Problem von Anonym - 33 Jahre

Vergewaltigung einer Schülerin

Liebes Kummerkasten-Team,
Ich bin Lehrerin und unterrichte seit sechs Jahren an einem Gymnasium Deutsch und Philosophie.
Ich habe ein großes Problem und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, denn vor einem Jahr hat sich eine Schülerin mir anvertraut dass sie im Alter von 15 Jahren auf brutalste Weise vergewaltigt wurde. Ich habe ihr sofort geglaubt und ihr natürlich Hilfe angeboten, die sie dankend annahm. Ich bin nicht die Einzige, die davon weiß- ihr Exfreund, den sie aufgrunddessen schnell verlassen hat, hat auch davon erfahren. Er unterstützt sie bis heute noch (auch wenn er sich dabei etwas unbeholfen anstellt, ihren schilderungen zu urteilen), was ich bewundernswert finde.
sie hat über die Monate viel vertrauen zu mir aufgebaut und hat schon viele Fortschritte gemacht. Vor drei Tagen teilte sie mir mit, dass sie sich in mich verliebt hat.
Ich kann das irgendwie verstehen, denn es war für sie ein großes Erfolgserlebnis sich nach einem Jahr endlich zu öffnen und ich war für sie eine große Stütze.
ich habe Angst dass sie zusammenbricht, denn sie wirkt noch so instabil.
Was kann ich tun ohne sie zu verletzen und ohne sie im Stich zu lassen und trotzdem nicht auf ihre Liebeserklärung einzugehen? denn ich bin glücklich verheiratet und habe einen drei Jahre alten Sohn.

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte.

Das Wort "Liebe" ist mit so vielen unterschiedlichen Gefühlen belegt, dass es Dir gerade als Deutsch- und Philosophie Lehrerin vielleicht möglich ist, Deinem Schützling Deine Definition von "Liebe" nahezubringen.
Ich finde es eigentlich traurig, dass wir so schnell vor dem Wort "Liebe" erschrecken!
Denn sicherlich ist es Deine Liebe zu den Menschen, die Dich dazu bringt, für Andere da zu sein!
Warum dürfen wir das Wort also nicht zulassen?
Warum grenzen wir es nicht lieber ab?
Weil wir mit: "ich bin verliebt"! immer nur die Besitz erheischende, ausschließlich zwischen zwei Menschen mögliche Liebe meinen?
"Ich bin Dein, Du bist mein,
dess' sollst Du gewiß sein!"?
Schon viel früher als dieses mittelhochdeutsche Gedicht gab es das "Hohelied der Liebe".
Und da ist nix von "Besitz" und nix von "Ausschließlichkeit" drin zu finden.
Da findest Du - und vielleicht, wenn Du es ihr wirst verständlich machen können, auch Deine Schülerin - die Art von Liebe, in der es keine Eifersucht gibt! Keinen Besitzanspruch! Keinen Ausschluß!
Unsere Liebe zu den Menschen neben uns!

Vielleicht ist das ein Weg?
Stoße ihre Liebe nicht zurück, sondern belege das Wort mit Deiner Begrifflichkeit.

Alles Liebe,

Bernd

P.S. Hier findest Du noch ein Feedback zu Deiner Zuschrift:

http://mein-kummerkasten.de/238822/Feedback-zu-Vergewaltigung-einer-Schuelerin.html