieser schmerz, dass ich das Lächeln meiner Mutter nie wieder sehen werde, dieser Schmerz, dass mich mein Vater nie mehr eines besseren belehren wird. Im Augenblick bekomme ich wieder Tränen in den Augen.

Diese Gedanken kommen mir immer dann, wenn ich an meine Mutter denken muss. Ich muss sagen, meine Mutter hat in ihrem leben sehr, sehr harte Zeiten durchstehen müssen, ich kenne keinen Mensch der mehr gelitten hat. Aber dennoch ist meine Mutter heute die lebensfrohste Frau auf Erden, auch wenn sie im Moment auch sehr viel durchmachen muss. Sie hatte wirklich nicht viel Glück in ihrem Leben: ihr Vater starb, als sie 9 Jahre jung war, sie kam von der Türkei nach Deutschland und wurde von vielen aus der Familie meines Vaters unterdrückt. Dadurch, dass mein Vater damals zu sehr auf seine Familie gehört hat, hat er große Fehler gegenüber meiner Mutter gemacht. Aber dies alles änderte sich, bis er auf niemanden mehr hörte, außer auf meine Mutter und auf mich. So langsam fing es an, gut zu laufen, außer dass es ein paar Kleinigkeiten gab, wie in jeder Familie. Bis eines Tages wieder ein Schicksaalsschlag auf meine Mutter schlug. Letztes Jahr im Winter musste meine Mutter erfahren, dass ihr 6 Jahre jüngerer Bruder an Lungenkrebs erkrankt ist. Das war ein Untergang für meine Mutter. Doch mittlerweile hat sie sich damit abgefunden und es geht ihr wieder gut. Meinen Vater habe ich nicht angesprochen, nicht weil er keine Probleme hatte/hat, sondern ich es dann zu sehr in das lange ziehen würde. Auch mein Vater hatte viele harte Schicksalsschläge und wurde von seiner Familie im Stich gelassen.

Ich entschuldige mich, ich bin etwas vom Thema abgekommen, aber ich glaub genau das ist das ausschlaggebende dafür, dass ich im Moment oft darüber nachdenken muss, wie es sein wird, wenn meine Eltern von mir gehen. Denn es läuft zur Zeit alles super und ich denke: genau deswegen muss ich so oft über den Tod meiner Eltern nachdenken. Ich habe immer das lachende fröhliche Gesicht meiner Mutter und meines Vaters vor mir, und wenn ich dann an deren Tod denke, schmerzt es.

Wie kann ich diese Gedanken verdrängen? Oder besser gesagt, wie kann ich den Tod meiner Eltern neben dem negativen, als positiv sehen?

Ich bedanke mich herzlich dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben, um sich meinen Text durchzulesen! Vielen, vielen dank!

Mfg Taner

Anwort von MarkusM

Hallo Taner!

Menschen werden geboren und Menschen werden sich irgendwann von dieser Welt verabschieden. Das ist der Lauf der Dinge und das trifft auf jedes Lebewesen zu. Viele Menschen haben tief im Inneren einen (religiösen) Glauben, der ihnen Halt und Stärke gibt. Andere bauen bei Verlust eines wichtigen Familienmitglieds auf die Zukunft, nämlich auf die nächste Generation, die Kinder. Denn das Leben geht immer weiter und macht nicht Halt ? und das wichtigste ist für jeden selbst: das Beste aus SEINEM EIGENEN LEBEN zu machen.
Menschen, die uns verlassen, verlassen uns zwar körperlich, aber das, was wir mit ihnen geteilt haben und die Werte, die sie uns vermittelt haben, die leben in uns weiter und die tragen wir unser Leben lang mit uns. Man kann also wirklich sagen, dass ein Teil unserer Familienmitglieder in uns weiterlebt. Und die Liebe zu anderen Menschen, die ist nie an Zeit gebunden. Liebe währt ewig.

