Problem von Loren - 14 Jahre

Kein Tag ohne Stress und Ärger

hallo alle zusammen!
vielen dank dass ihr euch so um die Probleme anderer Leute kümmert ich find das echt super!
nun zu meinem im wahrsten sinne des Wortes "kleinen Problem".
Meine Mom ist zum 6. Mal schwanger. Nach zwei Abgängen ist das ihr viertes Kind. In meiner Familie bin ich die Älteste von momentan drei Kindern (meine Schwester und mein Bruder).Eigentlich hatte sie schon immer das Problem dass sie sich viel zu leicht aufregt und bei jeder Kleinigkeit ausflippt. Dann wird sie ungerecht und verletzend, schmeißt mit Schimpfwörtern um sich und lässt sich von keinem mehr etwas sagen, obwohl man mit vernünftigen Argumenten kommt und ihr Verhalten in dem Moment einfach nur kindisch und uneinsichtig ist. Ein Tag ohne Streit oder schlechter Stimmung ist bei uns überhaupt nicht vorstellbar.
Sie war früher Einzelkind (meine Omi hatte drei Fehlgeburten, meine Uroma zwei ) und ich glaube dass sie schon jetzt mit uns total überlastet ist.
bei der Geburt meiner Schwester war ich 4 und habe sehr darunter gelitten, dass sich meine Eltern nur noch um sie gekümmert haben und plötzlich keine Zeit mehr für mich hatten. Damals versuchte ich, mir ihre Zeit wieder zu "erkaufen". Ich nahm die Bilder in meinem Zimmer von den Wänden, verpackte sie in Malpapier und schenkte sie meiner Mama. Aber sie sagte nur, dass ich mit dem Unsinn aufhören sollte, oder so ähnlich. Aus dieser Zeit , und auch von noch früher, habe ich viele Erinnerungen, die ich nicht vergessen kann. Ich hatte sonst auch niemanden denn meine Großeltern und Verwandten wohnen alle sehr weit weg.
Dann wurde meine Mutter wieder schwanger. Sie hat eigentlich schon immer ziemlich viel mit meinem Paps gestritten aber da war es besonders schlimm. Sie dachte sogar daran abzutreiben. Da sie den Termin verpasst hatte, und es für eine Abtreibung somit zu spät war, behielt sie dass Kind und verbot mir, jemals irgendjemandem , geschweige denn meinem Bruder davon zu erzählen. Im Nachhinein ist sie aber froh, dass sie das Baby behalten hat.
Bei der Geburt meines Bruders war es mit meiner Schwester das Gleiche. Bis dahin war sie immer das Prinzeschen doch mit einem Schlag war alles anders. Ich fand das damals nicht so schlimm, war ich doch ab der Geburt meiner Schwester immer nur noch die Nummer 2. Meine Schwester fiel damals glaub ich in ein tiefes Loch. Stellte nur noch Unsinn an, knabberte ihre Fingernägel ab, war immer total aggressiv und aufsässig. Sie liebt ihn wirklich aber es hat bis heute drei Jahre gedauert, bis sie wieder einigermaßen normal war. In dieser Zeit ging es meiner Mom auch total schlecht. sie kümmerte sich nur noch um meinen Bruder, hatte überhaupt keine Zeit mehr für uns, mein Paps musste arbeiten und wenn er nach Hause kam, empfing ihn eine genervte Frau, die sofort wieder anfing ihn wegen seiner Unpünktlichkeit zu Schnecke zu machen. Sie war gestresst, unausgeglichen, und rastete noch schneller aus. Ließ sich von keinem mehr was sagen, nicht einmal von ihrem Mann, der eh meist nichts sagt, denn wenn er es doch tut, und vernünftig gegen ihr Verhalten argumentiert, empfindet sie das gleich als "in den Rücken fallen".
Sie wurde schließlich krank und fuhr mit meinem Bruder auf Kur.
Das war vor einem Jahr.
Anfang Januar diesen Jahres saß sie morgens mit meinem Vater im Bad und als wir kamen, es war Schulzeit, weinte sie total und nach einiger Zeit eröffnete und mein Paps dass sie gerade ein Baby verloren hatte. Sie war damals in der zweiten oder dritten Woche und wir hatten nichts davon gewusst. Meine Schwester hat auch gleich angefangen zu weinen, auch mein "starker" Papa. Aber das komische war, dass ich überhaupt nichts empfand. Weder Traurigkeit noch Freude ( was wohl nicht hätte schlimmer sein können ). Einfach gar nichts. Ich hätte auch nicht weinen können, wenn ich gewollt hätte. Es ist wirklich grausam so etwas sagen zu müssen, aber es war mir echt egal. Ich weiß nicht warum und finde es jetzt immer noch erschreckend, es wäre schließlich mein Geschwisterchen gewesen. Aber ich dachte, dass es so vielleicht besser war. Vielleicht war es krank gewesen...oder behindert. Mit einem behinderten Kind in meiner Familie könnte ich nicht leben. Ich weiß auch nicht warum aber das wäre für mich das schrecklichste, und schlimmste was mir passieren könnte.
Jedenfalls ist sie jetzt wieder schwanger. In der 8. oder 9. Woche glaube ich, und fest überzeugt, dass sie sich von meinem Dad scheiden lassen will. Nicht dass das das erste Mal wäre, aber bei den andern Malen ( ich weiß nicht, wie oft sie schon darüber nachgedacht hat) war ich noch kleiner und hab dass nicht so mitgekrigt oder nicht wahr haben wollen.
Auch wenn meine Omi und Opa kommen, heult sich meine Mom immer bei denen aus, wie wir sie doch belasten, und wie schlimme Kinder wir doch sind. Am Ende jedes Besuchs erhalte ich dann die mahnenden Worte "Und macht der Mama nicht immer so das Leben schwer!" und ein trauriges und enttäuschtes Lächeln meiner Omi.
