Problem von Maria - 19 Jahre

vielleicht finde ich mich in London wieder

Hey Andrea,
ich habe dir mal vor etwas längerer Zeit geschrieben... Vielleicht errinnerst du dich noch an mich (hier der Link:http://mein-kummerkasten.de/175605/Ich-habe-mich-selbst-verloren.html).
Ich durchlebe gerade eigentlich eine sehr schöne Zeit. Ich habe natürlich nichts von deinem Vorschlag umgesetzt, mich in terapeutische Hände zu begeben. Viel mehr habe ich das Weite gesucht und bin jetzt ein Aupair in London. Nachdem die ersten zwei Monate eine reine Katastrophe gewesen sind (ich durfte einen kompletten Haushalt alleine schmeißen und am Sonntag sogar noch im Garten Unkraut zupfen+ Rasen mähen), halt ein
Mach-Alles-Angestellter für 60 Pfund in einer indischen Gastfamilie sein, so habe ich Gastfamilien technisch, nach einem Wechsel, jetzt eine wunderbare Familie (Juden)...
Dennoch geht es mir gerade ziemlich schlecht, so dass ich mich am liebsten vor die nächste U-Bahn werfen möchte.
Zum einen hatte ich wieder eine Situation, in der ich fast vergewaltigt wurde und gerade noch in aller letzter Sekunde die Notbremse ziehen konnte (bzw. Hals über Kopf in die U-Bahn flüchten konnte), zum anderen habe ich jetzt Gewissheite, dass ich nach meinen Aupair-Jahr auch keinen Job haben werde. Ich habe etliche Einstellungstest, z. T. sogar mit besonders guten Ergebnis absolviert, für einige Vorstellungsgespräche bin ich sogar extra nach Hause geflogen... Aber leider hat es nie gereicht. Ich fühle mich gerade furchtbar dumm und wertlos, weil wirklich all die Mühe und Zeit, die ich in meine Bewerbungen gesteckt habe, sinnlos war. Die Arbeitswelt will mich nicht.
At the end of the day, you one day older...
Jetzt stecke ich natürlich in einer Zwick-Mühle: Komme ich nach Hause, um mich weiterhin zu bewerben und dann auch gescheit zur Verfügung für irgendwelche Interviews und Einstellungstests zu stehen, oder bleibe ich hier und lasse einfach noch ein wenig das Leben weit weg von Eltern und Geschwister auf mich wirken? Glücklicherweise habe ich jetzt sogar so viel Geld, dass ich mir hin und wieder auch mal ein Musical an schauen kann...
Und dann habe ich noch ein Problem, seit dem diese Sache war, wo ich fast vergewaltigt wurde (ist gerade knapp zwei Wochen her), kam natürlich alles wieder hoch und auch diese Phase, wo ich einfach nichts mehr machen wollte und natürlich mein Bett am liebsten 24Stunden am Tag gewärmt hätte... Aber als Aupair muss man ja schließlich etwas für sein Geld tun. Ich habe in meiner neuen Gastfamilie zwei Jungs (vorher war es ein Mädchen), aber immer wenn ich den beiden jetzt ein Bad gebe, dann ekel ich mich regelrecht vor ihnen, insbesondere dann, wenn ich deren Geschlechtsteil sehe. Leider ist das eine Kind ein Baby, sodass man auch wenn ein gravierender Altersunterschied zwischen den beiden Brüdern herrscht (7 Jahre), sie besser nicht alleine lässt.
Und jetzt kommt gerade so die Situaion wo ich ernsthafte Zweifel an mir selbst habe. Hallo, dass sind Kinder. Und trotzdem habe ich unterschwellig schon ein Ungutes Gefühl wenn ich sie nackt sehe und sogar ein Bischen Angst. Das ist doch wohl absolut krank, oder? Also gehöre ich doch irgendwie auf die Geschlossene?
Kannst du mir sagen, was ich dagegen tun könnte? Ich weiß, du rätst mir zu einer Teraphie und spätestens nachdem ich diese Verhaltensauffälligkeit jetzt bei mir selbst festgestellt habe, weiß ich, dass es, sollte ich jemals im Leben ein normales sexual Leben haben wollen, unumgänglich ist, ohne terapeutische Hilfe dieses Ziel zu erreichen... Nur gerade im Moment passt es wirklich nicht. Dabei lebe ich jetzt sogar bei zwei Psychologen, aber ich trau mich nicht, die über mich aufzuklären, denn ich würde auch nicht gerne die Krankengeschichte meines Kindermädchens wissen und ihr danach noch meine Kinder sorglos anvertrauen können.
Auch wenn ich deine Ratschläge bislang nicht 100 Prozent umgesetzt habe, so denk bitte nicht, dass ich sie ignoriere, nur es ist nicht einfach, sie umzusetzen... Von meiner Familie zu Hause bin ich ja schonmal ein wenig abgekapselter und selbständiger... Wie du siehst deine Worte haben durchaus bei mir gefruchtet...
Wenn es mir besonders schlecht geht, dann lese ich mir deine Antwort vom letzten Mal noch mal durch, dass gibt mir imm wieder ein wenig Kraft...
Also zögere bitte nicht und schreib mir bitte, was du über mein Badeproblem denkst. Vielleicht kannst du dich auch noch einmal an eine Antwort für die Frage machen: Ob eine Gesellschaft ohne Sexualität funktionieren kann?
Vielen Dank im voraus und dir eine schöne Adventszeit;-)

Anwort von Andrea

Liebe Maria,

ja ich erinnere mich noch an dich - klar! Ich hab mir damals gedacht: boah, wie kann sie das alles schaffen, wenn doch die Gegebenheiten nicht gerade die leichtesten sind und du nicht unbedingt auf Unterstüzung seitens der Familie bauen konntest!
Umso mehr hab ich mich sehr gefreut, wieder von dir zu hören!

