Problem von Sakura - 20 Jahre

Ich frage mich, gibt es wahre Freundschaft?

Hallo, liebes Kummerkastenteam,

ich melde mich, da ich momentan eine Phase in meinem Leben habe, die ich selber nicht bewältigen kann. Da diese Situation mich aber zutiefst belastet, versuche ich alles, um eine Lösung zu finden.

Ich habe schon etliche Dinge versucht. Zuerst natürlich habe ich versucht alleine das Problem zu lösen. Anschließend weihte ich meinen Partner ein, der mir allerdings auch nicht helfen kann. Bei dem Versuch mit einem anderen Menschen darüber zu reden (Psychologe, Mutter usw.) bin ich kläglich gescheitert. Reden fällt mir in dieser Hinsicht wohl schwer, sodass ich mich nun an euch wende.

Ich bin 20 Jahre alt und studiere inzwischen schon 1 Jahr lang. Eigentlich ist mein Leben in Ordnung, es gibt Menschen die es viel schlimmer haben, sodass ich mich nicht beklagen sollte. Mein Problem ist, dass ich den Glauben an die wahre Freundschaft verloren habe. Klingt wahrscheinlich gar nicht so weltbewegend, ist für mich aber leider unerträglich.

Ich war im Leben nie wirklich alleine. Hatte stets viele Menschen um mich herum, die sich auch immer um mich bemühten. In meiner Kindheit hatte ich natürlich viele Freundschaften, die mich auch schlicht und einfach glücklich machten. Mit der Zeit hat sich alles verändert. Ich musste feststellen, dass es für mich persönlich keine Freundschaften mehr gibt. Es gibt keine einzige Freundschaft, die ich als erfüllend beschreiben oder welche mich glücklich machen könnte. Wie gesagt, habe ich Menschen um mich herum, die mich sicherlich auch als Freundin bezeichnen würden, aber umgekehrt ist es nicht so.

Wenn ich jetzt an meine "Freunde" denke, fällt mir nicht einer ein, zu dem ich jetzt gerne gehen würde. Wenn ein Treffen, ein Geburtstag oder Ähnliches bevorsteht, bange ich tagelang zuvor, da ich absolut unmotiviert bin, diese Menschen zu sehen. Ich habe das Gefühl nicht zu ihnen zu passen. Die sind alle super und lieb zu mir, aber ich fühle mich bei ihnen einfach fehl am Platz. Ich kann mich nicht an den Gesprächen beteiligen, da sie mich langweilen, so hart es auch klingt. Ich denke, ich passe nicht zu den Menschen dazu. Wenn eine Verabredung mal gut verlief, kann ich es höchstens als "erträglich" beschreiben. Und anschließend freue ich mich auf den "Urlaub" den ich habe, da ich ja für eine kurze Zeit meine "Pflicht" erfüllt habe. Ich finde dieses Denken schrecklich. Ich frage mich ernsthaft, wie es wohl ist, sich auf ein Treffen mit Freunden zu freuen. Ich würde es auch sehr sehr gerne mal erleben.

Seit wann dieses Gefühl da ist, weiß ich selber nicht. Mit der Zeit tauchte es auf und ging nie wieder weg. Vielleicht weil ich euch zu jedem meiner "Freunde" eine Situation erzählen könnte, in der ich enttäuscht wurde? Oder weil die Menschen am liebsten von sich selber reden? Allerdings hielt ich mich nie für einen nachtragenden Menschen. Es ist auch so, dass wenn einer von ihnen Probleme hat, ich auch wirklich gerne 3 Stunden mit dieser Person telefoniere, um für sie da zu sein, auch wenn ich mich ihnen gegenüber so fühle wie beschrieben. Da ist es keine Pflicht, sondern Freiwilligkeit, die ich anbiete, um zu helfen. Ich erwarte keine Gegenleistung dafür. Ich will sie nicht einmal, da ich mit keinem der Menschen über meine Probleme reden WOLLTE.

