Problem von Anonym - 20 Jahre

Ein trauriges Selbsteingeständnis

Guten Abend,
ich muss gestehen, dass ich mich recht spontan entschieden habe hier zu schreiben.
Nicht das mir mein Problem neu wäre und ich mir nicht ausreichend Gedanken gemacht hätte, sondern eher weil ich mich selten traue über meine eigenen Gefühle und Gedanken zu reden.
Ich glaube Ich muss erst etwas über mich erzählen.
Ich bin 19 Jahre alt, 2 ältere Brüder was eigentlich dazu führte, dass ich selten ernst genommen wurde als Kind und besonders mein mittlerer Bruder, der mir sehr vertraut ist und an einer sehr stark ausgeprägte Sozial-Phobie leidet, mich oft abwertete um sich selbst besser zu fühlen.
Ich bin eigentlich das Perfekte Gegenbeispiel zu meinem Bruder.
Ich bin kommunikativ was auch an meinem ADHS liegt, traue mich auf Menschen zuzugehen und mir wird oft gesagt das ich sehr Selbstbewusst wirke.
Ich selber empfinde mich unterschiedlich, wenn ich in der Gruppe bin, auch mit meinen zwei besten Freunden denen ich sehr wichtig bin und oft Ratgeben und Anker zugleich war. Wenn ich spüre das ich im Mittelpunkt stehe und die Leute um mich herum mich für Selbstbewusst sehen fühle ich mich auch so.
Jedoch merke ich oft in einem stillen Moment das dieser Zustand eigentlich nur eine große Selbstlüge darstellt und ich eigentlich ganz klein, teilweise verloren bin und mich auch so fühle.
Ich habe dieses Jahr Abitur gemacht und studiere seit diesem Semester Psychologie ( Ja ich bin mir der Ironie bewusst).
Ich habe eine wirklich kommunikatives Wesen das mir oft geholfen hat schnell Anschluss zufinden, doch dieses mal fühlte ich mich von Anfang an als Aussenseiter. Ich wurde stiller und stiller und merkte wie ich mich vom Selbstwert den Leuten meines Jahrgangs unterordnete oder auch in einem stillen Moment mich über sie ärgerte und mir versuchte einzureden das es nicht an mir liegt.
Nun wohne ich in einer Fremdenstadt und habe bis auf meine Mitbewohner eigentlich mit niemanden sonst etwas zu tun.
Schon gar nicht mit Mädchen.
Ich habe in dieser Zeit viel Computer gespielt war aber auch oft in großen Exzessen mit meinen Mitbewohnern oder guten Freunden aus der Heimat feiern und/oder stark betrunken.
Ich merke wie meine Mitbewohner mich bewundern. Ich wirke wie ein sehr erfahrener "Bad-Boy" und sehe recht gut aus auch mein Auftreten habe ich dementsprechend im Griff.
Ich habe viele Menschen die mir nahe stehen belogen, um ehrlich zu sein alle.
Sei es meinen Mitbewohnern oder meinen besten Freunden denen ich von irgendwelchen One-Night Stands erzähle die es nicht gab oder meine Eltern Brüder mit tollen Dingen die ich erlebe, hübschen Mädchen die ich kennen lerne usw.
Ich verkrieche mich in einem Käfig aus Lügen um mich selber durch falsche Bestätigung besser zu fühlen.
Man kann sagen ich bin ein Meister der falschen Selbstdarstellung.
Vielleicht hoffe ich irgendwann die Lügen die ich erzähle als falsche Realität zu akzeptieren, ich weiß selber nicht warum ich nicht einfach mal ehrlich sein kann mir oder meinen Freunden/Familie gegenüber.
Es gab einige Mädchen in meinem Leben die stark Interesse an mir hatte doch ich fand immer Ausreden wieso gerade dieses Mädchen nicht.
Ich weiß selber nicht warum um ehrlich zu sein hätte ich wirklich wirklich gerne eine Freundin vor der ich mich nicht verbergen muss und die mich so liebt wie ich bin ohne das ich sie belügen muss-
Ein Mädchen für das ich mich interessiert hatte und mit der ich auch vorher schon ein sehr freundschaftlich Intimes Verhältnis geführt hatte lehnte ich ab als sie Versuchte mich zu küssen.
Ich hatte einfach zu viel Angst es zu versauen oder den nächsten Schritt zu machen sodass ich sie verloren hab.
Das hat mich ziemlich mitgenommen, denn ich hatte noch nie eine Freundin oder Kontakt zu Mädchen was über Küssen hinausgeht.
Ich werde von meinem Umfeld als gutaussehend beurteilt und bekomme auch meistens positive Rückmeldungen, eigentlich bin ich auch ein wenig Narzistisch veranlagt weshalb ich mir meine Angst abgelehnt zu werden nicht erklären kann.
Im Moment befinde ich mich in einem emotionalen Tal. Morgen wird es mir wieder besser gehen doch das ist leider kein stabiler Zustand.
Ich möchte etwas an meinem Leben ändern doch finde nicht die Motivation und den nötigen Mut dazu.
Im Moment habe ich nur Angst das ich weiter in das Tief rutschen kann und ich eine Depression (sofern ich noch keine habe) entwickele.

