Problem von Christoph - 22 Jahre

"Lottosucht"

Meine Überschrift ist vielleicht etwas verwirrend, denn im Grunde ist sie nur das Ergebnis meines Problems.
Ich bin unzufrieden mit meinem Leben, ich habe Angst vorm Leben.
Und ich weiß nicht warum. Objektiv betrachtet geht es mir gut.
Ich bin jetzt 22, habe einen super Freundeskreis, bin superglücklich mit meiner Freundin, verstehe mich gut mit meiner Familie.
Mein Problem ist eher das Geld. Ich bin sehr sparsam, Geld war mir immer wichtig.
Und wieder, objektiv kann ich mich nicht beschweren. Ich muss auf nichts verzichten, Urlaube, Auto etc, ich hab alles was sich viele Gleichaltrige erarbeiten müssen. Ich studiere noch und habe das große Glück, dass meine Eltern mir alles bezahlen. Ich kann ein ganz normales "Mittelschicht- Leben" führen. Mein Jurastudium macht mir Spaß, aber ich habe wie 99% der anderen natürlich Angst durchs Examen zu rasseln und später keinen Job zu kriegen. Das gibt natürlich niemand zu, Jura ist ein sehr "statusbewusster" Studiengang, was mich oftmals ziemlich ankotzt, da manche ziemlich schlicht sind, aber sich nie Sorgen machen müssen, da sie reiche Eltern haben.

Ich hab Angst, Angst davor nicht genug Geld zu verdienen. Mein Lebenstraum ist finanzielle Unabhängigkeit, seit ich mit dem Abi fertig bin lebe ich in diesem Zustand. Anfangs habe ich nur gelegentlich Lotto gespielt. Alle paar Monate, mittlerweile spiele ich fast jede Woche. Das Geld ist nicht mein Problem, ich spiele immer nur ein Kästchen, das kostet 2€ pro Woche, aber ich steigere mich da so rein.
Ich wünsche mir so sehr Millionen zu gewinnen, und endlich alle Sorgen los zu sein, dabei habe ich ja eigentlich keine Sorgen... Vor Klausuren sage ich mir mittlerweile schon, komm, das wird schon, vielleicht hast du ja auch gewonnen.
Ich kriege den Hintern nicht hoch, weil ich meinen Lottoschein immer im Hinterkopf habe. Von dem Geld würde ich mir nichts kaufen wollen, es würde mich aber so beruhigen, dass ich alles ganz entspannt angehen könnte, weil ich alles nur noch aus Spaß betreiben müsste. Mein Studium wäre dann quasi ein Hobby und ich müsste keine riesen Angst haben durchzufallen...

Ich nehme mir immer vor, anzufangen, aber immer wieder denke ich daran, dass ein kleiner Zufall ja so viel bequemer wäre. Kleiner Zufall... hahaha, ich weiß ja das ich nie gewinnen werde, aber dieser Gedanke "irgendwer gewinnt ja, das könntest auch du sein, und dann wär alles super".

Ich hab alles um ein sorgenfreies Leben zu führen und mir kommt es so vor, als würde ich diese Chance nicht nutzten. Ich bin einfach antrieblos und gebe mich der Illusion hin, dass ich eines Tages das große Los ziehe...

Und ich weiß einfach nicht, wie ich da raus kommen soll. Ich lerne zwar 2-3h am Tag, aber den Rest gehe ich meinen Hobbies nach. Ich kann mich auch nicht länger konzentrieren. Ich komme auch gut mit, aber ich weiß, dass das fürs Examen nie reichen wird. Ich würde so gerne 6-8h lernen, aber mir fehlt die Motivation. Ich weiß auch nicht was mit mir los ist, ich verstehe nicht, warum ich nicht einfach glücklich und zufrieden bin, mein bestes gebe und sehe was passiert...

Danke für eure Bemühungen

Christoph

Judith Anwort von Judith

Lieber Christoph,

Danke für Deine Zuschrift.
Ich kann gut versehen, dass Du Dir Sorgen machst. Finanzielle Sicherheit ist wichtig, und es ist gut, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen.

Aber ich denke, der Kern des Problems liegt bei Dir darin, dass Du Dir zu viel Druck machst. Du hast Angst davor, dass Du das Studium nicht schaffst. Auch wenn alles dafür spricht, dass dies NICHT der Fall sein wird, hast Du dennoch Angst davor und baust Dir einen scheinbaren Lösungsweg auf: Die Chance auf eine Million. Damit wäre das Problem gelöst: Du könntest ohne Druck („quasi als Hobby“) weiterstudieren. Was mich hier freut ist die Tatsache, dass Du NICHT sagst, „dann könnte ich das Studium hinschmeissen“, sondern die Million nur als Stärkung im Rücken, nicht als Alternative möchtest.

Im Grunde ist das, was Du machst, gar nicht schlecht! Du versucht, Dir diesen Druck zu nehmen, der durch die Kommilitonen, Professoren und vielleicht auch durch Deine Familie aufgebaut wird. Alle erwarten, dass Du das schon packen wirst. Deine Eltern unterstützen Dich sicher gern, aber mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass Du dann später umso besser dastehst: Finanziell abgesichert und mit guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Auch wenn sie nur das Beste meinen und wollen, baut das dennoch Druck bei Dir auf, nicht zu versagen.

Das kann schon einschüchtern und fast schon paralysieren. Dein Lottospielen ist in meinen Augen ein Ventil, Du baust Dir einen (leider unrealistischen) „contingency plan“, eine Alternative auf. Du entwirfst ein Fallnetz. Leider ist bei einer Chance von 1:1.000.000 (geschätzt – ich habe zum Thema Lotto gerade keine Statistik zur Hand) das Fallnetz ziemlich löchrig…

Was kannst Du nun machen?
Nun, ich denke, dass Du den im Ansatz guten Gedanken Dich abzusichern umlenken solltest. Statt Lotto zu spielen könntest Du Dir vielleicht einen Nebenjob in einer Kanzlei, an der Uni, oder in anderen Institutionen suchen. Da bist Du nah am Fach, schnupperst ein wenig in die Praxis, verdienst Geld und baust Kontakte auf. Das wird Dir helfen, wenn Du später einmal auf Jobsuche bist. Und Inhaltlich wird es Dich auch weiterbringen, ggf. auch Dein Interesse an der Materie stärken, so dass das Lernen leichter fällt.

Und, lieber Christoph: Selbst WENN Du es nicht schaffst Volljurist zu werden, gibt es immer auch Alternativen! Versuch, in Deinen Gedanken und Ansprüchen flexibler zu werden, ohne Dein Ziel aus den Augen zu verlieren. Es ist okay, Angst zu haben. Es ist okay, mal eine Klausur nachschreiben zu müssen. Und es wäre sogar auch okay, im 7. Semester zu merken, dass die Juristerei nichts für Dich ist. Das glaube ich zwar nicht (Du klingst, als mache Dir das Studium an sich schon Spass), aber wenn Du mit der Einstellung da heran gehst, dann wird das Lernen viel leichter.

Sollte Dich Dein Lottospielen verstärken, dann solltest Du allerdings wirklich Hilfe annehmen, denn daraus kann eine Spielsucht werden. Hier hast Du zu dem Thema ein paar Informationen:
http://www.spielen-mit-verantwortung.de/gluecksspielsucht/krankheitsverlauf/
http://www.spielsucht-forum.de/spielsucht-ursachen/

Ich wünsche Dir alles Gute.
Und ich wünsche Dir viel ERFOLG (nicht Glück) bei Deinem Studium. Denn Du hast es selbst in der Hand, und Du packst das sicher!

Judith