Problem von Max - 17 Jahre

Weiß nicht weiter...

Hallo liebstes KuKa-Team,

ich möchte nicht lange drum herum reden, dass ihr gute Arbeit leistet, wisst ihr glaube ich schon ;).

Nundenn,... ich schreibe euch weil ich denke, dass ich dringend Hilfe brauche. Eigentlich die Hilfe eines Arztes, wie ihr auch gleich merken werdet, jedoch kann ich unter keinen Umständen zu einem Arzt gehen... ich kann euch nicht wirklich erklären wieso, es geht einfach nicht :/ Ich würde es gerne, aber wenn ich es jemandem persönlich erzählen würde, würde ich mich noch am selben Tag umbringen. Soviel kann ich mit Sicherheit sagen.

Fangen wir mal an, meine Lebensgeschichte zu erzählen ;)
Angefangen hat eigentlich alles schon als ich ein Kleinkind war. Meine Eltern haben sich oft gestritten, da mein Vater nicht ganz Korrekt tickt und meine Mutter nahezu täglich deswegen weint. Irgendwie hab ich mir dauernd eingeredet, dass ich mich dran gewöhnt habe, aber wenn ich sehe dass meine Mom dermaßen weint... es zerfrisst mich einfach. Und zeigen kann ich diese Gefühle nicht, denn wenn meine Mutter sieht dass es mir nicht gut geht, wirds nur noch schlimmer. Und irgendjemand muss ja in dieser Familie rational denken können, also habe ich schon relativ früh damit angefangen jegliche Gefühle auszuschalten.

So ging das eine Weile (also ein paar Jahre, vom Kleinkindalter bis eben heute) und es kam ein nächster Abschnitt meines Lebens mit einem neuen Problem. Ich bin schwul.
An sich find ichs okay, aber irgendwie wünsche ich mir doch, \"normal\" zu sein. Ich kann mich nicht leiden so wie ich bin, da ist das schwul-sein nichtmal das größe Problem. Ich finde mein Aussehen richtig schlimm. Das hab ich auch einmal jemandem anvertraut, und das einzige was ich zu hören bekommen hab war gelächter. Niemand kann verstehen, dass ich mich hässlig finde, jeder findet mich gutaussehend, außer mir. Warum ist das so? Warum komme ich absolut nicht mit meinem Körper zurecht?
Oft wünsche ich mir, ein neues Leben beginnen zu können. Ein Leben ohne Probleme seit der Kindheit an, ohne Probleme mit meinem Aussehen, meiner Sexualität... Ich möchte mich richtig in jemanden verlieben, alles andere vergessen und mit einem Menschen bis ans Ende meines Lebens glücklich sein. Warum das nicht geht, weiß ich nicht. Mir ist das Geschlecht eigentlich relativ egal, ebenso wie das Aussehen (da ich meiner Meinung nach sowieso keine großen Anforderungen stellen sollte) nur fand ich bisher kein einziges Mädchen anziehend, dafür umso mehr Jungs :P. Und wenn ich mal mit einem Zusammenkomme, hab ich meine Gefühle nicht unter kontrolle. Wenn er mir dann sagt, dass er mich liebt, kann ich es nicht glauben da ich mich selbst so sehr hasse... ich kann einfach nicht verstehen, warum mich jemand lieben sollte ?!
Oft spiele ich mit dem Gedanken mir mein Leben zu nehmen, um ein besseres Leben irgendwo anders auf dieser Welt beginnen zu können (ich gehöre meines Erachtens nach keiner Religion an also glaube ich nicht wirklich an den Himmel oder an die Hölle ;) ).
Der Tod ist für mich der einzige richtige Ausweg aus diesem Leben. Entweder darf ich danach ein neues Leben beginnen, oder ich sterbe einfach und kriege dann nichts mehr mit. Beides ist besser als so weiter zu leben.

Das einzige was mich davon abhält ist eigentlich der Kummer, den ich den Menschen bereiten würde die mich kennen, aber meine Probleme nicht. Beispielsweise meine Mutter, die sich wahrscheinlich nach meinem Tod auch das Leben nehmen würde, oder meine Klassenlehrerin (mit der ich mich wirklich sehr gut verstehe, sie ist auch die Einzige in meinem täglichen Umfeld die weiß dass ich schwul bin^^) welche dann meiner Klasse erklären muss warum ich nie wieder komme.
Ich habe Angst davor, dass es mir irgendwann egal sein wird was mit den Menschen hier nach meinem Tod geschieht, und ich, vom egoismus geblendet meinen Tod herbeiführe, den ich mir ehrlich sehr sehr doll wünsche.

