Problem von anonym (w) - 16 Jahre

So lonely...

Hallo,
ich bin 16 Jahre alt und seit einiger Zeit geht es mir ständig ziemlich mies. Ich bin meist sehr traurig und kann nichts dagegen tun. Ich habe eine beste Freundin mit der ich über meine Probleme zwar reden kann, aber ich möchte eigentlich nicht mit ihr über das sprechen, was mich bedrückt, denn sie hat selber "Borderline Syndrom" und sie ritzt sich auch. Ich habe Angst, dass sie, falls ich sie auch noch mit meinen Problemen belaste, nicht damit zurecht kommt und es ihr wieder schlechter geht, denn im Moment ist sie eigentlich sehr gut drauf (ganz im Gegensatz zu mir ;-( ) Es gibt einen Jungen, mit dem kann ich tatsächlich über alles reden, was mich bedrückt. Auch er ist sehr schlecht drauf. Ich weiß, dass es wahrscheinlich nicht so gut ist, wenn ich so viel mit ihm zu tun habe, da er mich in meiner schlechten Stimmung, meiner Traurigkeit nur noch unterstützt, aber er ist halt der einzige mit dem ich überhaupt reden kann. Meine Eltern haben keine Ahnung, dass es mir schlecht geht und ich will es ihnen auf keinen Fall sagen, denn das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter ist sowieso schon angespannt und meine Eltern werden sich vermutlich auch nächstes Jahr trennen. Deswegen versuche ich also hier einmal über alles zu schreiben was mich so bedrückt, vielleicht hilft es mir ja.
Ich habe große Angst vor der Zukunft. Ich bin die Jüngste von 5 Geschwistern. Noch lebe ich zusammen mit 3 meiner Geschwister und meinen Eltern zusammen in einem großen Haus und wir haben viele Tiere. Nächstes Jahr ziehen dann jedoch alle meine Geschwister auf einmal aus. Ich habe mit meinem Vater darüber gesprochen, was dann werden soll. Wir werden wohl das Haus verkaufen und wahrscheinlich werden meine Eltern dann auch getrennte Wege gehen. Ich kann auf keinen Fall bei meiner Mutter leben, da ich mit ihr überhaupt nicht klarkomme, aber mein Vater wird vermutlich nach Hamburg ziehen, da er dort eine Firma besitzt. Ich würde also mit ihm von hier wegziehen (ein kleiner Ort in der Nähe von Flensburg). Das hieße für mich alles aufzugeben. Meine Schule, meine Freunde, meine Tiere (die man, denke ich mal, in einer Stadtwohnung nicht halten darf). Das macht mir schreckliche Angst. Was mich jedoch auch bedrückt ist, dass das alles für meine Mutter noch gar nicht so klar ist. Mein Vater hat es nur mir erzählt, dass alles vermutlich so kommen wird, aber er hat noch nicht mit meiner Mutter darüber gesprochen. Meine Mutter stellt sich die Zukunft anders vor. Sie denkt wir bleiben hier wohnen, evtl. bekommen wir eine Austauschschülerin, damit ich "nicht so alleine bin" und nichts weiter. Aber an dieses Zukunftsmodell kann ich nicht glauben, denn ich weiß, dass das Verhältnis zwischen meinen Eltern schon seit ich denken kann schlecht war und immer schlechter wird. Im übrigen gefällt mir das auch nicht. Eine Austauschschülerin könnte mich wohl kaum von Einsamkeit befreien. Denn die Einsamkeit, auf die meine Mutter anspielte ist die, welche ich wohl bekommen würde, wenn meine Geschwister weg sind. Jedoch spielt die keine Rolle, anders als sie denkt, denn ich habe kein gutes oder enges Verhältnis zu meinen Brüdern. Meine 3 Brüder leben noch mit mir hier, ziehen aber alle nächstes Jahr weg, zum studieren. Meine Schwester, die ich sehr mag ist bereits letztes Jahr nach Lübeck gezogen. Ihr geht es sehr gut dort und das freut mich auch für sie. Aber ich vermisse sie sehr. Sie besucht uns regelmäßig, aber jedesmal wenn sie kommt ist es wieder so, dass ich mich zwar tierisch freue, dass sie kommt, aber mindestens ebenso glücklich bin ich, wenn sie wieder weg ist, denn jedesmal wenn sie da ist dreht sich alles nur noch um sie. Kim hier, Kim da...!! Vor allem bei meinem Vater regt mich das auf. Wir hatten schon immer ein super Verhältnis. Jeder weiß, dass ich nicht mit Mama klarkomme und deswegen irgendwie auf Papa angewiesen bin. Aber wenn Kim da ist, dann spiele ich nur noch die 2. Geige. Überhaupt habe ich hier zuhause den niedrigsten Stellenwert. Ich bin die Jüngste, habe die wenigsten Rechte, werde am wenigsten Ernst genommen, aber helfen muss ich genauso viel wie meine Geschwister. Ich habe schon versucht meinen Eltern zu erklären, dass ich das unfair finde, aber