Problem von wizzart - 23 Jahre

Hilfe: Studienabbruch, depressiv, einsam, isoliert, ... ='(

Hi Kummerkasten-Team,

ich stöbere schon ne ganze Weile auch in diesem Forum rum, doch jetzt ist das erste mal, dass ich wirklich dringend Rat suche... tut mir auch leid, dass es wahrscheinlich ein wenig länger wird, aber würde mich freuen vielleicht doch ein hilfreiches Feedback zu bekommen= /

Also, ich bin 23, hab ein eher schlechtes Abi mit ner 3.4 in der Tasche, und hab direkt nach dem Zivildienst mein "Traumstudium" Geschichte und Archäologie angefangen. Traumstudium deswegen, da Geschichte das einzige Fach war, dass mich auch noch in der Oberstufe begeistern konnte (und so ziemlich das einzige war, was meine Abinote positiv beeinflusst hat), und Archäologie, weil es dazu passte und ich schon als kleines Kind lieber Archäologe statt Feuerwehrmann werden wollte; )
Meine Eltern haben das trotz anderer Vorstellungen (Mutter: wie wärs mit Architektur; Vater: studier Medizin wie ich) so akzeptiert, und mich auch finanziell unterstützt, sprich die Studiengebühren übernommen.

Ab dem dritten Semester kamen die beiden dann auf die Idee ich könne ja per Fernstudium noch Informatik Teilzeit studieren, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben bzw. um später mal Geld zu verdienen.
Da so ein Fernstudium vergleichsweise günstig ist, weil die Kosten nicht pro Semester, sondern pro Kurs bzw. Kursunterlagen anfallen, fing ich dann auch zunächst mal damit an.
Leider ging der Schuss ziemlich nach hinten los, und ich schaffte weder die belegten Fernuni Kurse, was ich meinen Eltern verschwieg, da diese sich in den Gedanken hineingesteigert hatten, und scheiterte auch an zwei Kursen in meinem eigentlichen Hauptstudium.

Da ich gedacht hab, es läge an der "Überbelastung" durch das zusätzliche Fach, fasste ich für mich den Entschluss erstmal weiterzustudieren. Von der Fernuni ließ ich mir nur noch für Lau die Prüfungsunterlagen zuschicken, um vorerst den Schein aufrecht zu erhalten, dass auch das Fernstudium gut liefe.
Dummerweise schob ich schon wieder Arbeiten auf, und rasselte auch wieder durch zwei Seminare in meinem Hauptstudium, wodurch der Fortschritt nur sehr gering ausfiel.

Als ich das zum ersten mal ansprach, reagierten meine Eltern wie erwartet mit Entsetzen, und drängten mich dazu weiterzustudieren, da ich ja inzwischen schon vier Semester studiert hatte, die ich nicht einfach wegwerfen sollte.
Wir einigten uns also darauf, dass ich das ohnehin im Sand verlaufende Projekt Informatik erstmal auf Eis legen sollte und im fünften Semester versuchen sollte, die zuvor nicht bestandenen Seminare nachzuholen.
Dass ich jetzt hier schreibe sollte wohl ausreichen um klarzumachen, dass das Unterfangen nicht gerade von Erfolg gekrönt war.

Jetzt im 6. Semester hab ich wieder nur aus Panik vor der Reaktion meiner Eltern und mangels einer Alternative versucht das Studium fortzusetzen, obwohl es mich inzwischen überhaupt nicht mehr reizt, und ich nur noch Panik vor den Abgabefristen oder Begegnungen mit Dozenten, bei denen ich durchgefallen bin, habe.
In Archäologie hab ich dieses Semester schon gar keinen Kurs mehr belegt, in Geschichte nur noch 2 Veranstaltungen, aus denen ich jetzt rausgeflogen bin.

