Problem von Angelina - 26 Jahre

Mein Papa ist nicht mein Erzeuger

Also erstmal etwas über meine Kindheit. Meine Eltern haben sehr jung geheiratet und haben mir immer gesagt das ich ein absolutes Wunschkind bin. Trotzdem haben sie sich getrennt als ich 3 Jahre alt war. Ich bin nicht,wie ja meistens,bei meiner Mutter gross geworden sondern bei meinem Papa. Ich war ein absolutes Papakind. Meine Mutter ist nach der trennung sehr schnell mit einem neuen Mann zusammen gegangen und bekam mit diesem Mann auch noch 3 weitere Kinder. Ich war oft zu besuch bei ihnen habe mich aber nie wirklich dazugehörig gefühlt. Mein Papa hat alles für mich getan...er wurde als ich ca 4 Jahre alt war krank...wir wissen aber bis heute nicht was es ist. Er hat ein bis zweimal im Monat sehr hohe Fieberschübe. Trotzdem hatte ich eine sehr gute Kindheit.


Als ich ca 14 Jahre alt war sah ich mir Fotos von unserer Familie an und versuchte irgend welch ähnlichkeiten zwischen mir und meine Familie zu finden...also ich sehe meiner Mutter nicht wirklich ähnlich aber von meinem Papa fand ich in mir auch nichts wieder. Ich bin damals zu meiner Mutter gegangen und habe ihr gesagt das ich nicht finde das ich und Papa uns ähnlich sehen.(Ich wusste durch erzählungen meines Papas das meine Mutter nicht treu war...er sagte sie war jung bla bla bla,das sind für mich alles ausreden. Dann sollte man einfach nicht heiraten) Sie sagte das würde nicht stimmen und das ich mir das einbilde.


Mit knapp 20 bekam ich meine Tochter. Und auch da sah ich überhaupt keine ähnlichkeit zu der Familie meines Papas. 3 Jahre später folgte mein Sohn. Das selbe ergebniss auch bei ihm,ganz viel ähnlichkeit mit meinem Mann aber null von meinem Papa oder der Familie.

Dann vor ca 1 Jahr war ich bei meiner Mutter. Unser Verhältniss hatte sich in den letzten Jahren sehr verbessert...es war zwar kein Mutter Tochter verhältniss aber ein Freundschaftliches,womit ich sehr gut leben konnte. Freitagabend sind wir essen gegangen und es war auch super nett und lustig. Meine Mama fing plötzlich an über die Vergangenheit zu reden und sagte mir dann,das es zu dem zeitpunkt als ich gezeugt wurde noch einen anderen Mann gab. Ein Freund von Papa und ihr. Ich habe sie gefragt ob dieser Mann mein Erzeuger wäre. Sie sagte immer nur sie weiss es nicht es wäre ne 50 50 chance. Mir war als hätte mir jemand voll gegen den kopf gehauen. wir redeten etwas über die Zeit. Mein evtl Erzeuger hatte einen Sohn der ein Jahr älter war wie ich. Meine Mutter war damals viel mit dem kleinen zusammen und hat sich viel um ihn gekümmert. Über diesen Jungen hatte sie früher viel geredet,immer mal wieder.
Am nächsten Tag holte sie ein Album mit meinen Kinderfotos raus und zeigte mir zwei Bilder von dem kleinen Jungen. Ich kannte das Album und auch die Bilder schon...dachte aber die ganzen Jahre über das ich das wäre. Wir sahen uns verdammt ähnlich. Mir war ganz übel...war mein Papa wirklich nicht mein Erzeuger?


Als ich wieder zuhause war versuchte ich meinen Erzeuger zu finden...Internet fragte eine Freundin meiner Mutter die damals viel mit ihm zutun hatte und der meiner Mutter damals auch von ihrer befürchtung erzählt hatte. Sie konnte mir auch nicht helfen,sagte nur das ich schon ähnlichkeit mit diesem Mann habe.Im Internet fand ich ihn auch nicht oder auch nicht seinen Sohn. Also schob ich das ganze erstmal beiseite.

