Problem von Chris - 20 Jahre

Deutungsproblem

Hallo,

ich habe kein schlimmes Problem, nur weiß ich nicht wie ich mich im Moment gegenüber einem Jungen verhalten soll.
Erstmal hole ich ein bisschen aus: ich bin seit über einem Jahr Rudertrainer für 12-16 Jährige Kids. Ich habe seit einiger Zeit einen Jungen aus dem selben Dorf, aus dem ich komme, bei mir in der Gruppe; er ist 13 und total sportbegeistert.
Da er und sein Zweier Partner auch recht gut sind, war ich schon öfter mit den beiden Unterwegs auf Wettkämpfen; wir sind also viel unter uns. Ich verstehe mich mit beiden sehr gut.
Seine Mutter ist auch sehr offen zu mir und teilt eigentlich ALL ihre Sorgen mit mir, wenn sie denn mal welche hat; Wir haben also eigentlich ein sehr gutes Verhältnis zueinander.

Nun hatte ich ihm ein PC Spiel zum Geburtstaggeschenkt, weil er erzählt hatte, dass er es sich wünscht und ich die Möglichkeit habe, kostenlos an das Spiel zu kommen und es auch sehr gern spiele.
Ich habe ihm gesagt, dass wir auch mal zusammen spielen könnten und er fand das ganz cool und das haben wir dann auch ein paar mal gemacht.

Vor einer Weile hab ich ihn dann auch zum Biken eingeladen (ich fahre sehr oft Mountainbike); er hat das bejaht, wir sind zusammen gefahren und er hat im nachhinein gesagt, dass er einen riesenspaß gehabt hat.

Ich mache das Ganze, weil ich nie einen kleinen Bruder hatte, aber immer wollte und früher auch einen 5 Jahre älteren Kumpel hatte, der mir viel gezeigt und geholfen hat durch das Alter zum kommen.

Jedenfalls war er jetzt 2 Wochen weg in Urlaub und will das Pc spiel nun lieber alleine spielen, weil 'die gegner dann nicht so gut sind' (wenn er mit mir spielt, ist der schwierigkeitsgrad höher, hat ihn vorher aber nicht gestört).
Auf die Frage ob ich ihn nun öfter zum Fahrradfahren mitnehmen soll sagte er: 'nö, frag nit'. Vor 2 Wochen wollte er das aber auf jedne Fall öfter machen...

Nun weiß ich nicht wie ich mich verhalten soll. Soll ich nachfragen warum? Ich denke eigentlich ist es ein klares Zeichen, dass er keine Lust hat was mit mir zu machen, aber ich kann mir nicht vorstellen warum...
Ich möchte ihn auch nicht nerven, das würde es ja nur noch schlimmer machen...
Die Frage ist für mich jetzt also, ob ich mich erstmal zurück halten soll und erstmal rein als der Trainer abwarte,
oder ob ich nachharken soll, um zu sehen woran es liegt, dass er aufeinmal keine Lust mehr hat?

ich hab ihn wirklich sehr lieb gewonnen über das letzte jahr und will eben ja nichts tun, um eine potentielle Freundschaft zu gefährden...

Judith Anwort von Judith

Hi Chris,

Danke fur Dein Vertrauen.
Ich finde es toll, dass Du Dich so fuer den Jungen einsetzt und versuchst, ein guter Freund / grosser Bruder / Mentor / wie auch immer man es nennen mag zu sein. Das ist sicher schoen, und ich glaube, auch der Junge weiss das durchaus zu schaetzen.

Was Du nicht vergessen darfst ist, dass er eben ein 13jaehriger Junge ist, der mitten in der Pubertaet steckt. Das, was an einem Tag cool ist, ist am anderen Tag vielleicht total bloed. Und vergiss nicht, dass Ihr bei aller Freundschaft in einem Abhaengigkeitsverhaeltnis miteinander steht. Genauer gesagt: Du traegst eine Verantwortung, da er ein Kind ist und Du sein Trainer bist.

Von daher solltest Du IHN entscheiden lassen, wieviel Kontakt er moechte.

Ich denke, ihn zu fragen, ob was passiert ist, kann nicht schaden. Aber ohne Vorwurf, sondern lediglich nachhaken, was seine Verhaltensaenderung hervorgerufen hat. Ob Du was gemacht hast, was ihn stoert, oder ob irgendwas anderes passiert ist, was ihn dazu gebracht hat, sich zu entfernen. Wenn Dein Verhaeltnis mit seiner Mutter so gut ist, wie Du beschreibst, dann kannst Du ja auch sie einmal darauf ansprechen.

Vielleicht kommt der Junge Dir sehr erwachsen und reflektiert vor. Aber sei Dir Deiner Verantwortung immer bewusst: Kinder in dem Alter sind beeinflussbar und emotional und psychisch einfach noch auf der Suche. Du kannst da sehr viel kaputt machen, wenn Du Druck ausuebst oder zuviel verlangst. Du moechtest ein grossen Bruder und Freund sein, aber dazu gehoert auch, den anderen seine eigenen Entscheidungen treffen zu lassen. Er weiss, dass Du im Hintergrund da bist, und er sich an Dich wenden kann, wenn er etwas auf dem Herzen hat. Und das ist das Wichtigste. Das Kind steht im Mittelpunkt, nicht Dein Wunsch, mit ihm befreundet zu sein.

Ich wuensche Dir alles Gute.
Judith