Als Tennie glaubte ich immer ganz fest an wahre Freundschaft. Hatte immer die größten Träume von Freundschaften und entwickelte eine feste Vorstellung meiner wahren Freundschaft. Für mich bedeutet Freundschaft gegenseitiges Vertrauen, Verständnis, Freiwilligkeit. Ich wünsche mir einen Menschen, zu dem ich gehen kann, wenn es mir schlecht geht. Zu dem ich gehen WILL, wenn es mir schlecht geht. Wo ich nicht demotiviert bin, wenn ich daran denke, ihn zu sehen. Sondern mich jeden Tag über diesen Menschen freue. Den ich NICHT als Last sehe, wenn es mir schlecht geht, sondern zu dem ich gehen kann, wenn mich etwas bedrückt, bei dem ich einfach sein und mich gut fühlen kann, auch ohne mal ein Wort zu sagen. Bei dem ich eine angenehme, keine peinliche, Stille erleben kann. Ich erhoffe mir Menschen, die mich NICHT alleine lassen, wenn sie in einer festen Beziehung sind, sondern mich genauso pflegen wie die Partnerschaft.

Ich wünsche mir zutiefst, dass es eine solche Freundschaft auf der Welt gibt, die mich erfüllen könnte. Allerdings bezweifle ich dies stark, da ich selber diese Freundschaft noch nie erlebt und noch nie gesehen habe. Wenn Leute über "Freundschaft" reden, dann entweicht mir höchstens ein schwaches Lachen. Ich erwarte mehr, als bloß jemanden zum Party machen oder Shoppen gehen zu haben. Es muss eine tiefe Verbindung bestehen, eine Seele in zwei Körpern sein.

Wie bereits erwähnt leide ich sehr darunter, dass ich keine erfüllende und glücklichmachende Freundschaft habe und dass ich meinen Glauben an die Freundschaft verwerfen muss. Inzwischen ist mein Denken so weit verzwickt, dass ich von jedem Menschen der sagt, es gäbe wahre Freundschaft, denke, dass er lüge oder nicht wüsste, was Freundschaft bedeutet. Es schnürt mit die Kehle zu und nimmt mir, im wahrsten Sinne des Wortes, die Luft zum Atmen.

Ich bin seit 5 Jahren in einer Beziehung, mit der ich auch zufrieden bin, da mein Freund wirklich mein fester und ein bester Freund für mich ist. Allerdings fehlt mir eine richtige Freundschaft im Leben, die unabhängig von meinem Freund ist. Immerhin hat er auch seine eigenen Freunde und ich möchte unabhängig von ihm bleiben.

Ich fühle mich so schrecklich. Es fühlt sich wie ein riesiges Loch in meiner Brust an. Ich bin ein sehr sensibler Mensch, weshalb ich sicherlich sehr dramatisch klinge, jedoch fühle ich mich, wie ich es sage. Ich merke auch immer mehr, wie schwer es mir fällt alleine zu sein, da ich in diesen Momentan nachdenke und es mir immer schlechter geht. Ich versuche auf jede Art und Weise mich abzulenken, um nicht nachzudenken, allerdings gelingt dies nicht.

Ich gebe mir inzwischen selber die Schuld daran, dass ich keine erfüllende Freundschaft habe. Meine Ansprüche sind wahrscheinlich zu hoch an die Menschen. Ich bin mir sicher, dass es MEINE ideale Freundschaft nicht gibt. An manchen Tagen will ich gar keine Freunde mehr, da ich die Menschen sowieso nicht für fähig halte.

Ich weiß nicht mehr, wie ich mit der belastenden Situation umgehen soll. Ich versuche mich damit abzufinden mich für immer "Fehl am Platz" zu fühlen. Allerdings ist dies schwerer als gedacht.

Zudem belastet mich eine weitere Situation. Ich habe mal einen Menschen kennen gelernt, der für mich absolut in Frage kam. Ich habe mich diesem Menschen sofort verbunden gefühlt. Ich war ständig glücklich in seiner Nähe und alles andere schien nicht mehr belastend zu sein. Ich fühle mich so wohl, wie noch nie. Ich wusste, dass diese Person, die für mich richtige war, um eine Freundschaft zu führen. Wir hatten uns auch öfters gesehen und tolle Zeiten gehabt. Irgendwann hat sich dieser Mensch aber einfach nicht mehr gemeldet. Gar nicht mehr. Einfach so. Wodurch es mir jetzt sehr schlecht geht, da ich denke, die einzige Chance verpasst zu haben. Ich vermisse diesen Menschen unendlich. Ich würde sagen, das Verlassen hat in mir die selben Gefühle ausgelöst wie Liebeskummer. Die schlimmste Sehnsucht meines Lebens.

Mein Problem müsste ich noch viel weiter ausführen, allerdings verlässt mich die Lust all dies auszuführen. Ich denke, dass ich allgemein ein sensibler Mensch bin, da ich ebenfalls unter Weltschmerz, der Gesellschaft und Realitätsflucht leidet. Ich will abends nicht schlafen gehen, da sonst "ja schon morgen ist". Ein schreckliches Gefühl damit zu Leben.