Ich weiß nicht was ich mir von eurer Antwort erhoffe... ich denke nicht dass es jemand schaffen wird, mir meinen \"Wunsch\" auszureden oder mir irgendwie sonst zu Helfen... ich möchte einfach nur ein paar Antworten, warum ich so bin wie ich bin. Irgendjemandem möchte ich die Schuld dafür geben... dann fänd ich alles viel einfacher. An einen Gott glaube ich wie gesagt nicht, denn es müsste ein richtiges sarkastisches und gemeines *** sein wenn er sowas einem Menschen wie mir zutraut... und die ganzen anderen schlimmen Sachen die auf der Welt geschehen...

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ihr euch Zeit für mich nehmt. Ich kann mir denken, dass es nicht einfach sein wird, eine Antwort zu formulieren die meinem Problem gerecht wird... wie gesagt, es jemandem zu erzählen ist absolut ausgeschlossen.

liebe Grüße
Max F.

Stefan Anwort von Stefan

Lieber Max,
ich freue mich, dass du dich mit deinem Problem an und gewandt hast! Ich werde nun tatsächlich versuchen mit meiner Antwort deinem Problem gerecht zu werden. Sei bitte nachsichtig mit mir!

Ich möchte gleich mit meiner Vermutung zu deinem ?Grundproblem? beginnen. Du hast beschrieben, wie die Beziehung deiner Familie (dir und deiner Eltern) gestrickt ist. Natürlich fällt schon da auf, dass es nicht so läuft, wie man es sich wünschen würde. Du hast deine Gefühle schon recht früh zu unterdrücken begonnen. Dazu neigen Kinder vor allem um einen Selbstschutz aufzubauen. Du konntest an der Situation deiner Eltern nichts ändern. Woran du jedoch etwas ändern konntest ist die Art und Weise, wie du damit umgegangen bist: du hast sämtliche Gefühle unterdrückt und die Wahrnehmung dafür ausgeschalten. Man könnte auch sagen, dass du begonnen hast eine Maske zu tragen um dein wahres Empfinden darunter zu verstecken.

Du beschreibst weiterhin ja sehr ausführlich, dass deine Mutter sichtlich unzufrieden mit der Beziehung zu deinem Vater zu sein scheint. Schlichtweg: sie ist einfach todtraurig. Viele Eltern neigen dazu, wegen ihren Kindern zusammenzubleiben, auch wenn von der Liebe schon lange keine Spur mehr zu sehen ist. Niemand möchte schließlich dem Kind schaden. Jeder weiß ja wie dramatisch und bewegend eine solche Trennung für ein Kind ist. Leider denken dabei nur die wenigsten Eltern daran, dass Kinder durchaus die Streitigkeiten beziehungsweise die Unzufriedenheit der Eltern spüren können (in deinem Fall schien es ja nicht sonderlich schwer zu sehen, wenn deine Mutter geweint hat). Im Endeffekt leidet das Kind (und die Eltern) nur unnötig aus der falschen Rücksichtnahme.

Du bist jetzt ja in einem Alter, in dem du durchaus auch mal ernstere Gespräche mit deinen Eltern führen kannst. Ich kenne natürlich nicht die Beziehungen innerhalb deiner Familie, inwiefern ihr ?miteinander reden? gewohnt seid. Ich würde dir jedoch raten, deine Mutter zu fragen, warum sie eigentlich noch mit deinem Vater zusammenlebt. Das mag jetzt hart klingen, jedoch traue ich dir durchaus genügen Fingerspitzengefühl zu, dass du deine Mutter nicht in einem depressiven Moment ansprichst. Vielleicht kannst du ihr dadurch auch klar machen, dass du gewiss kein Grund bist, warum sich deine Mutter selbst in einem unzufriedenen Leben gefangen hält. Gleichzeitig kannst du dadurch natürlich deiner Mutter auch aufzeigen, dass du durchaus alt und reif genug bist, um mit einer (vielleicht längst überfälligen) Trennung deiner Eltern klarzukommen.

