Problem von Anonym - 16 Jahre

Wie soll es weitergehen?

Also, ich weiß nicht, ob man meine Probleme wirklich verständlich erklären kann. Ich muss ganz von vorne anfangen.

Mit 13 Jahren wurde ich in die Landesklinik in Eberswalde eingewiesen, weil ich mich mit Tabletten, Alkohol und Pflanzendünger umbringen wollte. Dort war ich dann 1 Jahr und 10 Monate. Es hat Ewigkeiten und mehrere Therapeuten gekostet, bis man es geschafft hatte, halbwegs an mich ranzukommen. Ich habe alles und jeden abgeblockt und fast ständig Suizidgedanken gehabt und mich aufgeschlitzt.
In einem Gespräch mit meiner Therapeutin hat sie mich fast am Schluss gefragt, ob ich mich dran erinnern könnte mal missbraucht worden zu sein.
Ich bin dann zusammengebrochen und hab tagelang nur noch gezittert und geweint.

Mit 8 Jahren bin ich mit meinen Großeltern, einen Kumpel meines Opas und seine Frau und 2 Tanten in den Urlaub nach Dänemark gefahren. Meine Großeltern haben ihre Aufsichtspflicht total vernachlässigt, sonst hätten hätten sie gemerkt, dass Bernd, der Freund meines Opas, etwas zu nett zu mir war...
Er hat es geschafft, mich in den 14 Tagen mehr als einmal zu missbrauchen. Meine Großeltern sind gutgläubige Alkoholiker, die immer zu allem ja und Amen sagen und es meistens nicht mitbekommen, wenn jemand böse Absichten hat.

Bernd war ja trotz allem sehr nett zu mir und ich mochte ihn, wohl weil ich nicht verstanden hab, was er da mit mir macht. Nach den 14 Tagen war ich ein komplett anderer Mensch.

Immer wenn ich in den Ferien bei meinen Großeltern waren, sind wir dann auch zu Bernd gegangen und mein Opa hat mit ihm ein Bier getrunken. Na gut mein Opa mehrere bis viele. Bei einem Besuch hat sich Bernd nett mit mir unterhalten und mir zum Abschied seine Handynummer gegeben. Wie gesagt, ich mochte ihn, konnte mich komischerweise auch nicht mehr an den Missbrauch erinnern und deshalb hab ich ihn angerufen, als mein Vater mich mal wieder runtergemacht hat und dann gings los.

Mit 10 Jahren traf ich mich heimlich mit ihm. Meine Eltern waren arbeiten, mein Bruder im Kindergarten und so hatten Bernd und ich 2-4 Stunden Zeit. Er missbrauchte mich und obwohl ich Angst vor ihm hatte, wollte ich nicht, dass er mich verlässt. Ich dacht ich liebte ihn...mit 13 ging ich dann in eine Gesamtschule und geriet auf die schiefe Bahn...jeden Tag trank ich und missbrauchte Drogen. Obwohl ich ja eine \"Beziehung\" mit Bernd hatte, schlief ich mit unzähligen anderen Jungen und Männern, weil ich Angst hatte nicht geliebt zu werden. Manchmal auch für Geld.

Meine Eltern, vor allem mein Vater, hatten nichts mehr für mich übrig, da ich zu schlecht in der Schule war und es zu nichts bringen würde. ECHTE Freunde hatte ich schon lange nicht mehr...zu wem hätte ich gehen sollen? Ich hoffte, dass Bernd mich da rausholen würde, er wollte ja mit mir durchbrennen, irgendwann.

Er hat mich dann, als ich 13 war, verlassen, so wie alle Menschen und ich war komplett allein. Ich tat alles dafür um zu sterben und es wäre mir ja dann auch fast gelungen.

In der Klinik ging es mir dann zwar etwas besser und ich hab dort auch meine komplett gestörte Freundin kennen gelernt, doch die Beziehung mit ihr macht mir alles noch schwerer und komplizierter.