Ich denke mit folgendem Zitat, kann ich ziemlich gut beschrieben werden:

"Der sensible Mensch leidet nicht aus diesem oder jenem Grunde, sondern ganz allein, weil nichts auf dieser Welt seine Sehnsucht stillen kann."

Und das Traurige ist, das wirklich NICHTS auf dieser Welt meine Sehnsucht stillen kann.

Ich hoffe, ihr könnt mir irgendwie helfen. Ich weiß nicht mal, was ich als Antwort erwarte. Ich hoffe bloß, ihr könnt irgendetwas antworten.

Liebe Grüße,
Sakura.

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Sakura.

Du schreibst wirklich sehr treffend über die Art von Freundschaft - oder nenne es Seelenverwandtschaft - von der wirklich viele von uns irgendwann im Leben einmal träumen.
Die sensiblen Seelen länger, die oberflächlicheren, platteren Gemüter oft nur einige Augenblicke lang.

Ich nehme mal Dein Zitat von Jean-Paul Sartre:
"Der sensible Mensch leidet nicht aus diesem oder jenem Grunde, sondern ganz allein, weil nichts auf dieser Welt seine Sehnsucht stillen kann."

Du sagst, dass Du Dich in diesem Zitat am ehesten selber erkennst.

Ich sehe in Dir dadurch "einen Sucher nach der blauen Blume" !

Dieser Spruch von Sartre ist für mich der Brückenschlag zwischen dem Existenzialismus eben des Jean Paul Sartre und dem, was Novalis mit seiner "blauen Blume" geträumt hat!

Deine Sehnsucht, Deine Suche weist den Romantiker in Dir aus!

Du schreibst:

"Für mich bedeutet Freundschaft gegenseitiges Vertrauen, Verständnis, Freiwilligkeit."

Nach dem, was Du vorher geschrieben hast, sind das zwar unabdingbare Voraussetzungen für Dich: aber es wird Dir nicht reichen!

Du brauchst einen Zufluchtsort für Deinen Geist!

Wahrscheinlich macht Dir die Oberflächlichkeit der schnelllebigen Zeit zu schaffen, vielleicht weil Du sensibel bist und mehr in die Tiefe blickst.

Deine Sehnsüchte habe ich gelesen (und erlitten) in den Romantikern ud in den Schriftstellern des Biedermeier.

Wenn Du Dich alleine fühlst mit Deinen Gefühlen: lies Novalis, Grillparzer, Lenau, Mörike, Stifter.

Dort findest Du die Seelenverwandten, die Dir fehlen!

Nur: bitte komme dann, wenn Du dort verwandte Seelen gefunden hast auch sehr schnell wieder zurück zu unserem Jean Paul Sartre!
Es ist wie der Wechsel von Traum und Wunsch, die Wirklichkeit zu ver- und bestehen!

Weil:
Der Existentialismus Jean Pauls ist die Annahme der Herausforderung "Leben"!

Romantik und Biedermeier ?
Das Erträumen und zwangsweise Scheitern an dem, was nicht "erträumt", sondern nur "erlebt" werden will und kann:

Unser aller Leben!

Du solltest den einen Spruch Jean-Paul Sartres nicht ohne den Anderen verwenden!

"Der Mensch ist nichts anderes als sein Entwurf; er existiert nur in dem Maße, als er sich entfaltet. "

Ich füge hinzu:

Es gibt die Seelenverwandschaft, die Du erträumst!
Es gibt das Gefühl, schweigen zu dürfen, schweigen zu müssen, ohne dass es peinlich wird!
Es gibt das unbedingte Glück, jemand anzuschauen, zu schweigen, die Hände zu halten und sich absolut Eins zu fühlen!
Dieses Glück kitzelt nicht! Aber es wiegt weit mehr als 1000 Orgasmen!
Es gibt das Glück, dass "Hände halten und streicheln" "Wolke 7" bedeutet!

Vielleicht erlebst Du es ja eher, als ich! Ich wünsch es Dir von ganzem Herzen!

Aber selbst, wenn Du genauso lange darauf warten mußt, wie ich:

Die 35 Jahre würde ich mir an Deiner Stelle echt noch Zeit geben :-)

Es lohnt sich!

Alles Liebe,

Bernd