Wegen den zunehmend schlechten Leistungen und der Angst vorm Versagen habe ich mich inzwischen immer mehr von meinen Freunden an der Uni zurückgezogen.
Dazu kommt noch, dass ich, seit ich im Studentenwohnheim wohne, sozial völlig isoliert bin. Im Wohnheim kenne ich niemanden, zu meinen Unifreunden habe ich kaum noch Kontakt, und auch die alten Freundschaften aus der Schulzeit brechen zusehends weg, da viele wegziehen, Kinder kriegen, und allgemein ihr Leben auf die Kette bekommen, während ich immer mehr im luftleeren Raum schwebe.
Ich habe inzwischen nur noch eine enge Freundin aus der Schulzeit, doch auch zu ihr ist die Beziehung manchmal ein wenig problematisch, vor allem weil zwischen uns auch mal was lief, und ich inzwischen das Gefühl hab von dieser Freundschaft emotional abhängig zu sein, da mir sonst keine bleibt= /.

Ich steh jetzt kurz vorm Abbruch des Studiums, und damit vor einer riesigen Sinnkrise. So wie hier grad alles läuft ist das nicht länger tragbar. Ich hab nichtmal die Hälfte dessen geschaft was ich in 6 Semestern hätte schaffen müssen, ich quäle mich nur so durch die paar Veranstaltungen, die ich belege, und scheitere am Ende doch an mir selbst.

Eine Vorstellung, wie es nach dem Abbruch weitergehen könnte hab ich nicht auch nur ansatzweise. Ein anderes Studium anfangen? Welches Fach sollte es denn sein? Ich bin in einem tiefen Loch und völlig interessenlos. Ich würde auf keinen Fall nochmal irgendetwas blindlings anfangen, ohne wirklich zu wissen dass ich genau dieses Fach bis zum Ende durchziehen kann. Und da kommt auch schon das nächste nächste Dilemma, mit meinem miesen Abi Schnitt und dem abgebrochenen Studium fällt die Chance auf einen anderen Studiengang eher gering aus.

Dazu kommt, dass ich endlich nicht mehr finanziell abhängig von meinen Eltern sein will. Nachdem ich drei Jahre lang komplett aus deren Tasche gelebt habe, und jeder einzelne Cent davon durch den Abbruch verschwendet sein wird, will ich endlich auf eigenen Beinen stehen können. Ich will einfach zeigen, dass ich doch etwas kann, kein kompletter Versager bin.

Leider hab ich bisher nicht den Hauch einer Ahnung, was für eine Ausbildung in Frage käme, und selbst wenn ich diese Woche beim Arbeitsamt vorbeigehe und entgegen meiner Erwartungen eine neue Perspektive für mich dabei herausspringt, ganz ehrlich, welches Unternehmen würde mich überhaupt nehmen?
Ich hab nichts vorzuweisen, wurde immer finanziell von meinen Eltern unterstützt, hab außer meinem Zivildienst nie arbeiten müssen, nichtmal nen Nebenjob während des Studiums, stattdessen sollte ich ja das Zweitstudium beginnen... = /

Ich bin bald 24 Jahre alt, hab was die Arbeitswelt angeht in etwa so viel Erfahrung wie ein Kleinkind, einen viel zu lange hinausgezögerten Studienabbruch vor mir, und keine Perspektive in Sicht. Ich weiß echt nicht was ich machen soll ='(

Mit jedem Tag fällt es mir schwerer mich für irgendwas zu motivieren, ich hab an nichts mehr Interesse oder Freude. Abgesehen von der Zeit, in der ich schlafe, kreisen meine Gedanken 24/7 um all diese Probleme. Dazu kommen noch ein geringes Selbstbewusstsein, sowie Selbstwertgefühl, Selbstzweifel bis hin zum Selbsthass, und das durch die fast vollständige soziale Isolation, sowie die obligatorische Partnerlosigkeit, verursachte Gefühl der Einsamkeit, und fertig ist der Cocktail purer Verzweiflung. ='(

Inzwischen genügt manchmal schon der kleinste Stein des Anstoßes, und ich liege erstmal für 15 Minuten heulend in der Ecke, bevor ich mich wieder beruhigen kann. Sogar auf offener Straße muss ich mich inzwischen oft zwingen nicht komplett in Tränen auszubrechen, wenn meine Gedanken, wie eigentlich immer, um diese ganze Situation kreisen...

