Problem von anonym - 21 Jahre

Lustlosigkeit

Hallo liebes Kummerkasten-Team,
ich bin ausländer und bin 19 jahre alt. mit 10 sind wir nach deutschland umgezogen. in der schule bin ich eher ruhig und habe angst mich zu melden. ich wurde früher seh oft ausgelacht, weil ich die grammatik nicht beherrschte und viele sachen falsch beschrieb. mir hat auch das selbstvertrauen gefehlt mich so zu akzeptieren, wie ich war bzw. wie ich bin. ich weiss nicht warum, aber nach paar jahren hatte ich den starken drang zu philosopieren und das verhalten des menschen zu analysieren. einerseits fand ich das sehr interessant, doch nach einer zeitlang machte mich das alles unglücklich. ich lebte qwasi in meine welt und wurde immer mehr vom sozialen umfeld abgekapselt. ich war sehr alleine in der schule und hatte sehr wenige freunde. ich hatte sogar selbstmordgedanken, weil ich ein sehr eintöniges leben hatte. ich fühlte mich sehr leer wie eine lebende leiche. nebenbei hatte ich immer philosophische gedanken die mich immer kränkten. ich konnte durch intensivem
training aus diesem philosopischen welt wieder raus kommen. nun fühle ich mich besser, aber ich kann das leben nicht mit vollen zügen geniessen und deshalb wollte ich euch fragen, ob ihr mir paar tipps geben könnt, um besser leben zu können und mich wie früher fühlen können.mittlerweile bin ich kein schülervmehr sondern habe schon seit einem jahr mit meinem studium angefangen.

ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mich fühlen könnt und mir hilfreiche tipps geben könnt. danke im voraus :)

Deniz Anwort von Deniz

Lieber Ratsuchender,

wie schön, dass du dich an uns wendest. Ich hoffe, ich kann dir mit meiner Antwort ein wenig helfen.
Dein Problem kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich selbst bin halbe Türkin, zwar in Deutschland geboren, habe aber hautnah miterlebt, wie es beispielsweise meinem Vater und anderen Verwandten erging, die hierher gezogen sind. Ich finde es toll, dass du dich trotz deiner Probleme durchgeboxt hast und jetzt studierst. Dein Deutsch ist super geworden und du hast viel Kraft und Stärke bewiesen, als du dich aus deiner depressiven Phase herausgekämpft hast. Ein ganz großes Kompliment!

Du weißt ja, dass viele Einwanderer die gleichen Probleme haben. Es gibt in fast jeder größeren Stadt Organisationen, die Kindern in Familien in schwierigen sozialen Situationen helfen. Eine Art Großer-Bruder-Programm. Vielleicht wäre das ein Ansatzpunkt für dich. Wenn du in so einer Organisation aktiv werden würdest, würde die Organisation gemeinsam mit dir ein Kind aussuchen, welches du dann in regelmäßigen Abständen abholst und Dinge mit ihm/ihr unternimmst, die kein Geld kosten, die aber dem Kind Spaß machen und von ihrem schwierigen Alltag ablenken. Du könntest zum Beispiel mit dem Kind in den Park gehen, Fußball spielen, Brettspiele spielen, gemeinsam Musik machen, Bücher lesen und anschließend darüber reden, ihm bei den Hausaufgaben helfen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten ein Kind zu beschäftigen, die aber auch kein Geld kosten. Und du kennst dich mit der Problematik aus, vielleicht könntest du einem ausländischen Kind beiseite stehen. Vielleicht könntest du das Kind auch mit anderen Kindern zusammenbringen, auf dem Spielplatz beispielsweise. Kinder lieben phantasievolle Spiele, wenn ihr zum Beispiel auf dem Spielplatz seid, sucht euch ein, zwei Kinder aus und schlagt ihnen vor, Piratenschiff oder so etwas in der Art zu spielen. Denn was den meisten ausländischen Kindern fehlt, sind Freunde. Denk darüber nach und wenn du dich dafür entscheiden solltest, kannst du auch gerne nochmal schreiben und wir überlegen, was du alles mit dem Kind unternehmen könntest. Aber überlege gut, deine Probleme von früher werden sicherlich wieder hochkommen, aber du hättest die Möglichkeit, es einem anderen Kind leichter zu machen und so vielleicht endgültig mit deiner Vergangenheit abzuschließen. Aber es soll für dich ein gutes Gefühl sein, wenn du darüber nachdenkst, ob du in einem Großer-Bruder-Programm mitwirken möchtest, und du fühlst, es fühlt sich nicht gut an, dann tu es nicht.

