Problem von Anonym - 24 Jahre

Wieder am Leben teilnehmen...

Liebes Ku-Ka-Team,

ich habe gemerkt, dass ich langsam ein wenig realitätsfremd geworden bin.
Nach meinem Abitur vor 4 Jahren habe ich eine Ausbildung gemacht, hinter der ich nie gestanden habe und durch die ich auch eigentlich mit geschlossenen Augen gegangen bin, weil ich mich in diesem Beruf nie auch nur ansatzweise verwirklichen wollte. Dennoch habe ich einen recht guten Abschluss gemacht, weil ich ein Mensch bin, der auch schon auf dem Gymnasium sehr viel Wert auf ?Noten? gelegt hat. Ich habe diese Ausbildung als Hölle empfunden, obwohl ich weiß, dass ich es mir eigentlich nur selbst schwer gemacht habe mit meiner Abneigung. Als ich dann in das Berufsleben eingestiegen bin, bin ich mit Leuten konfrontiert worden, die naturgemäß sehr viel mehr Erfahrung und Kenntnis mit und von der Materie und auch im Umgang miteinander gehabt haben. Ich habe mich so klein gefühlt, dass ich immer ruhiger, ängstlicher und unproduktiver geworden bin. Vor einem Jahr habe ich gekündigt, mit der Begründung, dass mir die Matierie eh nie gelegen hat und dass meine Berufswünsche in anderen Gebieten liegen. Im Nachhinein glaube ich, dass ich in erster Linie vor der Situation geflüchtet bin. Leider kriege ich seitdem nichts mehr gebacken. Ich habe diese Situation als derartige Niederlage empfunden, dass ich es nicht mehr schaffe, mit fremden Menschen zu kommunizieren und auch enorme Angst vor neuen Anforderungen habe. In der Schule war meine größte Niederlage eine 4 in einer Mathearbeit in der 12.Klasse, die mein Selbstwert damals für einige Zeit anormal zu Boden gepresst hat. Auch konnte ich mich immer mit einer hübschen Freunding schmücken in meinem damals großen Freundeskreis, in dem ich immer wieder erfolgreich den Entertainer spielen konnte. Meine momentane Situation sieht etwas anders aus. Ich habe kaum noch Freunde, verbringe die meiste Zeit in meinem Zimmer (- ich wohne noch bei meinen Eltern-) und der mutige berufliche Sprung ins kalte Wasser im letzten Jahr hat sich als eine Aneinanderreihung von Niederlagen entpuppt; das kriege ich nicht so ganz verkraftet. Ich mache zur Zeit ein Praktikum ? mehr schlecht als recht und manchmal auch gar nicht. Meine Freizeit verbringe ich seitdem am liebsten im Bett, weil ich Schlafen im Moment als das Schönste in meinem Leben empfinde. Jeden Morgen wache ich mit dem Gedanken auf, dass ich wieder einen Tag älter bin und dass ich ganz weit hinten im Rennen liege. Meine Freizeit oder Wachzeit verbringe ich mit Zigarettenrauchen und umfangreichen Plänen und neuen Motivationsillusionen, die mich wieder so ?erfolgreich? wie damals machen sollen. Leider kriege ich nie auch nur einen Punkt meiner umfangreichen Tagespläne erledigt, weil sich mittlerweile mein ganzes Leben nur noch in meinem Kopf abspielt. Jede Tätigkeit, ob geistig oder körperlich, ob aufgezwungen oder freiwillig, strengt mich so sehr an, dass ich dank unzähliger Verschnauf-Zigaretten-Denk-Pausen 10* so viel Zeit brauche. Ich agiere schon lange nicht mehr zielorientiert, sondern nur noch ?zigarettenorientiert?. Mein Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen, Tatendran, meine Kommunikationsfreudigkeit und Disziplin sind auf Null gesunken. Wenn ich mich doch mal aus meinen Gedanken entferne, kriege ich so viel Angst, vor anderen Leuten nicht bestehen zu können, dass ich mich am liebsten wieder ganz tief in den Uterus verziehen würde. Mein ständiges Flüchten in meine Gedanken, hat zeitweise dazu geführt, dass mein Zimmer eine Müllhalde war und ich nicht auf Hygiene, geschweige denn Gesundheit geachtet habe. Ich weiß, dass es mir objektiv betrachtet gut geht, weil ich - zwar keinen Job - aber ein sicheres zu Hause habe und mit 24 Jahren bestimmt noch genug Möglichkeiten, mich zu verwirklichen. Aber mir fehlt leider etwas der Sinn, weil ich gemerkt habe, dass mein bisheriger Sinn immer darin bestanden hat, mithalten zu können und zu gefallen. Interessen habe ich eigentlich keine und ich würde am liebsten die Zeit anhalten, um herauszufinden, ob es auch Dinge gibt, die über mein Ego-Zentrum hinausgehen, aber soviel Zeit habe ich nicht. Im Moment geht es mir etwas besser, weil ich vor ein paar Wochen eingesehen habe, dass es so nicht weitergehen kann. Obwohl ich eigentlich nicht sehr produktiv bin. Ich versuche jeden Tag aufs neue wieder abzunehmen, mir das Kettenrauchen abzugewohnen, Sport zu treiben, mich und mein chaotisches Umfeld aufzuräumen, mich bewusst mit anstrengenden Situationen zu konfrontieren, aber die ständige Frage nach dem Sinn und die großen Ängste überfordern mich bei meinem riesengroßen ?Resozialisierungsplan?. Und ich verfalle ständig wieder meinem eigenen Leistungsdruck und den hohen Anforderungen an mich und alles um mich herum. Ich möchte nicht zu einem Psychologen gehen, weil ich da alleine rauskommen will. Mir fehlt nur die Reihenfolge, weil ich irgendwie den Sinn für Wesentliches verloren habe und weil meine vielen Gedanken mich lähmen. Gesundheit, Gewicht, Geld verdienen, berufliche Verwirklichung, eigene Interessen finden, Menschen finden, Ordnung finden,... - Sagt ihr mir bitte, wo ich anfangen soll!

Viele Grüße!

Anwort von Sabine

Hallo!

Du beschreibst in Deiner Mail einen super schulischen Werdegang und solltest eigentlich zufrieden damit sein. Deine Ziele und Erfolge steckst Du Dir sehr hoch.
Soll ich ehrlich sein, welchen ersten Gedanke ich hatte, als ich Deine Mail gelesen habe: jeder fängt klein an.
Du bist damals in einen Beruf gekommen und hast Deine Erwartungen sehr hoch gesteckt. Glaubst Du nicht auch, dass alle in der Firma mal ganz klein angefangen haben?Jeder von uns fängt ganz unten an und arbeitet sich hoch. Ich weiß nicht, warum Du Dir Deine Ziele so hoch steckst und soviel von Dir abverlangst? Ich finde, Du solltest es genießen wie es kommt und Offenheit zeigen was Neues betrifft.
Du zeigst viel Ehrgeiz in Deiner Mail und ich kann mir vorstellen, das Du es auch alleine schaffen könntest. Versuche es ruhig. Im Grunde bist Du auf dem richtigen Weg. Eine Veränderung in Deinem Leben.
Welches die richtige Reihenfolge ist, kann ich Dir leider nicht sagen, da jeder Mensch anders ist und es anders anpacken würde. Du wirst es für Dich herausinfen müsssen und für Dich feststellen. Den Weg hast Du bereits eingeschlagen. Lass Dir Zeit und vor allem gib Dir auch die Zeit. Es geht nicht von heute auf morgen. Nimm Dir die Zeit.

Lieben Gruß