Doch darüber was sie alles falsch macht und dass sie sich den meisten Stress sogar selber mach, mit ihrem Putzwahn und dass sie sich immer über Kleinigkeiten, die man eh nicht mehr ändern kann, aufregt, anstatt einfach das Beste daraus zu machen, darüber redet sie nie. Nachdem sie wieder einen ihrer "Tobsuchtanfälle" hat, tut es ihr ( hoffe und glaube ich! ) auch leid und manchmal entschuldigt sie sich auch. Aber oft macht sie in ihrer Wut einfach sinnlos Sachen kaputt und das ist nicht so leicht wieder gut zu machen.
Auch die Geldsorgen belasten meine Eltern sehr und die Sorgen um das Haus, in dem wir nur zur Miete wohnen. Aber dagegen lässt sich so leicht nichts machen.
Nun haben wir auf Freizeiten eine 6-Köpfige Familie kennen gelernt, die ich einfach nur bewundere, denn sie haben all das was wir nicht haben und können all das was wir nicht können. Die Eltern reden miteinander wenn es Probleme gibt und gehen diesen nicht einfach aus dem Weg. Wenn Dinge nicht mehr zu ändern sind, dann ist es eben so und sie versuchen das Beste daraus zu machen. In dieser Familie gibt es mindestens genauso oft Streit wie bei uns aber der artet dann nicht aus sondern wird ruhig gelöst. Jeder kann mit Mama oder Papa über Probleme reden, bei uns ist das nicht möglich. Wenn ich mit meiner Mama über so unwichtige Probleme wie Streit mit Freundinnen reden würde, würde sie nur den Kopf schütteln und mir, wie immer, nicht zuhören. Nur sagen, dass ich das allein lösen muss und gleich mit einem völlig anderen Thema anfangen. Die anderen haben auch Geldsorgen, aber sie gehen lockerer damit um und jeder kann jedem vertrauen. Keiner wird bevorzugt, und wenn der Vater eine Woche Hausarrest anordnet, dann bleibt es auch dabei, im Gegensatz zu meinen Eltern, die meiner Schwester so viel verbieten und es dann doch nicht halten können. (Sie dürfte nicht mit in den Italienurlaub fahren. Dazu sagte ich nur, dass sie ja nicht dumm sei und genau wisse, dass das schon gebucht ist. Mamas Antwort: "Nein das mein ich ernst!" -> sie ist mitgefahren....oder nach einem Streit am Tag der Geburtstagsfeier meines Bruders: "Du bist nachher nicht da und das bleibt dabei!" dazu sagte ich nur: "Das könnt ihr doch eh nicht halten!" und so kam es dann auch.Genau wie bei diversen Hausarresten, Fernseh- und Computerverboten, usw.)
Es ist immer das gleiche. Aber wenn gesagt wird dass ich nicht mit "Germany's Next Topmodel" anschauen darf, weil ich angeblich zu wenig im Haushalt mitgeholfen habe ( ich räume jeden morgen die Spülmaschine aus, putze die Schuhe und die Toilette und staubsauge das Haus) dann bleibt es dabei, da kann ich bitten und betteln wie ich will.
Ich musste schon oft meine Hobbies, Verabredungen, oder Termine ausfallen lassen um auf meinen Bruder aufzupassen, weil meine Mom einen Termin hatte. Ob ich am nächsten Tag eine Schulaufgabe, für die nie jemand mit mir lernt, weil keiner Zeit hat, schreibe oder nicht, ist dabei egal.
Ich habe schon öfter daran gedacht, was wohl passieren würde, wenn ich einfach mal weg wäre, dann müssten sie ja auch alleine klarkommen, und bin dann sogar mal einen ganzen Nachmittag bis spät Abends weggelaufen und das wusste meine Mom, aber als ich wieder nach Hause kam, war das erste was sie sagte, als sie mich sah: "Die Spülmaschine ist fertig zum Ausräumen!"
Sie wusste das ich mit Absicht weggelaufen war!!!!
Meine Schwester hat mal aus Versehen eine Bus verpasst und ist deswegen eine Stunde zu spät nach Hause gekommen und meine Mutter hat sich fast die Augen ausgeheult und gesagt sie würde alles bereuen, was sie jemals schlimmes zu ihr gesagt hat. Ich habe da gar nichts gesagt und da hat mich meine Mutter nur angeschrieen: "Dir wäre es doch nur recht wenn sie endlich weg wäre, oder?! dann wärst du sie endlich los!"
Das hat mich total erschreckt...
Ich würde mir so wünschen dass man sich in unsrer Familie auch so vertrauern könnte...und miteinander reden könnte. Wenn ich die Wahl hätte zwischen dieser Familie und meiner, es würde mir sicher nicht schwer fallen. Ja sogar mit dem Paps der anderen Familie könnte ich besser reden also mit irgendjemandem aus meiner eigenen Familie.
Ich habe wirklich viele Freunde und kommen mit jedem gut klar, aber richtig über solche Sachen reden kann ich mit niemandem so richtig. Trotzdem habe ich immer das Gefühl dass ich die Beste sein muss. In der Schule, im Sport, in der Freizeit. Selbst wenn ich will kann ich anderen ihren Erfolg nicht richtig gönnen. Immer muss ich noch besser sein und wenn jemand von meinen Freunden mal ne nette Bemerkung macht sauge ich das auf wie ein Schwamm und komm überhaupt nicht damit klar wenn mich jemand nicht beachtet oder aussperrt.
warum läuft bei uns immer alles so fürchterlich schief????
Vielleicht macht sich ja wirklich jemand die Mühe diesen Seitenlangen Text durchzulesen, dann wäre ich euch sehr dankbar.
Liebe Grüße
Loren

