Problem von Philipp - 20 Jahre

Beziehung zu meinem Vater für immer futsch?

Hallo liebes KK-Team,

ich weiß eigentlich garnicht so recht, wie ich meine Situation beschreiben
und womit ich beginnen soll. Im Wesentlichen geht es um mich und meinen Vater.

Meine Eltern sind geschieden, und ich habe anfänglich zwei Jahre bei meiner Mutter gelebt und bin dann für vier Jahre zu meinem Vater gezogen. In diesen Jahren haben wir uns oft gestritten, und mindestens einmal im Monat hat er mich angebrüllt, ich solle doch wieder zu meiner Mutter ziehen. Allerdings gab es auch entspanntere Momente. Eben ein ständiges Auf und Ab. Nach einem sehr heftigen Streit allerdings im letzten Jahr bin ich zuerst zu meiner Oma gezogen, und dann wieder zurück zu meiner Mutter. Obwohl ich mitten in den Abiturvorbeitungen steckte und eigentlich meine spärliche Zeit zum Lernen gebraucht hätte und nicht etwa zum Umziehen und etwas Rückendeckung sicherlich gut getan hätte, hat er mich einen Monat vor dem Abi rausgeschmissen!

Kurz nach Abschluss des Abiturs, etwa im Juli 2007, habe ich ihn dann das letzte Mal gesehen, als er wegen einer schweren Krankheit im Krankenhaus lag. Auf Bitten meiner Großeltern habe ich mich dann dazu druchgerungen, ihn dort zu besuchen. Doch er hat mich völlig ignoriert, machte sogar einen gehässigen Eindruck als ich ans Krankenbrett trat und hat kein einziges Wort mit mir geredet, sondern mich nichteinmal beachtet. Ich bin dann wutentbrannt aus dem Zimmer gestürmt und habe seitdem überhaupt kein Fünckchen Kontakt mehr mit ihm gehabt, obwohl er maximal 7 Kilometer von mir entfernt wohnt und sein Arbeitsplatz vielleicht 200 Meter von meinem zu Hause entfernt liegt.

Ich weiß wie gefühlskalt dieser Mensch ist und ich bin mir sicher, dass er niemals den ersten Schritt machen wird. Vor einem halben Jahr habe ich sogar erfahren, dass ich irgendwo einen Halbbruder habe, den er vor der Heirat mit meiner Mutter gezeugt haben soll und den er lediglich EIN EINZIGES Mal, nämlich kurz nach dessen Geburt, gesehen hat. Kurzum: Das Schicksal seiner Kinder interessiert ihn praktisch überhaupt nicht und falls doch, so kann er sein Interesse an ihnen scheinbar sehr, sehr gut verstecken. Jetzt lebt er alleine mit seiner Freundin, kauft sich regelmäßig ein neues Auto, sprich er lebt sein Leben und kümmert sich einen Dreck um seine "lästigen Altlasten" wie mich.

Ich bin jetzt 20 Jahre alt, bin mit der Schule fertig und gehe einem kleinen Halbtagsjob nach. Ich fürchte ganz, dass wenn bald einer geregelten Arbeit nachgehen sollte, finanziell auf eigenen Beinen stehe, von zu Hause ausziehen, vielleicht eine eigene Familie gründen und meine Großeltern väterlicher Seits (die der einzige "indirekte" Kontakt zu meinem Erzeuger sind und die ich noch regelmäßig sehe) sterben oder ins Altersheim eingeliefert werden sollten, dass dann jede Hoffnung auf eine Versöhnung oder ein Zusammentreffen mit meinem Vater für immer und ewig unmöglich sein wird. Es gibt ja genug Beispiele von Menschen, die mit ihren Eltern für Jahrzehnte kein Wort gewechselt haben.

Ich lasse mir nach außen hin zwar nichts anmerken und tue auf indifferent, aber das Ganze belastet mich schon sehr. Es wäre zwar schön, wenn es neben meiner Mutter noch eine andere Stütze in meinem Leben gäbe, allerdings weiß ich nicht, ob ein Mann, der auf seine eigenen Kinder scheinbar, auf gut Deutsch gesagt, "scheißt" und eine solche Herzlosigkeit an den Tag legt, es wirklich wert ist, mit ihm einen Kontakt wiederherzustellen oder aufrechtzuerhalten, oder ob ich nicht besser das Kapital "Vater" endgültig ad acta legen soll und seine Existenz aus meinem Bewusstsein endgültig verbannen soll. Was meint ihr?

Im Vergleich zu anderen Fällen auf dieser Seite scheint mein Problem geradezu marginal und nichtig, aber ich hoffe trotzdem, dass ihr mir irgendwie weiterhelfen könnt, weil mich das doch sehr bedrückt und ich fast täglich eine Antwort auf meine Frage suche.

Gruß

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Philipp!

Die Beziehung zu Deinem Vater ad acta legen, keine Gedanken und keine Gefühle mehr an die Situation 'verschwenden' und ganz einfach das eigene Leben aufbauen - geht das? Wenn ja, warum hast Du es nicht nach dem Abi schon getan? Ich denke -auch wenn es als leichtester Weg erscheint- es ist ein absolut mühevolles Unterfangen, den Vater aus dem eigenen Leben zu streichen. Auch wenn es Gründe gibt, auch wenn man immer vergeblich auf Besserung gehofft hat - es bleibt schwer.

Die Frage ist, ob es schwerer ist, als auf ihn zuzugehen und noch einen Versucht zu starten? Stolz und Ängste vor der Reaktion einmal außen vor gelassen. Was denkst Du? Ist das Abschließen wirklich leichter? Und möchtest Du das? Wenn Du Dich in der Zukunft siehst, möchtest Du dann seit Jahren kein Wort mit ihm gewechselt haben und keinerlei Kontakt? Geht es Dir mit dem Gedanken gut und fühlst Du Dich befreiter? Oder bleibt da eine Art Last, die Du im Jetzt sozusagen im Vornherein ablegen kannst?

Du merkst es sicher (auch wenn ich Dich in der Entscheidung gar nicht beeinflussen wollte): Ich würde es versuchen. Anrufen, nach einem Treffen fragen oder auch eine Mail/einen Brief schreiben und erklären, wie es mir geht, was ich denke, was ich mir wünsche, wie es mir damals im Krankenhaus ging und was ich eigentlich erwartet hätte. Zu verlieren hast Du durch den Versuch so gut wie nichts...

Alles Gute!
Dana