Problem von Anonym - 39 Jahre

Ich weiß nicht mehr weiter

Hallo,
ich schreibe hier das erste Mal, weil ich echt nicht mehr weiter weiß. Ich habe das Gefühl ich stehe mit dem Rücken an einer Wand und vor mir der Abgrund.
Ich versuche es kurz aber übersichichtlich zu schildern.
Ich hatte eine furchtbare Kindheit mit viel Gewalt seitens meines Vaters. Meine Mutter hat sich anfangs auf die Seite von uns Kindern(ich habe noch 2 Geschwister) gestellt und irgendwann, als ich mein eingenes Leben hatte , war sie nicht mehr für mich da. Ich hatte lange keinen Kontakt zu meinen Eltern, dann starb mein Vater. Seitdem hat meine Mutter wieder Kontakt, der so aussieht, daß sie ab und zu mal anruft. Aber wenn ich sie brauche ist sie nicht da.
Ich habe mit ca. 23 Jahren geheiratet und zwar wie sich später herausstellte einen Mann, der nur brutal war. Er hat geschlagen und zum Schluß mir sogar eine Waffe an den Kopf gehalten. Ich habe es geschafft ihn zu verlassen und mich scheiden zu lassen. Dann war ich eine Weile allein. Ich habe damals sogar Therapie gemacht. Ich lernte dann jemanden kennen, der sehr lieb war, anfangs. Als wir nach einer ganzen Weile zusammengezogen sind, fing auch er an zu schlagen. Er hat mir starke Verletzungen zugezogen. Ich habe ihn verlassen und konnte dann niemanden mehr vertrauen. Freunde hatte ich ja, aber die haben mir immer erst geglaubt, wenn sie die Wunden gesehen haben.
Es hat sehr lange gedauert, bis ich meinen jetzigen Mann kennengelernt und lieben gelernt habe. Er ist überhaupt nicht brutal, aber total eigensinnig. Er hat lange alleine gelebt und wurde von seinen Eltern gegenüber seiner Brüder immer als "Dummerchen" bezeichnet. Er hat lange gebraucht, bis ich ihn überzeugen konnte, daß er was wert ist. Wir haben uns ein gemeinsames Heim gesucht und haben geheiratet. Dann wurde er arbeitslos und es begann die Hölle. Er war abwechselnd depressiv, aggressiv und desinteresiert an allem. Ich konnt neben meiner Arbeit alles tun. Wir haben nur noch gestritten. Wir haben immer öfter über Trennung gesprochen. Aber irgendwie lieben wir uns noch. Na ja. Ich habe also, da er keine Geld mehr bekam uns alleine finanziert. Was natürlich meinem Kontostand ganz schön an die Nieren ging. Dann hatte er für 3 Monate Arbeit. Wir waren sehr zuversichtlich. Dann wurde ich leider schwanger und er wollte das Kind nicht. Es ist zu unsicher mit dem Job usw. sagte er . Also habe ich mich überreden lassen. Abzutreiben. Ich dachte es ist das beste, aber ich komm damit einfach nicht wirklich zurecht. Ich hatte mir immer ein Kind vor meinem 40. Lebensjahr gewünscht, aber ich habe es abgetrieben. Nun ist er wieder arbeitslos und es ist noch mehr die Hölle, als vorher. Er schreit nur noch herum, ist agressiv. Nicht gegen mich, aber gegen Möbel usw. Ich bin mittlerweile soweit, daß ich ausziehen möchte, aber ich kann nicht, da ich jetzt gar kein Geld mehr habe. Selbst mein Dispo ist erschöpft und meine Mann bekommt nur noch 1 Monat Geld. Ich zahle fas alles alleine. Ich war schon sooo verzweifelt, daß ich wirklich Selbstmordgedanken habe. Gott sei dank habe ich einen Hund , der mich braucht. Wenn der nicht wäre, wüßte ich nicht weiter. Ich merke nur einfach, daß ich mich gehen lasse, keinen Kontakt mehr zu Freunden suche und nur noch mich verkrichen möchte und weg. Aber ich kann nicht. Ich habe keine Kraft mehr zu streiten und kann einfach nicht mit ihm reden. Ich reagiere nun auch mal sehr empflindlich auf Aggression. Ich bin wirklich verzweifelt. Was soll ich tun?
Ich habe mir doch nur ein ruhiges Familienleben gewünscht. Was mache ich denn falsch? Bitte gebt mir einen Tip, wie ich durchhalte.
Ich bin eigentlich eine starke Person, aber ich merke, daß ich einfach keine Kraft mehr habe. Die Kraft, die ich noch habe, braucht mein Job und mein Hund. Aber wo bleib ich?
Ich danke euch sehr für euer Lesen, hoffe, daß ich mir ein wenig helfen könnt und hoffe auch sehr, daß ihr aus dem Geschriebenen erkennnen könnt, wie es mir geht.
Danke im Vorraus!