Ich brauch wirklich ganz dringend einen Rat, wie ich damit umgehen kann, eine neue Sichtweise auf das ganze, irgendeine Perspektive, ansonsten ist der komplette Nervenzusammenbruch vorprogrammiert= /

Anita Anwort von Anita

Lieber Wizzart,


es ist kein Problem, dass es bei dir ein bisschen länger geworden ist. Ich habe auch ein wenig ausgeholt ;)

Ich kann mir vorstellen, wie es ist, wenn nichts mehr hinhaut und es so aussieht als würden so langsam alle Perspektiven flöten gehen. Auch wenn es für dich nicht so aussieht, aber du hast immer noch eine Menge Möglichkeiten und Optionen.
Wichtig ist nur, niemals aufzugeben und sich entmutigen lassen. Und immer ein Problem nach dem anderen anzugehn, und nicht den großen Batzen auf einmal sehn und zu dem Schluss zu gelangen, dass alles sinnlos ist. Denn das ist es nicht, nicht in deinem Fall!!


Als erstes zu deinem Studium:
Lass dir auf jedenfall noch HEUTE einen Termin beim Arbeitsamt geben. Rede mit den Leuten, aber erwarte nicht, dass dir eine Lösung präsentiert wird. Überlege selbst, woran du Spaß hast. Willst du dein jetziges Studium wirklich abbrechen? Wieso reizt es dich nicht mehr? Weil du gerade alles schwarz siehst und demotiviert bist, oder hast du tatsächlich andere Interessen entwickelt? Welche wären das? Denkst du das studieren allgemein nichts für dich ist? Oder dass nur dieses Studienfach nichts für dich ist. Überleg nocheinmal alle Gründe, wieso du damals an eine Uni gegangen bist, und wieso du dich damals für genau dieses Fach entschieden hast. Kannst du dich heute noch damit identifizieren, egal wie schlecht es gerade läuft, oder würdest du eine andere Studienfachwahl treffen, wenn du noch einmal entscheiden könntest. Oder würdest du überhaupt nicht mehr studieren wollen?

Wo hast du denn deinen Zivi geleistet? Und wieso dort? Wäre das vielleicht ein Bereich der dich intressieren würde?

Mach dir keine Gedanken wegen deinem Alter oder deinen Noten. Sowas sollte dich nicht bremsen sondern anspornen. Wäre doch langweilig wenn einem alles in den Schoß fallen würde. Und es gibt genug Fächer, die man ohne gutes Abi studieren kann. Und es gibt auch viele Unternehmen, die man mit einem guten Bewerbungsschreiben neugierig und einem super Bewerbungsgespräch überzeugen kann!
Mal davon abgesehn, an deinem Abizeugnis kannst du eh nichts mehr reißen. Da hättest du in der Schulzeit mal darüber nachdenken müssen. Also wieso sich unnötig ärgern und Energie verschwenden? Nutz lieber die Zeit in der du an dir zweifelst und über deinen Schnitt nachdenkst und überlege dir wie du das Beste daraus machen kannst!

Natürlich wird man in einem Bewerbungsgespräch mit einem Lebenslauf wie deinem mit kritischen Fragen konfrontiert. Wieso schon so alt, wieso Studium abbrechen, wieso, wieso...? Aber du kannst das doch plausibel erklären. Oder nicht? Denkst du, du bist der erste, der mit seiner Studienwahl daneben lag und trotzdem ein paar Semester gebraucht hat um das zu realisieren? Denkst du, du bist der Erste, der sein Studium abbricht und umsatteln will?

Das Wichtigste dabei ist, dass du einen Plan fasst und daran arbeitest den in die Tat umzusetzten. Dazu musst du in dich gehn und überlegen was du magst, und wieso. Dann kannst du das jedem Menschen der dich fragt erklären, und wirst verstanden werden. Es kommt eben darauf an, wie du dich verkaufst, ob man dir anmerkt, dass du nach deinem Abbruch weißt was du willst, und dich dafür engagierst es zu bekommen. Und ob man dir glaubt, dass der Studienabbruch kein Fehler war, sondern der erste Schritt in die richtige Richtung!