Du hast früher viel philosophiert, die Welt der Gedanken liegt dir also. Vielleicht könntest du Geschichten schreiben? Vielleicht Kindergeschichten. Lustige, spannenden, abenteuerliche Geschichten. Und die liest du dann Kindern aus deiner Verwandschaft vor. Du wärst bestimmt der Star bei den Kindern.

Gönn dir ab und zu mal einen Wellnesstag. Damit meine ich jetzt nicht, dass du in ein Wellnesshotel fahren sollst, was unheimlich entspannend ist und gut tut, ist ein Tag in der Sauna. In der Sauna ist es ruhig, schön heiß, du kannst abschalten, deine Seele baumeln lassen und tust etwas tolles für deinen Körper. Und danach gehst du was Gutes essen.

Vielleicht findest du auch auf deiner Uni neue Freunde. Du könntest beispielsweise einfach mal jemanden fragen, ob er mit dir lernt. Vielleicht findet sich auch eine Lerngruppe zusammen. Ihr habt auf jeden Fall schon mal ein Thema, über das ihr reden könnt: das Studium. So findest du sicher jemanden, mit dem du dich gut verstehst und dann könnt ihr mal was zusammen trinken gehen oder etwas unternehmen.

Was auch gut tut, ist, sich einen Wunsch zu erfüllen. Jeder hat Wünsche, die erfüllbar sind. Eine Reise, ein Musikinstrument spielen lernen, eine Sportart ausüben, ein tolles Outfit. Klingt albern, aber ich wünsche mir zum Beispiel einen Mops. Da ich aber arbeiten gehe, werde ich mir den Wunsch erst erfüllen können, wenn ich in Rente gehe und mehr Zeit habe. Das dauert zwar noch, aber da freue ich mich jetzt schon drauf. Und ich möchte mal in die Sahara, das wird aber auch noch dauern. Kleinere Wünsche erfülle ich mir ab und zu sofort.

Denk nicht so viel über die negativen Dinge, die in deiner Kindheit passiert sind, nach. Die Dinge sind geschehen, du kannst nichts mehr daran ändern. Das Hier und Jetzt zählt, deine Zukunft kannst du bestimmen. Mach Dinge, die dir Spaß machen. Wenn du nicht weißt, was dir Spaß macht, dann probier es aus. Probier alles mögliche. Geh in den Wald laufen, melde dich im Tierheim um regelmäßig Hunde spazieren zu führen, schreibe Geschichten, geh Tanzen, setz dich in die Fußgängerzone und beobachte die Menschen, mach nen Kochkurs, schau Filme und schreib anschließend Kritiken, mach bei nem Flohmarkt mit, fahr in nen Freizeitpark, geh in die Sauna, ins Kino, ins Museum, male ein Bild, melde dich in einem Chatroom oder einem Forum an und unterhalte dich, egal ob mit Männern oder Frauen, schnapp dir ein Kind aus deiner Verwandschaft, geh mit ihm/ihr in den Wald und erkläre ihm die Welt, dreht dicke Äste um und schaut euch die ganzen Käfer und Würmer an, die sich darunter verstecken, sammelt Blätter, plättet sie zwischen einem Buch und schaut dann im Internet nach, zu welchem Baum sie gehören. Mach ein riesengroßes Puzzle, geh in eine Karaokebar und freue dich, dass sich alle bis auf die Knochen blamieren, um dann genauso schief zu singen. Fahr mit dem Zug nach Paris, zum Schnäppchenpreis (einfach nachfragen, das ist nicht teuer) oder in eine andere Stadt und erkunde sie auf eigene Faust. Es gibt so viele Dinge, die du machen kannst, die hier aufzulisten würde allerdings den Rahmen sprengen.

Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Tipps geben und wenn nur eine Sache dabei war, die dir Spaß macht, dann freut mich das schon! Du bist nicht mehr der kleine Junge von früher, der schlechtes Deutsch spricht, du brauchst dich für nichts zu Schämen, geh einfach auf die Menschen zu. Trau den Menschen Gutes zu, es gibt viele Menschen, die unvoreingenommen Anderen gegenüber sind und die sich bestimmt freuen würden, dich kennenzulernen.

Ich wünsch dir alles Gute!

Liebe Grüße
Deniz