Anwort von Diarra

Hi!

Im Laufe seines Lebens wird fast jeder mit einem Selbstmordversuch oder einem Selbstmord konfrontiert, sei es in der eigenen Familie, im Freundes- oder Bekanntenkreis, sei es in Literatur, Film oder anderen Medien.

Die meisten Menschen haben übrigens schon selbst einmal die Möglichkeit in Betracht gezogen oder darüber phantasiert, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen.


Wer depressiv ist, fühlt sich i.d.R. niedergeschlagen und gedrückt. Dabei können Ängste der unterschiedlichsten Art und Intensität auftreten ? von einem mulmigen Gefühl bis zu Panikattacken. Je stärker die Depression wird, desto mehr können sich Verzweiflung, innere Leere, ja das Gefühl vollständiger Abgestorbenheit ausbilden. Wichtig ist, daß Depressive die Frage nach einer gedrückten Stimmung nicht unbedingt bejahen müssen.
Denke dir und deinem Mann geht es nicht anders. Eine Therapie für euch beide (zusammen "Partnertherapie" oder getrennt von einander) das sinnvollste wäre.


Früher war das Anwenden von Gewalt in der Erziehung üblich und gesellschaftlich akzeptiert. Kinder wurden und werden von ihren Eltern immer wieder zum Gehorsam genötigt, notfalls mit Gewalt. Früher galt das Sprichwort: "Wer nicht hören will, muss fühlen!" Autoritäre Erziehung war angesagt in fast allen Familien. Diskussionen waren früher nicht üblich. Heute enden Diskussionen, wenn man mit seinem "Latein" am Ende ist (Argumente, Erklärungen, Zuwendung, Geduld und Ruhe scheinbar nicht mehr helfen). Für viele Kinder war und ist deshalb eine Tracht Prügel etwas Selbstverständliches, so als gäbe es keine Erziehung ohne körperliche Strafen.

Gravierender als der körperliche Schmerz schlägt die seelische Demütigung zu Buche: Ohnmächtigkeit, Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein sind die Gefühle, die tiefe Narben nach sich ziehen. Angst und Panik ist damit der Weg geebnet. Das Kind mag denken: Weshalb nur haben die Menschen, die einen eigentlich lieben und schützen sollen, so etwas getan? Eine tiefe emotionale Verunsicherung tut sich hier auf. Etliche Menschen können selbst im Erwachsenenalter kein Vertrauen mehr zu anderen Menschen aufbauen. Sie fliehen vor festen Beziehungen und Bindungen, da sie Angst haben, eine Enttäuschung zu erleben. Mit tief greifenden psychischen Verletzungen, die zu einer Zerstörung des Urvertrauens führen, muss man rechnen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass durch körperliche und seelische Strafen nicht nur die Gesundheit, das persönliche Wohlbefinden, sondern auch das Sozialverhalten des Kindes und des späteren Erwachsenen nachhaltig negativ geprägt werden. Das Anwenden von Gewalt erscheint als Ausübung von Macht. Doch genauer betrachtet, ist dieses das Eingeständnis, ohnmächtig zu sein, zu nichts anderem mehr in der Lage zu sein, sich nicht anders helfen zu wissen.

Du hast genug gelittet, er soll sich gedanken machen, ob er dich möchte oder alleine besser klar kommt. Du musst das alles nicht ertragen!

Viel Erfolg... Diarra