Seit über einem Jahr bin ich jetzt wieder auf freiem Fuß und in einer therapeutischen WG untergebracht und es ist alles wieder so schlimm wie vorher. Mein Freundin wird von Klinik zu Klinik geschickt und ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehen werde. Ich werde von meinen Mitbewohnerinnen gehasst, weil ich mit meinen Problemen nicht fertig werde und deshalb wieder Dogen/Alkohol missbrauch und ritze und sich eine Betreuerin besonders viel um mich kümmert, da ich ihr wenigstens etwas vertraue. Und das alles zusammen belastet mich sehr, zu sehr. Ich bin kurz davor, zusammenzubrechen.

Seit Wochen habe ich nun Selbstmordgedanken und will aber niemanden damit belasten. Ich will auch mit keinem den ich kenne über meine ganzen Probleme sprechen, weil mir das alles viel zu peinlich ist. Ich will nur noch sterben und meine Ruhe haben. Wenn man es so nimmt, hab ich doch schon genug durchgemacht, oder? könnt ihr mir sagen, was ich tun soll?

Danke im Voraus!
Lg

Marie Anwort von Marie

Liebe Unbekannte,

vielen Dank für dein Vertrauen! Es ist dir sicher nicht leicht gefallen, über all das zu schreiben. Es tut mir sehr Leid, was du alles durchmachen musstest und dass ich dir nicht eher antworten konnte - bitte entschuldige!

Du schreibst, dass du niemanden mit deinen Problemen belasten willst und es dir peinlich wäre, darüber zu reden. Das muss es aber nicht! Jeder, der deine Vorgeschichte kennt, wird vollstes Verständnis dafür haben. Du hast so viel durchmachen müssen, das kann man nicht einfach so wegstecken.

Bitte vertrau dich jemandem an und rede mit ihm darüber, wie es dir wirklich geht. Vielleicht mit deiner Betreuerin in der WG?
Du schreibst, dass dir auch der Klinikaufenthalt gut getan hat - was hindert dich daran, noch einmal dorthin (oder in eine andere Klinik) zu gehen? Manchmal braucht man einfach mehrere Anläufe, bis es einem (langfristig) wieder besser geht. Wie war denn deine Therapeutin in dieser Klinik? Hattest du das Gefühl, ihr vertrauen zu können, oder würdest du es lieber mit jemand anderem versuchen?

Es ist ganz wichtig, dass du dir jetzt erst einmal jemanden suchst, mit dem du über all das reden kannst und der dich unterstützen und dir helfen kann, wieder auf die Beine zu kommen, auch wenn es dir sehr schwer fällt, dich jemandem anzuvertrauen. Je offener du dabei bist, desto besser kann dir geholfen werden.
Du hast nichts zu verlieren, oder?
Was wäre denn das Schlimmste, was passieren könnte? Dass derjenige dich nicht ernst nimmt? Dich verachtet? Dich verurteilt?
Glaub mir, wenn du mit einem guten Psychotherapeuten sprichst, wird das nicht passieren. Du willst ihn nicht damit belasten? - Es ist sein Job, Menschen zuzuhören und sie bei ihren Problemen zu unterstützen, und wenn er das nicht wollen würde, hätte er diesen Beruf nicht gewählt.

Und noch etwas: Bitte tu dir selbst und mir den Gefallen und achte in der nächsten Zeit mehr auf dich und auf deine eigenen Bedürfnisse (und nicht auf die deiner Mitbewohnerinnen, die können sich ruhig erstmal um ihre eigenen Probleme kümmern, bevor sie anfangen, andere zu hassen).
Du brauchst im Moment einfach jemanden, der dir zur Seite steht und dich unterstützt, und das ist okay.
Du musst nicht mit allem allein klar kommen und alles in dich hineinfressen, nur um anderen zu gefallen. Es geht jetzt erst einmal nur um dich und um das, was du brauchst - es ist schließlich DEIN Leben. Okay?
Es ist vielleicht auch gar nicht so schlecht, dass deine Freundin im Moment nicht da ist - in der Situation, in der ihr beide momentan seid, könntet ihr euch wahrscheinlich gegenseitig nicht die Unterstützung geben, die ihr braucht, oder?

Vielleicht findest du auch auf dieser Seite noch ein paar hilfreiche Tipps: http://www.selbsthilfe-beratung.de/angst-vor-ablehnung.html

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute!

Liebe Grüße,
Marie