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Loren!

Ja, ich habe Deine Mail Zeile für Zeile gelesen - und das gerne; Deine Not ist wirklich deutlich bei mir angekommen. Und ich habe jetzt auch eine ganze Zeit überlegt, was ich Dir genau raten kann, wie Du die Situation für Dich wenden kannst.

Als erstes ist mir eingefallen, dass Du etwas, was Du von Deiner Mutter erwartest, auch für Dich selbst ein Stückchen umsetzen kannst: Dinge, die nicht mehr zu ändern sind, ruhen lassen. "Was wirklich zählt, ist nur das, was zu ändern ist" ein Liedzeile, die ich selbst oft für mich im Kopf habe...

Es sollte sich bei Dir zu Hause eine Menge ändern; leider liegt nur wenig davon wirklich in Deiner Hand. Glaubst Du, Du schaffst es, diese Not, die in Dir ist, auch an Deine Eltern zu vermitteln? Vielleicht kannst Du es ihnen auch aufschreiben? Wäre das eine Möglichkeit für Dich? Einen Versuch ist es immer wert.

Im Grunde denke ich, dass ihr zusammen zu einer Familienberatung bzw. -therapie gehen solltet. Es liegt so viel im Argen, das kann ich hier in einer Antwortmail kaum auffangen. Zumal das wenigste, was angepackt werden müsste, auch an Deine Adresse geht. Viel mehr sind es Deine Eltern, die eine Menge verstehen müssen, lernen müssen, ändern müssen. So jedenfalls sehe ich es. Um das Leben bei euch zu Hause harmonischer zu gestalen, bedarf es m.E. mehr, als einen Ratschlag an Dich.

Ob Deine Eltern diesen Vorschlag von Dir annehmen würden? Auch etwas, was den Versuch wert ist. Wenn er fehlschlägt, kannst Du Dich auch allein dorthin wenden. So hätttest Du einen Ansprechpartner für Dich (etwas, wonach Du Dich ja sehr sehnst) und jemanden, der dann auch Deine Bedürfnisse Deinen Eltern vermitteln könnte. Das lege ich Dir sehr ans Herz. Dieser Vermittler könnte auch der Vertrauenslehrer Deiner Schule sein.

Alles Gute!
Dana