Nun, du bist jetzt gerade mal 15 Jähre alt und da ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Teil deiner Eltern stirbt. Trotzdem leidest du gerade unter deinen Verlustängsten, die sicherlich irgendwo ihre Wurzeln haben. Doch selbst deine Mutter, die sehr viel gelitten hat, ist heute ein sehr lebensfroher Mensch. Und genau so sollst du auch leben. Es gibt Dinge im Leben, die man nicht beeinflussen kann, z.B. der Tod naher Verwandter, die schwer krank sind. Und weil man sie nicht beeinflussen kann, ist es für jeden das wichtigste, das Beste aus der Situation zu machen. Denen, die von uns gehen, beizustehen und sie in Erinnerung halten und uns selbst darüber klar zu werden, dass auch wir selbst ein begrenztes Leben haben und dieses wirklich ausnutzen sollten und weniger daran denken, was alles auf uns zu kommen kann.

Ausnutzen heißt, dein eigenes Leben zu leben, all die schönen Erfahrungen zu sammeln, die du jetzt mit deinen Eltern zusammen machen kannst. Denn gute Erfahrungen geben einem Halt und Sicherheit im Leben und ermöglichen dir, dich in diese hoch interessante und abenteuerliche Welt hinauszuwagen und Veränderungen zuzulassen.

Was beim Leben leben wichtig ist, du musst dich ebenso mit all deinen Bedürfnissen wahrnehmen und deine Gefühle berücksichtigen. Das tust du, du sagst, du hast solche Angst, deine Eltern zu verlieren. Kannst du dich an Erlebnisse erinnern, die in dir diese Angst verstärkt haben?

Was du machen kannst: diese Angst und Gedanken auf keinen Fall verdrängen. Du musst vielmehr die Hintergründe aufarbeiten und wirklich verstehen, dass es in deinem Leben viele andere schöne Erfahrungen gibt, die es dir ermöglichen, dass dein Angst-Teil gar nicht so stark sein muss, denn es gibt Punkte, wo du im Leben Halt bekommst. Das sind vor allem deine Eltern, Freunde und Geschwister. Was du machen kannst, um dich selber zu ändern: sehr VIEL reden. Rede vor allem mit deinen Eltern, dass du diese Verlustängste hast. Sage ihnen, dass du dir wünschen würdest, mit ihnen mehr zu unternehmen und sie zu sehen. Geht doch mal wandern oder nehmt euch als Familie ein komplettes Wochenende nur für euch.

Versucht auch, in der Familie ein angenehmes Gesprächsklima zu entwickeln, soweit noch nicht vorhanden. Das heißt: wenn man zusammen ist, solltet ihr nicht nur über die schlechten Seiten des Lebens reden. Vielmehr über das, was schön, neu, interessant, abenteuerlich und funktionierend ist. Gebt euch gegenseitig das Gefühl, dass ihr füreinander da seid und dass ihr gerne zusammen seid.

Es ist für dich wichtig, dass du die Möglichkeit hast, viele gute Erfahrungen in deiner Pubertät zu machen. Unternimm viel mit Freunden: so machst du sicherlich positive Erlebnisse.

Nur, weil deine Eltern Schicksalsschläge erlitten haben, trifft das deswegen nicht auch auf dich zu. Denn wie du schon sagst, es hat sich jetzt vieles geändert und deine Eltern lassen dich nicht im Stich und du sie ebenso wenig.

Vertraue darauf, dass das Leben sehr viele positive und stützende Erfahrungen für dich bereit hält. Und rede mit deinen Eltern über deine Sorgen. Schließlich geht es ihnen wieder gut und ich glaube, sie würden sich auch freuen, wenn es dir wieder gut geht.

Du kannst dich auch an sehr gute, vertraute Freunde wenden oder an den Beratungslehrer an deiner Schule. Auch sie können dir eine Stütze sein, dir klarmachen, dass du jetzt eine stabile Familie mit Mama und Papa hast und es wichtig ist, neue Erfahrungen zu machen und viele Freunde zu haben, durch die du Halt im Leben findest!

Ich wünsche dir alles Gute!