Ich möchte nun gern auf deine Einstellung zu dir selbst eingehen. Wie ich schon erwähnt habe, kann man dein Unterdrücken sämtlicher Gefühle als eine Art Maskenschauspiel betrachten. Je länger man eine bestimmte Rolle spielt, desto schwerer wird es, diese abzulegen. Ich meine damit im Klartext, dass du von dir selbst nicht schlagartig erwarten kannst, nur so vor Gefühlen (dazu zählt eben auch das eigene Körpergefühl) zu sprudeln. Es ist schlicht weg logisch, dass dir der Umgang mit Gefühlen (gegenüber dir selbst sowie auch anderen) schwer fällt, da du scheinbar fast dein ganzes Leben gegen Gefühle gekämpft hast um diese unterdrücken zu können.

Da nun der Punkt kommen würde, in dem ich dir den Gang zu einem Therapeuten nahelegen würde (vielleicht würde ich dir auch folgende Seite verlinken: http://www.therapie.de/psychotherapie/ ), fällt mir natürlich ein, dass du klar und deutlich erwähnt hast das du dich an niemanden wenden möchtest :-). Daher möchte ich dir zwei ?Methoden? zeigen, die du selbst (ohne andere Personen) anwenden kannst. Zum einen eine Methode damit du (wieder er-)lernen kannst, besser mit Gefühlen umzugehen, zum anderen eine Methode um dein Selbstwertgefühl weiterzuentwickeln und zu stärken. Vor weg: die Methoden klingen unter Umständen vielleicht etwas sehr fragwürdig. Da du dich jedoch an uns gewandt hast, gehe ich einfach mal von deiner Kooperationsbereitschaft aus ? schließlich wollen wir beide das gleiche: das es dir besser geht.

1. Das Gefühlstagebuch
Zum Anlegen eines Gefühlstagebuchs nimmt du dir einfach ein kleines Heft (es geht auch ein Ringblock oder ?buch). Du brauchst für jeden Tag zwei Seiten. Auf die linke Seite schreibst du alle positiven Gefühle, die du am Tag hattest und auf die rechte Seite hingegen alles negativen Gefühle. Je nach Belieben kannst du auch noch Situationen kurz notieren und wie du dich dabei gefühlt hast. Sollte dann einmal eine Phase kommen, in der Selbstzweifel oder ähnliches anstehen, kannst du dir jeweils die positiven ?Seiten? durchlesen. Das kann sehr gut helfen.

2. Die Zettelmethode
Bei der Zettelmethode notierst du so viele gute Eigenschaften von dir, wie dir einfallen. Versuch dich dabei auch daran zu erinnern, wofür die andere Leute mögen. Du kannst ja auch mal ganz ungezwungen nachfragen! Diese Zettel (am besten eignen sich Klebezettel) verteilst du in deinem Zimmer (gegebenenfalls auch in der Wohnung ? je nach dem was dir lieber ist). Wähle dabei Orte aus, die du oft im Blickfeld hast.

Gerade die Zettelmethode hat das Ziel, an deiner Lebenseinstellung und den damit zusammenhängenden Konsequenzen für deine Kommunikation (und damit deine Art, wie du auf andere Menschen wirkst/zugehst), zu arbeiten. Derzeit befindest du dich (nach meiner Auffassung) auf einer ?Ich nicht okay ? du okay? Stufe. Ziel ist eine ?Ich okay- Du okay? Einstellung. Wenn du möchtest kannst du gern auch nochmal danach googeln.

Ich glaube, dass sehr viele Jugendliche irgendwann mal in eine Phase geraten, in der sie sich vorstellen, wie und was wohl wäre, wenn sie nicht mehr leben würden. Oft hängt diese Phase auch mit der Suche nach dem Sinn des Lebens zusammen (auch ich hatte diese Phase). Der Tod sollte jedoch niemals ein Ausweg sein, sondern uns eher zeigen, dass man sein Leben so effektiv wie nur möglich gestalten sollte. Du wirst wahrscheinlich nie jemanden treffen, der keine Probleme hat. Nicht umsonst gibt es den Spruch ?Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen?. Entscheidend ist die Art und Weise, wie du es trägst! Mit dem Schritt, dich an uns zu wenden hast du meiner Meinung nach begonnen, deine Art ?zu tragen? zu verändern ? und das finde ich super.

Ich hoffe dir etwas bei deinem Problem geholfen zu haben und ihm gerecht geworden zu sein :-). Sollte das nicht der Fall sein, du weitere Fragen oder völlig neue Probleme haben, kannst du dich natürlich gern erneut an uns wenden.

Alles Gute und viel Kraft,
Stefan