Was die Abhängigkeit von deinen Eltern angeht:
Das lässt sich lösen, in dem du einfach kein Geld von ihnen annimmst. Bzw, nur noch das was du wirklich brauchst. Wenn du dich entscheidest an der Uni zu bleiben, dann geh arbeiten! So finanzieren sich tausende von Studenten ihre Ausbildung. Wenn du eine Ausbildung anfängst, bekommst du sowieso Lohn. Das ist nicht viel, aber ein Anfang. Und wenn du merkst, am Ende vom Monat reicht das Geld nicht, dann kannst du immernoch mit deinen Eltern reden, dass du vielleicht ein kleines Taschengeld im Monat bekommst, aber eben nicht dein komplettes Studium/Ausbildung finanziert.
Das fühlt sich doch sicherlich auch besser an, für dich. Und du lernst vielleicht den Wert von dem was du tust anders schätzen. Und hast eher den Eindruck, dass du selbst etwas leistet, selbst wenn du Taschengeld bekommst, bist du nicht vollkommen abhängig von deinen Eltern.
Und selbst wenn irgendetwas schief gehn sollte, du hast die Gewissheit, dass es da jemand gibt, der dich zumindest finanziell auffangen kann und auf den du dich verlassen kannst. Das kann auch nicht jeder von sich behaupten!

Jetzt zu deinen Freunden:
Natürlich ist das alles doof gelaufen. Es ist mir auch klar, dass wenn man sich in einer Umgebung nicht 100% wohl fühlt, dass man dann nicht alles geben kann, was das Lernen angeht zB.
Und es ist auch verständlich, dass du dich zurückgezogen hast von deinen Kontakten. Es ist sicher nicht leicht zu sehen, wie alle um einen herum scheinen, als wüssten sie perfekt wie ihr Leben verlaufen sollte, und dass das auch noch glatt läuft.
Wenn du Scham empfindest, oder das Gefühl hast zu versagen, wem würde es dann nicht schwer fallen Freunden, und auch Familie gegenüber zu treten und zuzugeben, dass man in einer Sackgasse gelandet ist und einfach nicht weiterkommt!

Ich glaube für dich ist es aber am sinnvollsten, wenn du dir als erstes Gedanken um deine berufliche Zukunft machst. Ich glaube der Rest kommt dann, zum Teil zumindest, wieder von selbst in Ordnung.
Ich denke, wenn du für dich ausgeknobelt hast, was du machen willst, und vor allem wo du hin gehn willst dann wird sich das mit den Kontakten auch klären.
Wenn du weg gehst um an einer andern Uni etwas anderes zu studieren lernst du automatisch neue Leute kennen. Das selbe gilt für Ausbildungen.

Wenn du in der selben Stadt bleibst, in der du jetzt bist, dann kannst du dir ja überlegen in wie weit du wieder Kontakt zu deinen alten Freunden und Studienkollegen, also die die auch noch in deiner Nähe sind, aufnehmen willst.
Du kannst dich sofern du an der Uni bleibst dort in das Studentenleben integrieren, indem du vielleicht hilfst bei der Organisation von Veranstaltungen etc.

Oder du könntest privat einem Verein beitreten willst. Sport, oder was sozialem, wie dem Roten Kreuz. Dort sind immer neue Mitglieder willkommen, und man fühlt sich auch gebraucht im Team, was dir vielleicht auch wieder Motivation und ein neues Selbstbewusstsein gebe würde.
Und womöglich neue Interessen weckt und Perspektiven aufzeigt. :)


Versuch wieder Mut zu fassen. Überleg dir, was du am Liebsten machen würdest. Auch wenn du denkst da gibt es nichts, ich wette du findest etwas, was genau für dich geschaffen ist. Und dann kämpf dafür, dass es hinhaut. Und denk daran, immer ein Problem nach dem anderen angehen. Dann scheint die Hürde nicht so groß und du wirst sehn, dass du am Ende einen rießen Berg voller Zweifel hinter dir gelassen hast. Und das fühlt sich toll an :)


Du kannst dich gerne noch einmal melden, wenn du willst :)

Ich wünsche dir alles Gute.


Alles Liebe, Anita