Problem von Lara - 16 Jahre

Das Leben meines Vaters

Liebes KummerKasten Team,

Ich habe ein problem mit meinem vati (42). Er versteht mich oft falsch und hat ungerechte Anforderungen an mich. Wenn ich ihm etwas erzähle endet es meist damit dass er mich anmeckert und ich weine. Z.B. gehen wir oft zusammen einkaufen aber diesmal wollte ich nicht und hatte gesagt ich komme nicht mit und der war eingeschnappt, aber da weiß ich nicht für was ich mich entschuldigen soll, es wäre ja nicht richtig einfach entschuldigung zu sagen obwohl ich es nicht so meine! Er ärgert sich immer über meine fehler wenn mein zimmer nicht ordentlich ist oder ich den falschen ton habe (oft wenn ich mal gestresst bin ^^)
Aber wenn ich mal was an ihm kritisiere meint er nur dass ich ja auch fehler habe. Ja klar hab ich welche jeder hat welche aber ich finde es doof wenn man nichtmal darüber reden kann und gleich wieder vorwürfe bekommt!
Und da ist noch was, ich bin öfters traurig weil ich ihn nicht als vorbild sehen kann. Er hat einen mittelmäßigen beruf, mittelviele freunde, unternimmt nicht so viel. Er hat in meiner sicht ein langweiliges leben. Mir tut das weh so etwas zu sagen, weil ich oft andere leute sehe bei denen ich denke wenn der doch nur meine vati wäre, wäre das toll. Jemand zu dem man hinaufschauen kann und stolz auf ihn sein kann. Wie z.b. mein onkel (36) ihn hätte ich lieber als vater als meinen eigenen. Er hat irgendwie ein interessantes leben, seit kurzen einen neuen beruf, er kennt sich mit computer aus hat immer das neueste der technik er war schon in vietnam... Es ist traurig so etwas zu sagen, vielleicht stelle ich zu hohe ansprüche aber ich will ja nicht dass er den nobelpreis bekommt! Aber wenn er öfters mal weggehen würde oder ein guter arzt wäre fände ich das toll!
Was soll ich denn machen er kann ja nicht plötzlich anfangen zu studieren.
Mit meiner mum ist es das gleiche, beide haben kein schlechtes leben und ich liebe sie wirklich aber ich muss ehrlich sagen wenn ich erwachsen bin möchte ich nicht das leben von ihnen haben.
Bei meiner oma ist es so sie kann vllt nicht das lexikon auswendig aber sie ist sehr offen und kommt mit vielen leuten auf der straße einfach so ins gespräch und das finde ich toll und deshalb stört es mich auch nicht dass sie keinen super job hatte.
Habt ihr hilfe für mich? Ich möchte das was ich geschrieben habe aber meinem vater nicht ins gesicht sagen!

Danke,
Eure Lara

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Lara.

Wenn ich das richtig verstehe, lebst Du mit Deinem Vater zusammen. Deine Eltern haben sich getrennt?

Sicherlich lebst Du in einer anderen Welt, als ich. Da liegen ganz einfach knapp 2 Generationen dazwischen.
Das Motto meiner Eltern war: unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir!

Warum ich Dir das schreibe?
Meine Eltern waren und sind nicht durch das mein Vorbild, was sie selbst für sich erreicht haben!
Sondern durch die Möglichkeiten, die sie mir durch ihren Verzicht an eigenem "Lebenswert" eröffnet haben!
Mein Vater hat Geld, Geltung und Karriere für die Sicherheit seiner Familie geopfert!
Sicherheit für uns ging ihm vor dem eigenen Geltungsdrang!
Das bin ich! Er hat all das, was ihm an Möglichkeiten offen stand dafür geopfert, dass es mir einmal besser gehen sollte, als ihm selbst!
Er ist Angestellter im Bergbau geblieben, um mir das Studium zu ermöglichen!

Schaue ein wenig über Deinen eigenen Gartenzaun! Ich selbst bin geboren knapp vor der Generation der Hippies und der Aussteiger.
Die Hippies waren die, die "Freiheit" vor gesellschaftlichen Erfolg gesetzt haben. Blumen und Liebe statt Krieg!
Und die Aussteiger waren die, die nach einer erfolgreichen Karriere nicht mehr erkennen konnten, warum sie überhaupt dem ganzen Krampf von "gesellschaftlicher Geltungssucht" und "Wohlstand" hinterher laufen. Weil sie darüber erkannt haben, dass es Wichtigeres auf der Welt gibt als Geld und Geltung!
Weil sie erkannt haben, dass z.B. ein gemeinsamer Einkauf mit dem eigenen Kind ihnen wichtiger gewesen wäre, als in der gleichen Zeit "Geld zu machen".
Liebe Lara. Sicherlich ist Dein Vater Dir nicht böse, wenn Du nicht mit ihm einkaufen gehst! Er wird eher traurig darüber sein, dass Du es als "Last" ansiehst, mit ihm zusammen zu sein. Du hast schon Recht: es bedarf dafür keiner Begründung und schon erst recht keiner Entschuldigung!
Kein Mensch kann Dir wertvolleres geben, als seine Zeit!
Und Du kannst Niemandem etwas wertvolleres zurück geben, als Deine Zeit!

Was macht den Unterschied zwischen Deiner Oma und Deinem Vater?
Deine Oma kann warten, bis Du ihre Zeit, die sie Dir immer gerne schenken wird, in Anspruch nimmst!
Dein Vater kann Dir nur zeigen, was von seiner Zeit er mit Dir teilen kann!
Und es wird immer Deine freiwillige Entscheidung bleiben, wieviel von dem Geschenk, das Dein Vater Dir machen kann, es Dir wert ist, es anzunehmen!
Mein Vater ist vor einem halben Jahr gestorben. Und Du darfst sicher sein: ich werde ihn niemals daran messen, was er in dieser Welt für irgend jemanden an Bedeutung hätte erringen können! Seine Bedeutug für mich besteht einzig darin, was er mir von seiner Zeit geschenkt hat! Und ich bin jetzt traurig darüber, was von seinem Geschenk ich nicht angenommen habe!

Und der Rest? Das "Anmeckern" und "nicht verstanden werden"?

Beides ist oft nicht mehr, als die Weigerung, den Anderen verstehen zu wollen.
Da geht es sicherlich Deinem Vater nicht anders, als Dir selbst.

Gehe auf Deinen Vater zu und versuche, ihn zu verstehen!

Alles Liebe,

Bernd