Ca 1/2 Jahr später sagte mir meine Mutter das sie den Sohn meiner Erzeugers im Internet gefunden hatte. Und ich bin von natur aus ein neugieriger Mensch. Ich habe mir also sein Profil angesehen...leider ohne Bild aber dafür mit zwei Freunden in der Liste der eine hatte den nachnamen meines(evtl) Bruder und der andere von meinem (evtl) Erzeugers. Also habe ich den einen angeschrieben und hoffte auf antwort.
Tagelang kam nichts. Und dann bekam ich eine Antwort. Ich hatte ihm geschrieben ob er der Sohn von (name meiner erzeugers) sei und das unsre Eltern mal befreundet waren.Seine Antwort war ja. So kamen wir ins schreiben ich fragte wie viele geschwister er hätte(ich wusste ja nicht,wenn sein vatter mein erzeuger ist,ob er von mir weiss) Er sagte 9....nach einieger zeit schrieb mich seine schwester an und fügte mich in ihre freundesliste zu. Ich habe sie gefragt ob sie mir evtl die nummer ihres Papas geben kann weil meine Mutter gerne mit ihm sprechen möchte. Sie schickte sie mir. Ich fragte sie ob ich auchmal anrufen darf..."klar,da freut Papsi sich!" Ich stöberte etwas in ihren Fotoalben und bekam nen halben Herzinfakt...da war ein Bild von mir...nein das war ich nicht aber da war ein Mädchen drauf die mir zum verweckseln ähnlich sah...Mein mann schaute mir über die Schulter und fragte mich wo ich das Kinderbild von mir her habe. Ich sagte ihm das ich das nicht bin. Er sagte nur das wäre wohl der günstigste Vaterschaftstest aller Zeiten.
Am selben Abend rief ich bei meinem Erzeuger an. Er freute sich tierisch.Ich war super nervös und fragte ihn dann ganz direkt heraus ob er mein Erzeuger wäre. Seine Antwort:" Ja das bin ich!" Ich war fix und alle...mein ganzes Leben eine Lüge??? Meine Mutter sagte sie wüsse es nicht und er sagte mir das es damals klar war,alleine weil ich meinem grossen Bruder so ähnelte. Wir redeten sehr lange und ich bekamm fast alle meine Geschwister ans Telefon...sie haben alle von mir gewusst ausser die beiden jüngsten(15 und 13) Ich wurde super herzlich behandelt.
Ich redete mit meiner Mutter nach dem telefonat. Sie fragte nur dauernd nach ihrem "krümmel"(also mein grosser Bruder) das hat mir echt ein schlag versetzt. sie telefonierte wohl auch mit meinem erzeuger und da ging es von ihrer seite aus,auch nur um Krümmel. Sie sagte mir ich dürfte das niemals meinem Papa erzählen,ich würde ihn damit umbringen. Ich habe ein so tolles verhältniss zu meinem Papa,ich erzähl ihm alles und das sollte ich ihm nicht sagen? Das hielt ich genau eine Woche aus und bin daran fast kaputt gegangen.Also lud ich meinen Papa zu uns ein und nahm mir vor mit ihm darüber zu reden. Ich hatte mir die Fotos meiner Geschwister und meines Erzeugers ausgedruckt. Mir war so übel...ich habe versucht mich zu drücken aber mein Mann hat mir gesagt das ich mit meinem Papa reden muss das es mich sonst total kaputt macht. Ich bin das einzigste Kind von Papa und jetzt musste ich ihm sagen das ich nicht seine biologische Tochter bin...


Ich setzte mich mit ihm in die Küche und sagte ihm das ich angst habe das er mich nicht mehr als tochter will wenn ich mit ihm rede (bis dahin wusste er nicht worum es ging). Er grinste und sagte das das blödsinn sei und ich mit ihm über alles reden kann. Also zeigte ich ihm die fotos meiner Schwester...Papa fragte wo ich da war und wer die anderen mädchen da neben mir sind. Ich sagte ihm das ich das nicht bin...er schaute mich ungläubig an.dann zeigte ich ihm die anderen bilder und er erkannte seinen ehmaliegen freund(mein erzeuger) Dann kam der Satz der so schwer für mich war "Ich bin nicht deine biologische Tochter!" mir liefen die Tränen. Er sagte mir das er es damals vermutet hat...aber es ändert sich nichts daran das er mein Papa ist.


