Problem von Anonym - 32 Jahre

Hilfe, ich finde keinen Ausgang!

Ich habe das Gefühl, dass sich mein Leben seit etwa drei Jahren im Kreis dreht, ohne dass es eine scheinbare Lösung gibt. Alles, was ich mache, scheitert - also versuche ich es gar nicht mehr. Ich sehe andere Menschen in meinem Alter mit Anfang 30, die mehr oder weniger mit Leichtigkeit, ihr Leben stemmen. Ich kann das leider nicht von mir behaupten. Ich habe zwar einen Partner, aber nicht in nächster Nähe, uns fehlt das Geld und obwohl wir uns lieben ist an ein Zusammenleben seit zwei Jahren nicht zu denken.

Das Ganze hat einen Namen: Jobkrise. Ich bin seit einem Jahr arbeitslos und war es schon einmal 2007. Kurz: Ich weiß einfach nicht, wie es weiter geht, denn ich fühle mich entweder von Menschen oder Dingen übervorteilt und meist sind es die Umstände selbst, die ein Erfolgserlebnis verhindern. Aktuell habe ich die Möglichkeit, durch eine selbständige Tätigkeit wieder an etwas Geld zu kommen - was ist? Das Arbeitsamt macht mir einen Strich durch die Rechnung und ich stelle mich wahrscheinlich noch schlechter als wenn ich nicht arbeiten würde. Ich habe nach einem Studium zweimal meinen Berufseinsteigerjob verloren, weil die Branche, in der ich arbeite, leider hart umkämpft ist. Auch da waren es widrige Umstände wie Mobbing bzw. finanzielle Probleme der Firma. Und welche Firma stellt jemand mit meinem Lebenslauf ein - auch, wenn es - wie immer wieder betont und im Arbeitszeugnis steht - nicht mein Verschulden war und ich gute bis sehr gute Arbeit geleistet habe. Also versuche ich es erst gar nicht mehr - weil jemand, in meiner Situation sich wohl schon längst die Kugel gegeben hätte. Ich war mal voller Elan, noch so Ende 20 - nach langen Kämpfen ist davon nichts mehr übrig. Fühle mich ausgelaugt und ohne Hoffnung auf einen normalen Job.

Es sind nicht einmal so sehr Selbstzweifel, die mich plagen. Ich weiß, dass ich ziemlich intelligent bin, auf einiges an Berufserfahrung zurück blicken kann und motiviert bin. Allerdings bin ich nicht bereit, umsonst zu arbeiten, was ich in unzähligen Praktika schon bewiesen habe - zumal ich mir das momentan nicht mal leisten könnte. Daher trete ich ständig auf der Stelle - denn wer könnte schon von 500 Euro monatlich leben?

Ich habe inzwischen überhaupt keinen Mut mehr, Bewerbungen zu schreiben, aus Angst vor einer weiteren Entlassung und habe mehr an Zeit und Geld investiert, als es die Sache am Ende wert war. Arbeit scheint heute ohnehin nichts mehr wert zu sein. Mir schwirrt so der Kopf, dass ich einfach nicht mehr weiter weiß, was ich tun kann um meine Situation zu verbessern. Auf eigene Kinder verzichte ich ohnehin schon, aber auf einen Arbeitsplatz kann ich in Zukunft leider nicht verzichten, denn das sind noch über 30 Jahre bis zu meiner Pensionierung!

Bitte um einen Rat, wie ich aus diesem negativen Kreislauf wieder herauskomme - denn ich sehe sonst keinen Ausweg mehr außer den Suizid. Mein Leben ist wegen der Jobgeschichte von sozialer Isolation gesprägt und ich fühle mich dennoch ständig im Dauerstress oder das Arbeitsamt sitzt mir im Nacken.

Sarah L. Anwort von Sarah L.