Ich kann mir vorstelle das ihr keine Antwort auf mein Problem findet, denn ich habe ja eigentlich auch nichts gefragt.
Und doch habt ihr mir alleine schon dardurch, dass ich hier schreibe ein kleines Stück weit geholfen.
Falls ich mich unverständlich ausdrücke oder meine Grammatik grausam ist entschuldige ich mich, doch kamen mir soviele Gedanken in den Sinn das ich gar nicht wusste wie ich alles unter einen Hut bekommen soll was mich beschäftigt.
In diesem Sinne.



Monika Anwort von Monika

Lieber Unbekannte,

ich hoffe ich kann dich ein wenig unterstützen.

Ich glaube es kommen bei dir 2 Dinge zusammen. Erstens hält dich jeder für selbstbewusst, für kommunikativ und offen und jeder erwartet nichts anderes von dir als tolle Gschichten von noch tolleren Mädchen und atemberaubenden, spannenden Erlebnissen. Das heißt du lieferst deinem Umfeld einfach was sie hören wollen und willst sie nicht enttäuschen.
Und zum zweiten kommt dazu, dass du sicher Angst hast dein wahres Ich zu zeigen und dann abgelehnt zu werden. Wie könnten auch die Menschen die einen selbstbewussten offenen Kerl lieben mit jemandem umgehen der Selbstzweifel hat, der auch mal schüchtern ist und dem nicht immer alles so leicht fällt? Könnten sie diesen Kerl genaus gern haben? (ich glaube ja)

Du bist da in einem Teufelskreis und musst versuchen auszubrechen. Du kannst immer weiter lügen und allen etwas vorspielen aber irgendwann wird das Kartnehaus zusammenbrechen - irgendwann wirst du zusammenbrechen und vielleicht auch selbst gar nicht mehr wissen, wer du eigentlich bist.

Mach dir einfach mla klar, dass ein Mensch beide Seiten haben kann. Du kannst kommunikativ und selbstbewusst sein aber es kann genausogut Situationen geben wo du dich lieber verkriechst, allein sein willst und keine Lust hast der spaßige Alleskönner zu sein.
Du bist beides und beide Seiten sind liebenswert und du hast es nicht nötig einen Teil von dir zu verstecken!

Du schreibst du wünscht dir eine Freundin, die dich dann so kennt und liebt wie du wirklich bist. Es liegt aber an dir anderen dein ICH zu zeigen. Es ist nie leicht jemanden so nah an sich heran zu lassen - jeder hat Angst vor Ablehnung. Aber ich finde einen Versuch ist es wert!

Alos versuch doch mal ehrlich zu sein und schau was passiert. Wenn du heimkommst und deinem Mitbewohner sagst der Abend war scheiße oder du erzählst deinen Eltern, dass du dich manchmal alleine fühlst in der fremden Stadt. Vielleicht bist du überrascht wie die anderen darauf reagieren. Vielleicht freuen sie sich auch einmal einen verletzlichen, menschlichen Zug an dir zu sehen und nicht imme nur den Superman!

Ich glaube auch dass Psychologie gar nicht so falsch für dich sein könnte, du scheinst viel über dich und andere nachzudenken. Ich fände es nur gut deine Gedanken und Gefühle auch mal mit jemandem zu teilen - du hast sie uns anvertraut das war schon mal ein wichtiger Schritt. Ich hoffe und denke es gibt in deinem Umfeld auch Leute, die es verdient haben die Chance zu bekommen dich wirklich kennen zu lernen.

Falls es dir weiterhin zunehmend schlecht geht - scheu dich nicht dir auch professionelle Hilfe zu holen - es gibt Beratungsstellen für Studenten oder frag mal bei einem Therapeuten nach einem Gesprächsttermin.

Alles Gute für dich!
Liebe Grüße
Monika