Problem von A - 18 Jahre

Probleme der Eltern und der Schwester machen mich krank

Hallo liebes Kummerkasten-Team,

Ich weiss, ihr habt viel zu tun und ich schätze eure ehrenamtliche Arbeit. Aber ich hoffe sehr, dass ihr mir antworten könnt!!

BITTE!!

Meine Eltern verstehen sich schon lange nicht mehr und streiten sich so gut wie jeden Tag, und das schon seit 13 Jahren! Sie trennen sich aber nicht, weil sie irgendwie nicht ohne einander leben können. Wir sind auch irgendwie alle aufeinander angewiesen. Jedenfalls bin ich "der gute Geist der Familie", wie mein Vater mich manchmal nennt. Ich halte alle zusammen. Meine Eltern sprechen unabhängig voneinander mit mir und erzählen mir all ihre Probleme und Sorgen. Sie fingen damit an, als ich etwa 13 Jahre alt war. Das ist eine grosse Belastung für mich, aber wie gesagt, halte ich alle zusammen.

Meine Schwester (bald 22) arbeitet nicht. Sie hatte eine Ausbildung, die sie auch abschloss. Aber seitdem arbeitet sie nicht mehr. Sie sagte, sie könne zurzeit nicht arbeiten, da sie Zeit braucht, um ihren Traum zu erfüllen. Sie will aber nicht verstehen, dass sie für diesen Traumberuf Geld zum Investieren braucht! Abgesehen davon, ist ihr Traumberuf eben nur ein TRAUMberuf. Ich glaube nicht, dass sie das schaffen wird, deswegen wäre es besser, endlich einmal eine Arbeit zu suchen. Aber eben, sie hört nicht auf mich oder auf unsere Eltern. Deswegen gab es schon of heftige Diskussionen. Natürlich habe ich sie nie entmutigt, sondern immer gesagt "Du schaffst das schon". Ich will sie ja nicht verletzen. Manchmal komme ich mir so vor, als sei ich die ältere schwester.

Ausserdem wird meine Schwester schnell aggressiv (aber nicht handgreiflich). Das geht auf die Nerven und macht sowohl mich als auch meine Mutter total kaputt. Meine Mutter arbeitet sowieso schon von früh morgens bis spät abends, weil mein Vater seit einem Herzinfarkt vor wenigen Wochen nicht mehr arbeiten gehen kann. Sie ist physisch am Ende (und sie arbeitet seit ihrem 11. Lebensjahr, seit fast 55 Jahren!!). Meine Schwester macht unsere Mutter unbewusst auch noch psychisch fertig.

Ich habe das Gefühl abzunehmen (wiege 54 kg bei einer Körpergrösse von 170cm), mir wird häufig schlecht und ich habe manchmal das Gefühl, zu ersticken. Seit dem Herzinfarkt von meinem Vater habe ich auch Herzschmerzen, aber das bilde ich mir wahrscheinlich nur ein (könnte aber auch real sein, denn in meiner Familie väterlicherseits gab es oft Herzbeschwerden bis hin zu Herzinfarkten, die tödlich endeten).

Mir geht es einfach um die Gesundheit. Ich habe Angst, dass ich ernsthaft krank werde (und ich habe Angst, dass meine Eltern früher sterben).

Was soll ich tun? Und ich habe noch eine Frage: Wäre es besser, wenn ich meine Tränen nicht mehr unterdrücke? Oft würde ich gerne weinen und ich fühle Steine im Bauch, aber ich unterdrücke die Tränen (manchmal auch in der Schule, weil ich mich schäme).

Ich bitte um Antwort!

Liebe Grüsse,
A.

Peter Anwort von Peter

Hallo Annika,
aus der Schilderung deiner Situation entnehme ich, dass euer Familiensystem schon seit langer Zeit völlig durcheinander geraten ist. Die Hierarchie stimmt so nicht.
In einer funktionierenden Familie wäre es so, dass die Eltern Ihren Kindern als Ansprechpartner für Probleme zur Verfügung stehen und diese mit Ihnen gemeinsam lösen und nicht umgekehrt, wie es bei euch der Fall zu sein scheint. Die Eltern sind nunmal "die Älteren" und sie sollten ihre Kinder dorthin führen, dass sie irgendwann (der Gesetzgeber sagt 18 Jahre)in der Lage sind, ein eigenständiges Leben zu führen und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.
Wird man jedoch bereits als 13 jähriges Mädchen mit den Problemen der Eltern beaufschlagt und fühlt sich verantwortlich für deren Lösung, dann stellt das selbstverständlich eine extrem große Belastung für den selber in einer schwierigen Phase der Entwicklung stehenden Menschen dar.

