Problem von Judit - 31 Jahre

Kein Rückhalt in der Familie / Zurück nach Ungarn?

Hallo liebes Kummerkasten-Team!
Ich komme nicht aus Deutschland. Vor 17Jahren, als ich noch nicht ganz 14J. alt war, sind wir (meine Familie: Eltern, Bruder+Schwester+ich) nach Deutschland gekommen. Meine Mutter sprach nur ein gebrochenes Deutsch und Mein Vater hatte sich nie wirklich um (der Rest der Familie) uns gekümmert, er war Direktor bei der Fluggesellschaft aus einem Land des damaligen Ostblocks. So kam er meist spät, manchmal erst um 21h-22h nach Hause. Bevor wir nach Deutschland kamen hat mich meine Mutter gefragt, ob ich nach Deutschland möchte oder nicht, denn sonst würde es sich ergeben, dass sie sich von meinem Vater scheiden ließe, wenn wir in Ungarn blieben. Dann würde mein Bruder mit meinem Vater mitziehen und meine Schwester und ich mit meiner Mutter bleiben (wohlgemerkt in Armut, da meine Mutter ca. 1/7 dessen verdiente wie mein Vater, was sie mir auch erzählte...). Ich habe damals Angst bekommen und habe abgeblockt und ihr gesagt, dass ich nach Deutschland will und dass sie sich nicht in mein Leben mischen soll, vor allem, weil ich Angst hatte, was kommen würde, wenn die Familie auseinanderfällt... So war meine Mutter darüber zwar nicht erfreut, aber sie sagte mir dann nichts mehr und wir sind nach Deutschland. (Dazu muss ich sagen, dass wir vorher auch alle 5Jahre in ein anderes Land gezogen sind:ich bin in Zürich geboren und als ich noch 1Baby war sind meine Eltern wieder zurück ins Heimatland, dann ab meinem 5-10Lebensjahr (1979-1984) waren wir wieder in Zürich (wo ich kurz vor unserem Umzug in einem Abstand von ca.1Woche von 2 verschiedenen erwachsenen Männern sexuell belästigt wurde und dazu nie die Unterstützung und Rückhalt meiner Eltern erhielt) und dann bis vor dem Umzug nach Deutschland (bis 1988) waren wir wieder im Heimatland...)
Wir Kinder hatten in Deutschland unsere Probleme mit der Sprache, der Schule, der Mentalität und den Normvorstellungen (die zunächst wie ein unverständliches Kuddelmuddel auf mich wirkte, um es so auszudrücken).
Als ich noch keine 16war starb mein Opa mütterlicherseits und meine Mutter blieb immer längere Zeit in Ungarn, da meine Oma nach dem Tod meines Opas ein Pflegefall wurde (meine Mutter ist seit 1986 selbst auch Frührentnerin). Ich fühlte mich ständig alleine und im stich gelassen. Bin aber deshalb auch selber sehr oft nach Ungarn und habe meiner MUtter beim Pflegen meiner todkranken Oma geholfen, die dann genau 2Monate vor meiner 1.Abiklausur starb - 3 1/2J. nach meinem Opa (ich hatte mir für die Schule alles alleine erarbeiten müssen, da meine Eltern bei mir als 3.Kind hier von vornherein nicht so sehr dahinter waren und ich schon als kleines Kind verstand, dass das Lernen meine Zukunft bedeutet... die 2.Fremdsprache Französisch musste ich alleine nachholen, innerhalb von einem Jahr musste ich 2Schuljahre einholen was ich mittelmäßig schaffte), so verhaute ich mein Abitur(3,4)...das war einfach zu viel.
Nach meinem Abi, im Sept1994 kehrten meine Eltern+Schwester nach Ungarn zurück, mein Bruder heiratete hier und ich entschied mich zu studieren.
Seit dem Tod meiner beider Großeltern ist meine Mutter so unheimlich fordernd und macht immer wiederkehrend Vorwürfe, dass ich nach meinem Abi nicht mit ihnen zurückgekehrt bin... Sie hat so hohe Erwartungen, was die Entscheidungen anbelangt, die im Heimatland getroffen werden und den Verkauf ihrer Wohnungen, was angeblich unsere Zukunft betrifft. Auch mitten in meinen Diplomprüfungen pochte sie stets darauf herum. Vor allem will sie, dass ich zurückkehre und ich bin einfach entscheidungsunfähig. Ich würde gerne, aber ich kenne dort außer unseren familiären Problemen und einer Freundin noch aus der Grundschulzeit niemanden. dazu noch hat mein Vater meine Mutter vor 3Jahren verlassen und bricht immer mehr Brücken ab. Ich habe mit ihm und meinem Bruder seit ca.1Jahr auch keinen Kontakt mehr (der Grund liegt darin, dass ich durchgesetzt habe, dass er mein Studium mitfinanziert, wobei ich noch nebenher mindestens 10-25Stunden immer arbeiten musste...er hat mir immer nur vorgeworfen, dass ich zu viel Geld koste und ich nur sein geld wolle, meinem Bruder meiner Mutter und Schwester hat er auch immer wieder erzählt,dass er mir so viel geld gebe (es waren maximal500? monatlich bei Basisausgaben, ohne Essen, von ca600?)... sodass sie auf mich sauer und neidisch waren/sind...) Neben diesem Druck wegen dem Geld und dem Kummer darüber und auch darüber dass ich in den letzten 11Jahren insgesamt vielleicht 5mal Besuch erhielt, obwohl wir 33% Vergünstigung auf Flugtickets, aufgrund der ehem.Position meines Vaters, erhalten können... Aber mein Vater reagiert auf die Bitten meiner Mutter nicht, ihr ein Flugticket auszustellen und wenn sie kommen könnte, sagt sie auch in letzter Sekunde ab. In anderen Situationen wirft sie mir vor, dass ich nicht da bin und dass sie sich damals habe scheiden lassen wollen und ich ihr mit meiner Reaktion das zunichte gemacht habe... Oft habe ich das Gefühl ihre Mutter sein zu müssen...sie hat sich seit 17Jahren gar nicht mehr um meine Belange gekümmert. Es reicht ihr nicht, dass ich mein Studium mit sehr gut abgeschlossen habe, wo andere Eltern unheimlich stolz wären auf ihre Kinder.
So lebe ich alleine und habe nur die Freude, dass ich im Beruf langsam aber sicher Fuss fassen kann. Wenn ich daran denke in mein Herkunftsland zu ziehen, bekomme ich riesige Angst und fühle mich machtlos und alleine. Wenn ich daran denke, dass ich hier weggehe, zerreisst es mir mein Herz. Andererseits plagen mich stets große Schuldgefühle gegenüber meiner Mutter, die so verbittert ist, weil sie denkt, dass sie alle ihre Kinder verloren hat. Sie ist auch oft dabei, sich schon zu begraben, obwohl sie erst 60 ist. Dann denkt sie auch immer öfter negativ über mich und sagt, dass ich sie extra hinhalte um ihr weh zu tun...das tut mir weh, dass sie so denkt! Sie versteht meine Situation nicht im geringsten und ich fühle mich nicht mehr so stark wie früher, breche auch in Tränen aus und muss dann stundenlang weinen, oder schreie sie an, was mir dann noch mehr Schuldgefühle ihr gegenüber macht. Damit ist uns allen doch nicht geholfen. Wie kann ich ihr das beibringen? Sie hört mir in solchen Situationen auch nicht zu und versteht oft etwas so, wie sie es gerne hätte...
Ich weiß im Moment einfach nicht, was ich tun soll, wie ich damit umgehen soll. Ich will dass diese Schuldgefühle aufhören...es ist ein Dilemma...Was sagt Ihr dazu?
Liebe Grüße
Judit