Liebe Unbekannte,

ich kann sehr, sehr gut nachvollziehen wie du dich fühlst und das obwohl ich noch einige Jährchen jünger bin als du und eine nicht ganz so schlimme Odyssee hinter mir habe.
Es würde leider zu sehr abschweifen dir das genau zu erklären, aber ich bin mit meinen 27 Jahren arbeitsunfähig und musste ein paar Mal abbrechen was ich angefangen hatte, aus gesundheitlichen Gründen.
Unverschuldet - aber wen interessiert das wenn mein Lebenslauf löchrig ist und ich selbst fühle mich auch nicht besser, wenn die Leute mich mitleidig ansehen, weil ich Hartz 4 bekomme.
Der aktuelle Arbeitsmarkt erlaubt es mir auch leider nicht eine Stelle zu finden die gut genug auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist um sie bewältigen zu können..
Es hat eine Weile gedauert, aber inzwischen bin ich zufrieden damit ehrenamtliche Tätigkeiten auszuführen. Natürlich nicht für immer, aber es gibt mir im Augenblick das Gefühl etwas Sinvolles zu tun, etwas zurückzugeben, und auch etwas zu leisten für das Geld vom Staat.
Auch musste ich etwas gegen meine soziale Isolation tun, und ich habe festgestellt, dass das gerade bei ehrenamtlichen Tätigkeiten leichter ist - da ist man nämlich dankbar und wertschätzt was du leistest!

Du hast geschrieben umsonst willst du nicht arbeiten. So wie ich dich verstanden habe beziehst du aber Geld vom Staat. Das heisst wenn du es so betrachtest wäre es ja nicht umsonst. Und viele Stellen zahlen auch eine Aufwandsentschädigung, das ist nicht viel, aber deshalb musst du dir auch weniger Sorgen machen, dass es vom ALG abgezogen wird.
Du schreibst du bist ausgelaugt und die Erschöpfungszustände kenne ich auch sehr gut.
Das Lächeln auf dem Gesicht einer alten Dame, weil du wie jeden Dienstag kommst um ihr vorzulesen, oder wenn das geistig stark behinderte Kind dich trotzdem erkennt, auch wenn du nie damit gerechnet hättest, oder wenn du bei der Arbeit auf dem Tierhof gemeinsam mit deinen Kollegen endlich das neue Projekt fertiggestellt hast - das kann so unglaublich viel Kraft geben!

Ich glaube für dich wäre es an der Zeit umzudenken und den Druck rauszunehmen. Such dir etwas das du dir vorstellen kannst stundenweise die Woche zu machen, etwas das dir Spaß macht, das du gut kannst, oder kennenlernen willst.
Mit einer Festanstellung klappt es derzeit nicht - nimm doch mal für ein paar Monate den Zwang, die Verbissenheit (und die Angst und die Scham!) weg. Das Amt bleibt dir mit etwas Glück sogar vom Hals, weil sie sehen dass du nicht nichts tust.
Dass das Amt deine selbstständige Tätigkeit abgelehnt hat ist schlimm - ich weiß aus Erfahrung (zum Glück nicht aus eigener sondern von einem guten Freund), dass die bisweilen zu den ungünstigsten Zeitpunkten völlig abstruse Ideen haben, die auch noch höchst kontraproduktiv sind.
Aber lass dich nicht unterkriegen. Versuch das was ich dir vorgeschlagen habe einfach mal!

Vielleicht wäre es auch dran einen Therapeuten aufzusuchen?
Weisst du, du redest von einem negativen Kreislauf, und ich glaube damit meinst du nicht nur die äußeren Umstände sondern auch deine Gefühle, die dich immer mehr verzweifeln, dich immer weiter die Motivation verlieren lassen.
Das Problem ist, dass man sich solche Gefühle "anlernen" kann, und dann wird man sie - wie einen verschleppten Schnupfen - nur noch sehr schwer wieder los. Nur dass der Schnupfen nicht tödlich endet..deine Ängste und dein Schmerz aber schon, wenn du bereits so sehr leidest, dass du über Selbstmord nachdenkst.
Ich will damit dein Leid nicht kleinreden, nur weil ich von angelernten Gefühlen spreche! Die sind ernstzunehmen und haben eine ernstzunehmende Ursache, ich lese auch sehr deutlich, dass es dir ganz und gar nicht gut geht.
Ich habe nur den Eindruck, dass du eine starke Frau bist, die auch glaubt alles alleine zu schaffen/schaffen zu müssen. Und das halte ich in dem Fall nicht nur für gefährlich, sondern auch für unnötig.
Bitte, such dir Hilfe!
(Außerdem kann ein Therapeut dich auch beim Amt unterstützen, wenn die dir im Nacken sitzen, obwohl du im Augenblick so ausgebrannt bist!)
http://www.therapie.de/psychotherapie/