Deine Aussagen machen auf mich den Eindruck, als ob du schon sehr früh dahingehend erzogen wurdest, dich vorwiegend für andere Menschen verantwortlich zu fühlen, die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen, dich überforden und, es mag hart klingen, "dich ausnutzen" zu lassen.

Da du nunmal als 13 jährige (und wahrscheinlich auch später)nicht in der Lage warst, die Probleme deiner Eltern und deiner Schwester zu lösen, ist es fast unmöglich für dich gewesen, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Du warst und bist psychisch und mental völlig überfordert und Deine Aussage: "Ich halte die Familie zusammmen" halte ich in diesem Zusammenhang für Deinen "Ausweg", der Situation etwas positives für dich abzugewinnen.

Deine Eltern und deine Schwester sind wie gesagt erwachsen und sollten somit in jeder Hinsicht für sich selber sorgen können, finanziell, gesundheitlich usw. Wenn sie dich trotzdem mit Ihren Problemen beaufschlagen, dann darfst Du für dich angemessene Grenzen setzen, wenn es dir zu viel wird. Du darfst Ihnen sagen, dass es dir nicht gut damit geht, dass es dich einfach überfordert, ständig Ansprechpartner für ihre Probleme zu sein, du darfst Ihnen sagen : Wendet euch bitte an einen Profi.

Andererseits ist es auch so, wenn deine Schwester aus welchen Gründen auch immer nicht arbeitet, so darfst du dir natürlich deine Meinung darüber bilden und auch offen zum Ausdruck bringen aber du kannst nicht erwarten, dass deine Meinung oder die deiner Eltern von ihr übernommen wird.
Versuche dich also nicht darüber zu ärgen o.ä.,sondern versuche, da eine gewisse Distanz zu waren, denn wenn du dich über Menschen ärgerst, die sich nicht entsprechend deiner Einstellung verhalten, schadest du letzendlich nur dir selber.

Mein grundsätzlicher Rat an dich wäre: Übernimm wesentlich mehr Verantwortung dafür, dass es dir selber gut geht, egal was andere sagen. (Das hat nichts mit Egoismus zu tun. Grundsätzlich kann man eigentlich nur anderen Menschen in gewissem Rahmen helfen, wenn es einem selber gut geht.)
Setze Grenzen, wenn du dich von deiner Familie überfordert fühlst, so schwer es dir auch fallen mag. Du tust das für dich und nicht gegen sie....
Ich würde dir sogar zu einer räumlichen Trennung raten, um einmal Abstand zu gewinnen, aber du schreibst ja, dass du Schülerin bist.

Außerdem rate ich dir dringend, einen Arzt deines Vertrauens aufzusuchen, vielleicht zuerst einmal deinen Hausarzt. Du kannst dort abklären, ob dein Abnehmen körperliche Ursachen hat, ob mit deinem Herz alles i.O. ist (zu deiner Beruhigung)etc.
Ich würde dir ausserdem empfehlen, eine Psychotherapie zu beginnen (auch nur bei jemandem, bei dem du ein gutes Gefühl hast. Dort kannst du im geschützen Rahmen über alles sprechen und vor allem auch andere Sichtweisen kennenlernen). Auch hierbei wird dir dein Hausarzt helfen können, indem er dir entsprechende Adressen zur Verfügung stellt.

Ich wäre sogar der Meinung, es ist hier Familientherapie notwendig, das aber schon wesentlich früher und es ist dann auch immer eine Frage des "Wollens". Sowas funktioniert nur, wenn alle Familienmitglieder das wollen und da deine Eltern schon über 60 sind, macht es oft schon deshalb keinen Sinn mehr.

Noch etwas zu den Tränen: Gefühle sollte man niemals unterdrücken. Das funktioniert meistens sowieso nicht oder nur kurze Zeit, aber für dich wäre wahrscheinlich erstmal eine geschützte, verständnis - und vertrauensvolle Atmosphäre nötig (wie z.B. innerhalb einer Gesprächstherapie), um deine Gefühle angemessen ausdrücken zu können.

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.

Alles Gute.

Peter