Noch viel mehr freue ich mich, dass du einen eigenen Weg gewaehlt hast ;-).
Ja London und AuPair, das kommt mir sehr bekannt vor. Als es mir nach einem nicht glücklichmachendem Studium (2 Semester) und einer Erkrankung an der Schilddrüse nicht gut ging, habe ich ebenfalls diese Option gewaehlt und bin für 4 Monate nach London gegangen. Es war mein Weg, um wieder zu mir zu finden, ach um auch einfach wieder den Spaß am Leben zu bekommen. Weit weg von allem Alten - auf in das Neue.
Mein Motto war damals: So make the best of this test, and don't ask why.
It's not a question, but a lesson learned in time.
It's something unpredictable, but in the end is right.
I hope you had the time of your life.

Nun zu deiner jetzigen Situation:
London scheint ja jetzt ganz gut zu laufen, die ein oder anderen kleinen Schwierigkeiten sind da völlig normal! Hauptsache ist, du fühlst dich da wohl. Warum glaubst du, dass du keinen Job finden wirst. Meinst du nicht, das Jahr London praegt dich ein wenig? Ich bin mir sicher, dass es seine Spuren hinterlaesst und du dich veraendern kannst.
In welchem Bereich möchtest du denn arbeiten, dass es so hoffnungslos aussieht? Weißt du, manchmal, gerade bei so Einstellungsgespreachen, kann man gar nicht zeigen, was in einem steckt - deswegen ist es gut, wenn man z.B. Praktika oder aehnliches macht, damit man in dem Arbeitsbereich zeigen kann, zu was man wirklich faehig ist. Vielleicht bietet da auch London ein gutes Pflaster!?

Ich denke, es ist noch Zeit bis du wieder daheim bist, wenn mich nicht alles taeuscht noch mehr als ein halbes Jahr. Schau, dass du in England ein wenig ERfahrung sammeln kansnt, so eine Auslandserfahrung wirkt sich in jedem künfigten Beruf positiv aus! Es zeigt, du kannst selbstaendig für dich sorgen, ja sogar noch für mehrere und du wolltest neue Erfahrungen sammeln.

Versuche die Kindern unabhaengig von dem, was dir widerfahren ist, zu sehen. Sie sind Kindern, sie sind völlig unschuldig- sie können dir positive Erfahrung mitgeben. Von Kindern kann man so viel lernen und mitnehmen, sie sind anders als Erwachsene. Ob das krank ist oder nicht- ich denke das ist überhaupt keine Frage und noch dazu: du empfindest so, okay, das muss man respektieren, für jeden sind andere Dinge Faktoren, die Erlebtes wieder zugaenglich machen, die Erinnerungen hervorrufen. Das wichtige daran ist, du musst lernen, damit umgehen zu können, dich nicht von diesen Faktoren beeinfluss lassen.
Ich weiß nicht, ob du das alleine kannst, ich bin naemlich noch immer der Meinung:
es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht alleine bewerkstelligen, da man den Zugang nur über sich selbst findet. Du bist immer diejenige, die etwas betrachtet, was sie selbst erlebt hat. Du kannst dein, wie man so schön in der Psychologie sagt, "Selbst" nicht einfach weglassen, sondern schleppst es beim betrachten immer mit. Du kannst also nur subjektiv und nicht objektiv bewerten. Manchmal aber braucht man jemanden, der das für einen von außen tut, damit man mal eine andere Möglichkeit des Zugangs findet. eine Vergewaltigung finde ich ist ein solches Erlebnis, mit dem die Meisten einfach nicht alleine klar kommen. Wenn du dich dazu im Moment nicht bereit fühlst und wegen London nciht schaffst, gut, es gibt auch Überbrückungsmöglichkeiten. Du kannst Hilfe im Internet finden, wie z.B. bei bke-jugendberatung.de Dort gibt es Einzelberatung über das Interent, das waere vielleihct für dich eine Lösung?
Vielleihct ergibt es sich unbewusst, dass du mit deiner Gastfamilie ein wenig in Kontakt kommst was dieses Thema angeht. Beobachte mal, wie sie auf so was reagieren würden.

Wiederum, ich finde eine Therapie zu gegewbenen Zeitpunkt wichtig und ich denke du kannst viel mehr profitieren, als verlieren, aber
und das will ich betonen
den Weg, den du bist jetzt gegangen bist, ganz ehrlich, den finde ich klasse und ich finde es richtig stark von dir, dass du dir das alles zugetraut hast, nach dem, was du schon alles erlebt hast. Das zeigt mir, dass du noch viel mehr erreichen kannst, als du bereits geschafft hast, denn da ist ein irre Potential auch an Willen bei dir, mehr aus allem zu machen!

Zu deiner Frage: Gesellschaft ohne Sexualitaet, puh ehrlich gesagt keine Ahnung, ich glaube nein, denn es gehört zum Menschsein dazu, für den einen auf eine andere Art wie für den anderen. Der Umgang macht den großen Unterschied aus, und jeder lernt anders damit umzugehen.

Ich freu mich, was von dir zu hören und wünsche dir alles alles Gute weiterhin in meine Lieblingsstadt - grüß Wimbledon von mir ;-)...
Achja und bei Musicals: The Lion King und The Phantom Of The Opera - nur zu empfehlen :-)

Deine Andrea