Du schreibst weiter, dass du auf Kinder verzichten musst, aber leider nicht wieso.
Wenn es "nur" wegen deiner beruflichen Situation ist, dann lass dir sagen dass dich das allein nicht abhalten sollte. Kinder sind etwas Wunderbares, und Deutschland kämpft schon lange darum, dass "Mutter sein" als Tätigkeit ernstgenommen und respektiert wird.
Auch Leuten mit Kindern kann es passieren, dass sie ihren Job verlieren - nein, ich würde es nicht für verantwortungslos halten, wenn du arbeitslos ein Kind bekämst.
-> Solange du dich vorher entsprechend über staatliche Hilfen informierst und dir sicher bist dass du das - mit allen Konsequenzen und auch mit wenig Geld - stemmen kannst. Und wenn du in einer stabilen Beziehung bist, selbstverständlich.

Weiß dein Partner von deinen Sorgen? Rede mit ihm! Und überlegt nochmal, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt zueinander zu ziehen. Sooo teuer ist ein Umzug nicht, natürlich hättest du in der neuen Stadt wieder die Lauferei wegen der Amtsanträge, falls du es wärst die umzieht. Aber ich bin auch schon umgezogen während ich ALGII bekommen hab und konnte mir den Umzug leisten. Vielleicht tut ein Ortswechsel sogar gut?

Entwirre deine ganze Situation mal in Ruhe und denke darüber nach was dir wirklich wichtig ist und warum.
Denke um, und denke bitte ernsthaft über meine Vorschläge und Anregungen nach.
Du bist auch nicht alleine mit dem Problem - die Arbeitslosigkeit trifft sehr viele Leute im Augenblick, und jeder fühlt sich alleine.
Paradox, hm?
Ich schreibe das weil ich dir sagen will: Du musst dich dafür nicht schämen und du solltest versuchen andere Dinge zu finden über die du dich definieren und aus denen du Kraft schöpfen kannst.

Ich bin sehr organisatorisch und "handfest" geworden in meinen letzten Absätzen. Zum Schluss möchte ich dir deshalb noch ein paar warme Worte mitgeben:
Du klingst wie eine kluge, starke, eigentlich selbstbewusste Frau. Selbst jetzt wo ich lesen kann wie schlecht es dir geht, hast du eigentlich noch nicht aufgegeben.
Du hättest es verdient, dass dich jemand mal in den Arm nimmt und dich einfach ein Stück ds Weges trägt, damit du auch wieder ein bisschen Leichtigkeit empfinden darfst.
Wenn es da niemanden gibt, dann versuch dich selbst zu tragen.
Wenn du herausgefunden hast was dir wirklich wichtig ist, was du *wirklich* willst - und ich meine im Kern, und nicht wegen der Konsequenzen ("Arbeit, weil ich liebe meinen Job" zählt - "Arbeit, weil ich brauche Geld" nicht), dann kannst du auch beginnen darüber nachzudenken, was davon praktikabel und umsetzbar ist und was nicht, und wofür du vielleicht ein paar Dinge ändern musst um es umzusetzen.
Aber versuch einfach mal zu "spinnen" und zu träumen so viel du willst und egal wie verrückt manche deiner Ideen vielleicht sind.
Aussortieren kannst du immer noch.

Denn:
Es geht darum wieder glücklich zu werden. Nicht darum zu "funktionieren", liebe Unbekannte.
Dein Leben schlägt dir seit ein paar Jahren Kerben, die schon tief genug sind - sei du selbst bitte gut zu dir.
Ich hoffe so sehr, dass du die Freude am Leben wiederfindest, und dass ich dir ein bisschen helfen konnte!

Alles, alles Liebe,
Sarah L.