Anwort von Vincent

Liebe Judit!

Wenn Du zurück nach Ungarn gehst, glaubst Du wirklich, dass Du dann in Deine wirkliche heimat gehst? So wie Du es beschreibst ist Deine Familie längst zerbrochen.

In Deutschland hast Du Dir aber etwas aufgebaut. Du bist im Begriff, beruflich erfolgreich zu werden, du hast hier sicher auch Freundschaften und soziale netze geknüpft. Du warst immer irgendwie entwurzelt, musstest oft umziehen. In Deutschland ist das nicht mehr so. Hier hast Du Zukunft, einen relativ hohen Lebensstandard und Freunde.

Vielleicht findest Du hier jemanden und kannst eine eigene Familie gründen, wo es kein ständiges Umziehen, keine Kälte zwischen den Eltern und auch keinen Egoismus gibt.

Ich kann nicht genau beurteilen ob Deine Schuldgefühle gerechtfertigt sind. 1500 ? im Monat sind in meinen Augen viel Unterhalt. Bei so viel Geld muss man als Student eigentlich nicht nebenher jobben (sage ich jetzt aus meiner eigenen Studienerfahrung). Vielleicht hast du Deinem Vater zuwenig Dankbarkeit gezeigt und bist nur wegen dem Geld und nicht aus Zuneigung zu ihm gekommen, was ihn verletzt hat.

Denn auch wenn die Eltern sich gegenseitig nicht mehr verstehen, ihr Kind lieben sie meistens beide weiterhin stark.

Deine Mutter macht Dir jedenfalls falsche Vorwürfe. Sie kann nicht ein kleines Kind für ihr eigenes Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit verantwortlich machen. Jedes Kind will, dass die Familie zusammenhält. Deiner Mutter scheint Sicherheit wichtiger als Liebe gewesen zu sein und hinterher sucht sie die Schuld nicht bei sich sondern bei Dir - das ist nicht ok.

Mach es also am besten so: Bleib in Deutschland, bau Dir hier eine Basis , eine Karriere, eine Familie auf. Hier ist Deine Heimat. Aber versuche gleichzeitig, Dich mit Deinen Eltern auszusöhnen. Zeige Deinem Vater etwas Zuneigung und Dankbarkeit, zeige auch Deiner Mutter Zuneigung, aber lass Dich nicht falsch beschuldigen.

Alles Gute,