Problem von Anonym - 20 Jahre

Mein Vater und ich

Mein Vater und ich sind uns sehr ähnlich und wir kriegen uns deshalb wegen jeder Kleinigkeit in die Haare. Dabei verliert er oft die Fassung: Er wird laut und dabei sehr schnell persönlich. Zum Beispiel sagt er, dass ich abhauen soll und dass er mich nicht mehr sehen will. Oder er sagt, dass ich dumm sei. Manchmal unterstellt er mir sogar, dass ich lügen würde.

Ich bin mittlerweile alt genug, um ihm entgegenzutreten und ich möchte Streitsituationen gerne bereinigen und darüber reden. Mein Vater lässt das aber nicht zu. Er wird immer nur lauter. Sind andere dabei, dann führt er mich regelrecht vor und scheint es zu genießen, wenn er mich lachend runterputzen kann. Es gab sogar schon Situationen, wo andere meine Mutter oder meinen Freund auf das Verhalten meines Vaters angesprochen haben.

Wir haben starke Probleme in der Familie, weil meine Großeltern Pflegefälle sind und bei uns wohnen. Das belastet uns alle sehr. Außerdem habe ich einen jüngeren Bruder, der seine damals minderjährige Freundin geschwängert hat und seitdem nicht mehr Zuhause bei uns wohnt, sondern mit ihr und dem Kind in einer anderen Stadt. Der Kontakt ist sehr schlecht, was jeden einzelnen von uns hart trifft.

Ich versuche, seine Situation zu verstehen. Er erlebt die Probleme ja aus einer anderen Sicht als ich. Doch manchmal kann ich einfach nicht mehr, weil ich die Familienprobleme doch auch teile und damit zurechtkommen muss. Ich sitze da und weine, weil ich so unendlich traurig bin. Mein Vater war immer ein gutes Vorbild und jetzt muss ich mir eingestehen, dass er rein menschlich gesehen ein absoluter Versager zu sein scheint.

Wie soll ich mit dieser Situation umgehen? Wie soll ich reagieren, wenn er mal wieder sagt, dass ich ihm aus den Augen gehen soll oder ich einfach nur dumm sei? Meine Mutter möchte ich nicht damit belasten, denn sie hat auch so manches Problem mit ihm. Mein Freund sagt immer, dass ich mehr Verständnis haben soll und mir nichts von den Beleidigungen und Beschimpfungen annehmen darf.

Vielleicht habt ihr ein paar Ratschläge für mich, denn ich bin momentan sehr dünnhäutig und halte das alles kaum aus.

Anwort von Marius

Hallo,

ich finde dein Freund hat Recht. Wenn du es mal andersrum siehst. Wem schadet die Wut auf deinen Vater? Ihm oder dir? Da du weisst, dass sie dir schadet, solltest du überlegen wie du diese Wut loswirst. Wut oder Verärgerung arbeitet gegen das Gefühl des Mitgefühls. Sagen wir jemand beschuldigt jemand anderes was ist der Grund für die Beschuldigung? Er hat nicht genau hingeschaut. Ein Beispiel:

Ein Mann schlägt einen anderen Mann mit einem Stock. Geben wir dem Stock die Schuld? Nein, denn das können wir uns nicht vorstellen, wir können uns vorstellen, dass der Mann die Schuld trägt aber trägt er wirklich die Schuld oder ist es die Verärgerung in seinem Kopf, die Gefühle denen er unterworfen ist?

Wenn man anfängt die Ursache für seine Verärgerung immer wieder vor Augen zu führen und gleichzeitig die Kraft gewinnt sich davon nichts anzunehmen, empfindet man Mitgefühl für den Menschen und sein großes Leid im innern. Wie schade ist es, dass dein Vater immer wieder so voller Wut ist, wobei Mitgefühl das wesentlich schönere Gefühl für ihn wäre?

Denke richtig über ihn und du wirst erlöst werden.

Leb Wohl
Marius