Problem von Anonym - 21 Jahre

Problem

Hallo liebes Team,


es ist schon einige Jahre her, als ich euch mal geschrieben habe. Nun bin ich etwas älter geworden. Allerdings kann ich meine Probleme nicht in eine Kategorie packen, da es soviele sind und verschiedene Themenbereiche betrifft.

Nunja wo soll ich beginnen. Ich bin Studentin der sozialen Arbeit. Allein deswegen ist es mir unangenehm , da ich der Auffassung bin mir erstmal zu helfen bevor ich anderen Menschen helfe.
In Kurzfassung möchte ich euch meine Kindheit mitteilen. Meine Mutter ist Alkoholikerin und mein Vater hat meine Mutter und uns Kinder geschlagen. Ich habe eine Schwester, zur Info.
Er sagt bis heute, dass es richtig ist, dass er michi geschlagen hat, da ich es verdient habe. Meiner Ansicht nach hat es kein Mensch verdient geschlagen zu werden.
Nunja, mein Vater war immer arbeiten und meine Mutter hat munter getrunken. Erziehung gleich null. Stattdessen habe ich gelitten und musste es ertragen, dass meine Eltern sich nachts stritten.
Dann war ich 2 Jahre in einer Therapie um meine Kindheit zu verarbeiten. Dort bin ich hingegangen, weil ich Panikattacken bekommen habe. Regelmäßig und jeden Abend. Es war schrecklich, wenn einem die Luft wegschnürt und man denkt man müsse jetzt sterben.
Nunja vor einigen Wochen dann wollte mein Vater mich wieder schlagen. Ich habe gesagt: "Mach doch! hier bin ich! nur zu!" Er tat es nicht. Hätte er es mal gemacht, dann hätte ich jetzt mit 21 Jahren den Mut gehabt ihn anzuzeigen. Einfach für mein Selbstwertgefühl.

Ich wohne leider noch zuhause. Das nötige Kleingeld fehlt mir bisher. Ich bin Studentin und bin nicht sicher, ob es richtig ist was ich studiere.
Manchmal weine ich. Und ich weiß gar nicht wieso.
Ich halte es zuhause nicht mehr aus. Ich halte es schon solange nicht mehr aus. Ich habe regelmäßig Bauchschmerzen und kämpfe eigentlich nur noch mit mir.

Auch habe ich das Gefühl, dass meine Eltern mich nicht verstehen. Meine Mutter hat des Öfteren Rückfälle. Es interessiert aber keinen außer mich. Manchmal denke ich , sie nutzt mich aus und weiß wie sehr ich leide und dass ich sie nicht im Stich lassen würde.

Ich möchte von euch nur Verständnis und eine antwort auf meine Frage, ob es verständlich ist, wie ich mich fühle.

Danke.

Jessica Anwort von Jessica

Hallo,

Schon mal vorweg: Ich finde es vollkommen verständlich, dass du dich so fühlst.

Zudem möchte ich dir sagen, wie klasse du bist, weil du trotz deiner Vergangenheit nicht resignierst, sondern weitermachst, studierst und tatsächlich den Mut aufbringst, etwas gegen die Gewalt zu unternehmen!

Diejenige die ich kenne würde sich nicht wagen, etwas zu sagen, geschweige denn die Gewalttat anzuzeigen. Leider kann man ihnen dann schlecht helfen, manchmal wollen sie auch keine Hilfe. Es ist also schon ein großer Schritt in die richtige Richtung, den du gegangen bist.


Ob man das richtige studiert weiß man meistens nicht. Ich selbst studiere auch und habe das Studium einfach so gewählt, weil man damit gute Zukunftschancen hat. Bin mir noch immer nicht sicher, ob es das Richtige für mich ist. Damit bist du nicht allein.
Allerdings scheinst du doch gerne Menschen helfen zu wollen, wenn du sogar bei eigenen Problemen noch darüber nachdenkst, dass du später eigentlich anderen Menschen helfen wirst. Das ist doch ein gutes Zeichen. Auch das du denkst, kein Mensch hat es verdient geschlagen zu werden, ist Teil davon (und sehr richtig! Es ist schlimm, dass es dir passiert ist.). Falls es doch nicht das Richtige ist, kannst du den Studiengang im Notfalls immer noch wecheseln.


Am besten wäre es, wenn du ausziehen könntest. Ansonsten besteht jederzeit die Gefahr der Wiederholung eines solchen Vorfalls. Leider hilft deine Mutter dir und deiner Schwester anscheinend nicht sehr, bzw. macht durch ihren Alkoholkonsum die Situation noch schlimmer.

Was die Finanzierung betrifft: Du kannst versuchen, einen BaföG-Antrag einzureichen. Ich weiß leider nicht, in welchem Semester du bist, etc, also ob du tatsächlich BaföG bekommst, aber einen Versuch wäre es wert.

Des Weiter gibt es noch die Möglichkeit, einen Studienkredit zu beantragen (z.B. bei der KFW-Bank). Es ist zwar nicht besonders schön, Schulden zu machen, aber in deinem Fall ist es wahrscheinlich besser, als zu Hause zu bleiben. Hier der Link zu deren Seite: http://www.kfw.de/kfw/de/index.jsp

Die Zinskonditionen sind hier besonders gut, eben weil es ein Studienkredit ist. Du könntest max. 650€ im Monat beziehen, was durchaus für eine eigene Mietwohnung ausreicht.

Die Frage nach deine Schwester bleibt dann leider offen. Vielleicht könnte sie bei dir übernachten. Du könntest das Jugendamt einschalten oder zumindest mit einem Mitarbeiter reden.

Ich hoffe das du es schaffst,

Jessi