sie sehen ihr ( von mir als solches eingeschätzt) Fehlverhalten nicht ein. Vielleicht ist es ja auch richtig so, was weiß ich denn schon?! Sie haben ja völlig recht damit, dass ich nur 16 bin und nichts zu sagen habe und keine Ahnung von Nichts. Meine Schulnoten haben sich im letzten Jahr auch stetig verschlechtert. Früher war ich immer eine gute Schülerin, jetzt bin ich nur noch Mittelmaß. Ich bin aber auch in einer Klasse mit einem hohen Leistungsstandard, einer so genannten "Bili-Klasse". Das bedeutet, dass wir eine Klasse sind, die bilingual unterichtet wird, also 2-sprachig. Das wirkt sie so aus, dass wir Erdkunde und Biologieuntericht auf englisch erteilt bekommen. Eigentlich etwas, was ich sehr schätze, aber es bedeutet auch, dass alle hochintelligenten aus unserem Jahrgang in unsere Klasse gestopft wurden, woraus folgt, dass wir eine "Elite-Klasse" sind, wie es der Schulleiter selber ausdrückt. Die Lehrer machen deswegen grundsätzlich schweren Untericht für uns und stellen höhere Ansprüche. Ich bin aber in einer Bili-Klasse, weil ich gut in Englisch bin und in nichts sonst. Wenn ich dann in anderen Fächern ebenfalls schweren Untericht bekomme, so finde ich das ziemlich schwer zu bewältigen.
Auch mit meiner Klasse an sich komme ich nicht gut zurecht. Wir gehen auf eine "Dorfschule", ein Gymnasium, eine vorbildliche Schule. Dennoch: Ich HASSE meine Klasse. Die eine Hälfte der Leute ist nach außen hin immer sooo lieb und brav und entspricht genau dem, was man sich von unserer Klasse vorstellt, dafür sind die hintenrum nur am lästern und ganz schrecklich eingebildet. Die andere Hälfte der Klasse ist die Fraktion, zu der ich mich auch zuordnen würde. Die Psychos. Nur ein paar Stichwörter um zu zeigen, was bei uns so abgeht:
Alkohol, Kiffen, Tabletten, Parties, ritzen, Suizid....
Ich ordne mich dieser "Fraktion" nicht etwa gerne zu, es ist auch nicht so, dass wir eine Clique sind und das alles gemeinschaftlich zelebrieren. Es ist eher so: Ein Mädchen trinkt viel zu viel, ist in einen Ladendiebstahl verwickelt. Ich kenne sie aber nicht sehr gut. Ein Junge (der von dem ich eben schon berichtet habe) ritzt sich, trinkt zu viel und hat einen Suizidversuch hinter sich. Meine beste Freundin: Borderline Syndrom, ritzen, psychologische Behandlung. Dann eben noch n Haufen Leute die Koffeintabletten und Schmerzmittel nehmen. Alles in allem n Haufen ziemlich kaputter Leute. Ich reihe mich da vollkommen ein: Depression (nicht diagnostiziert, aber von mir als solche zugeordnet), ritzen, ein Hang zu Alkohol und auf alle Fälle stark suizidgefährdet. Denn eins ist klar: Lange halte ich es nicht mehr aus. Es? Mit es meine ich das Leben. Ich ertrage es einfach nicht. All diese Scheiße um mich herum, zuzusehen wie alles immer wieder kaputt geht. Können Sie sich vorstellen wie es ist traurig zu sein?! Bestimmt. Aber ich kann mir nicht vorstellen wie es ist fröhlich zu sein, Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe es einfach vergessen...
Vielleicht können sie mir helfen? Wahrscheinlich nicht, aber trotzdem danke, dass sie (falls sie es getan haben) meinen Brief gelesen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Silja

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Was müsste sich denn verändern, damit es Dir besser geht? Kannst Du das sagen? Dann tu es. Spreche es aus. Erzähle Deinen Eltern genau, was Du Dir von ihnen wünschst, welches Verhalten es ist, das Dich so niederdrückt.

Und vor allem: Spreche darüber, wie niedergedrückt Du wirklich bist. Es gibt die Einsamkeit, die von außen kommst und die Du beschreibst. Aber zwischen den Zeilen taucht immer wieder die Einsamkeit auf, in die Du Dich selbst schickst. Du möchtest nicht, dass es Deine Mutter weiß (kann ein Grund für euer schlechtes Verhältnis sein; sie kann nicht auf Dich eingehen, wenn sie nicht weiß, wie es Dir geht). Dein Vater hat Dir sein Zukunftsmodell erläutert - hast Du ihm gesagt, wie Du es siehst und welche Ängste Du hast? Deinen Freunden geht es selbst schlecht; Du möchtest sie nicht zusätzlich belasten. Dir geht es schlecht und dennoch bist Du für sie da. Warum glaubst Du, funktioniert das nicht auch andersherum? Lass Dich nicht selbst allein. Niemand kann verstehen, was nicht erklärt wird.

Alles Gute!
Dana