So nun komme ich mal endlich zu Ende. Ich habe meinen biologischen Vater und meine Geschwister kennengelernt.Wir waren zu besuch da.Ich fühle mich komplett was vorher nie so war. Ich wurde so herzlich aufgenommen. Das Verhältniss zu meinem Papa ist immernoch super wenn nicht noch besser wie vorher. Wir reden viel über "meine andere Familie"
Eins möchte ich allen Mamas, die evtl das Problem haben das der Papa ihres Kindes nicht der Erzeuger ist, sagen...wartet nicht bis eure Kinder 27 Jahre alt sind. Mir wurden damit viele Jahre mit meinen Geschwistern genommen.
Ich hoffe ich habe euch damit nicht gelangweiellt aber ich musste mir das mal alles von der seele schreiben,denn obwohl ja eigentlich alles gut ist habe ich bis heute auch noch damit zu kämpfen.

LG Angelina

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Angelina.

Sicherlich stimmt es, dass jedes Kind ein Recht darauf hat, seinen leiblichen Vater zu kennen! Deine Geschichte ist ein schönes Beispiel dafür, dass Mütter, die ihrem Kind verschweigen, wenn es in der Familiengeschichte einen "Sprung" gibt, oft aus falscher Rücksichtnahme, aus falscher Angst heraus eher mit einer Lüge leben und diese Lüge auch an ihre Kinder weiter geben.
Aber Du hast auch selbst erlebt und selbst beschrieben, welche Angst eine Frau dazu treiben mag, die Wahrheit zu verschweigen: selbst als Du schon längst nicht mehr abhängig von dem Vater warst, der Dich als eigene Tochter großgezogen hat, hast Du immer noch befürchtet, dass er Dich ablehnen könnte, wenn er erfährt, dass er nicht Dein leiblicher Vater ist!
Wie groß mag da oft die Angst einer Mutter sein? Wenn die Bindung zu dem Erzeuger des Kindes nicht ausreicht, um mit ihm zusammen die neue Familie zu begründen und andererseits dem, mit dem sie gerade verbunden ist, auch noch der Traum vom Nachwuchs erfüllt wird?
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Dein Erzieher auf die Wahrheit reagiert hätte, als er noch 27 Jahre jünger war. Und die Entscheidung zur Lüge hat Deine Mutter sicherlich getroffen, weil sie zuerst einmal Dein Wohlergehen eher in einer funktionierenden Familie gesehen hat, als in dem möglichen Chaos, dass sie eventuell unter den beteiligten Erwachsenen angerichet hätte.
Liebe Angelina, es wird wohl immer eine Gewissensfrage bleiben. Selbst für Dich, die nach so langer Zeit eine schöne Erfahrung mit der Wahrheit gemacht hat!
Eine Entscheidung, die zuerst einmal über den Kopf des betroffenen Kindes hinweg gefällt wird!
Eine Abwägung, wie die Mutter die möglichen Reaktionen und die daraus resultierenden Folgen in dem Augenblick der Entscheidung treffen wird: zerstöre ich mit der Wahrheit mehr, als allen gut tut?
Kann ich mit der Lüge leben?

Und die zweite Frage wird dann meist damit bejat, dass es zuerst einmal wohl besser für das Kind sein wird!

Das Fatale an jeder Lüge: wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, damit zu leben, fällt einem kein Grund und vor allem kein geeigneter Zeitpunkt ein, sie zu beenden!
Die Frage, die sich Mütter am Anfang oft stellen mögen, ist also eigentlich auch vorher schon beantwortet: wann werde ich es meinem Kind dann sagen? Wann ist es alt genug für die Wahrheit?

Sie werden es in den meisten Fälen - wie Deine Mutter auch - niemals von sich aus richtig stellen!

Dir und Deinen neuen Geschwistern

alles Liebe!

Und vielen Dank für Deine schöne Geschichte über eine späte Wahrheit!

Bernd