Problem von Anonym - 36 Jahre

Klammern? Verlustängste?

Hallo,
ich glaube ich habe ein Problem mit mir selbst.
Denke es sind Verlustängste. Weiß nur momentan nicht wie ich dagegen ankämpfen kann, bzw was ich tun soll.

Im Großen und Ganzen läuft bei mir alles gut. Job ok, Hobbys sind da, habe einen neuen Partner (seit 8 Monaten).
Ok, wie komme ich drauf, Verlustängste zu haben.
Folgendes:
Wen sich ein Partner mehrer Tage nicht meldet, dann werde ich wahnsinnig.
Denke immer gleich an das Schlimmste.
Hatten schon 3mal diese Situation. Dann reden wir drüber, er sagt er muss sich nicht abmelden wenn er mal seine Ruhe haben will, etc. Ja, stimmt... muss er nicht, verlange ich überhaupt nicht. Aber, wenn ich anrufe, Telefon ist mehrere Tage aus, dann mache ich mir Gedanken. Und nun denke ich , es war vielleicht zuviel. Ich liebe Ihn , er ist ein toller Partner... so wie ich es ir immer gewünscht habe.
Hatte vor ihm eine Beziehung die hielt 7 Jahre, und dort war ich immer die treibende Kraft. Und nun ist es eben anders. Wir fühlen uns in der Beziehung beide gleichwertig.

Aber dennoch habe ich einfach Angst ihn zu verlieren mit meiner Art und Weise.
Es gibt Tage da bekomme ich einfach so Heulkrämpfe und bin nur am grübeln.
Also denke ich es wird Zeit etwas zu ändern.

Es tut mir schon mal sehr gut, es einfach nur loszuwerden.

Vielleicht gibt es hier ja jemanden der ähnliches erlebt bzw durchgemacht hat und kann mir tipps geben. Danke!!!

Judith Anwort von Judith

Lieber Unbekannte,

Danke für Deine Offenheit – ich denke auch, dass es Dir schon sehr hilft, einfach mal alles aufzuschreiben und loszuwerden.

Ich verstehe, wie Du Dich fühlst. Du hast schon eine (oder vielleicht mehrere) Beziehungen hinter Dir und Deine guten und schlechten Erfahrungen gemacht. Du bist Mitte 30, stehst mitten im Leben und im grossen und ganzen läuft es gut. Job ist okay, Hobbies sind da, und „eigentlich“ ist Dein neuer Partner auch so, wie Du es Dir wünschst.

Es ist sicher eine Umstellung, wenn man einen Partner hat, der mehr Freiheit braucht, als man es von vorigen Freunden gewöhnt war. Und da ist jeder anders: Manche Paare gehen die totale Symbiose ein und sind seit Tag 1 der Beziehung nur im Doppelpack zu haben, andere wiederum führen fast eine Art Fernbeziehung, obwohl sie in derselben Stadt leben. Auch die Grenze zwischen „Interesse am Leben des anderen“ und „Kontrolle“ ist fliessend, und was als nettes Nachfragen gemeint ist, kann beim anderen schnell als Klammern ankommen.

Ich glaube, dass Du da schon das „Recht“ hast, Deinen Freund um mehr Offenheit und Kommunikation zu bitten. Du schreibst, dass ihr beide gleichberechtigt in der Beziehung seid – das ist schön, und so soll das sein. Aber Gleichberechtigung heisst nicht, dass keine Kompromisse und Zugeständnisse gemacht werden. Eine Beziehung ist mehr als ein „Du und ich parallel, und zusammen, wenn’s gerade passt“, sondern eine Beziehung ist ein „Wir“, und der Partner wird von Entscheidungen in Kenntnis gesetzt und bei grossen Dingen spätestens miteinbezogen.

Du musst Dich nicht für Deine Verlustängste entschuldigen. Ich glaube, dass Du auch nicht nur Angst hast, ihn zu verlieren, sondern vielleicht die Befürchtung mitschwingt, dass Du bei ihm nicht denselben Stellewert hast, wie er bei Dir? Versuch doch mal, in Ruhe mit ihm zu reden und ihm zu erklären, dass Du nicht kontrollieren willst, sondern nach 8 Monaten spätestens mehr in sein Leben eingebunden werden möchtest. Dass Dein Nachfragen nichts mit Eifersucht oder Besitzergreifen zu tun hat und dass Du ihm auch keine Vorschriften machen willst, sondern einfach Interesse hast. Und sag ihm, dass Dir das sehr wichtig ist – ihr seid schliesslich keine 18 mehr, und ich denke, dass Du auch die Zukunft mit ihm planen willst, nicht nur das nächste Wochenende. Und dass Du von seiner Seite aus da gern Zeichen hättest, dass er es genauso sieht.

Wenn er das nicht versteht, dann solltest Du Dir mal überlegen, ob Du Dich mit seiner „plötzlichen Stille“ über Tage anfreunden kannst, und ob alles andere so läuft, wie Du es möchtest und brauchst. Habt ihr dieselben Werte, gleichen sich Eure Ideen von Zukunftsgestaltung? Ist er wirklich der Traummann, so dass Du ihm dieses Manko verzeihen kannst, ohne zu sehr darunter zu leiden?

Kompromisse und aus dem „Du und ich“ ein „Wir“ machen ohne seine Identität aufzugeben – das sind die Dinge, die Ihr Euch überlegen solltet.

Ich wünsche Dir viel eigene Stärke, Kompromissbereitschaft, und Einsicht auf der Seite Deines Freundes.

Viele Grüsse,
Judith