Problem von Anonym - 27 Jahre

Magersüchtige Kollegin

Hallo ihr,

ich brauche mal einen Rat.

Ich bin seit einigen Monaten Teamleiterin. In meinem Team ist eine magersüchtige Kollegin. Warum ich das so direkt behaupte, erkläre ich hier:

Die Kollegin wurde im Sommer 2011 bereits magersüchtig in unserer Firma eingestellt. Damals noch in einer anderen Abteilung als Vertretung in Elternzeit. Ende 2012 wechselte sie dann zu uns in die Abteilung in mein Team.

Mir fiel von Anfang an auf, dass sie sehr sehr sehr mager ist. An ihr ist nichts dran, und ich übertreibe nicht! Sie isst nie was im Geschäft. Sie ist täglich 8,5Std im Geschäft und nimmt nur Wasser, schwarzen Kaffee und Zigaretten zu sich. Ab und zu mal ein zuckerfreies Bonbon.

Ich weiß von einer Kollegin aus unserer Abteilung, dass sie bereits wegen ihrer Magersucht in ärtzl. Behandlung war und dies nun wieder fortgesetzt wird. Diese besagte Kollegin hat sie offen darauf angesprochen. Nun hat sie mich in einer ruhigen Minute abgepasst mit mir direkt geredet, da ich ihre neue TL bin. Nicht, weil sie einen Appell an mich hatte ála „tu bitte was“, sondern einfach weil sie zunächst nur wissen wollte, wie ich sie so erlebe…und dadurch erfuhr ich, dass sie schon länger damit kämpft, schon in Behandlung war und nun diese Behandlung weiter fortsetzen muss.

Ich bin einfach sehr ratlos, was ich tun soll oder was richtig ist…

Ich bin faktisch der fachliche Ansprechpartner und Koordinator für das Team.
Ich bin schon ein bisschen ihre Vorgesetzte, und habe daher nochmal eine andere Rolle, als eine "normale" Kollegin.

Sie arbeitet gut, da gibt es keine Probleme. Daher könnte ich sagen: Solange sie gut arbeitet, ist alles i.O., rein geschäftlich. Und alles andere geht mich nichts an.

Aber dann kommt der „Mensch“ in mir durch… Denkt sie vielleicht, sie sei mir egal? Setze ich sie vielleicht total unbewusst durch mein „ignorieren“ ihrer Krankheit unter Druck..? Es mag doof klingen, aber solche Gedanken habe ich.


Ich frage meine Leute täglich, wie es ihnen geht - auch sie. Ich rede mit allen, auch über private Dinge. Aber ich finde, dass mich Krankheiten einfach nichts angehen. Heilen oder richtig helfen kann ich ihr nicht, das ist mir klar!

Aber...ich finde, dass ich (bzw. auch der Arbeitgeber) eine gewisse Fürsorgepflicht haben, oder? Gerade weil man sie damals schon SO eingestellt hat...?!

Ich würde ihr gern in einer ruhigen Minuten sagen "Hey, darf ich mal fragen, warum so sooo dünn bist? ...Falls du reden magst, sag Bescheid..!" Aber auch das ist schwierig! Ich habe Angst, dass sie sich vor den Kopf gestoßen fühlt. Und ich habe große Angst, dass sie komplett "dicht macht", wenn ich sie darauf ansprechen würde.

Denkt sie vielleicht, sie sei mir egal? Setze ich sie vielleicht total unbewusst durch mein „ignorieren“ ihrer Krankheit unter Druck..? Es mag doof klingen, aber solche Gedanken habe ich.

Für mich ist es einfach super schwierig. Ich will gar nicht so rüberkommen, dass ich ihr helfen will, wo ich einfach nicht helfen KANN. Aber vielleicht mag sie einfach mal reden, und weiß vielleicht nicht, dass sie das jederzeit kann, sofern sie will. Ich habe einfach manchmal das Gefühl, dass ich mich respektlos verhalte, weil ich es totschweige. Andererseits will ich es nicht zu meinem Problem machen... Ja, das mag paranoid sein…Und viel schlimmer: Ich habe einfach Angst, dass sie eines Tages heimgeht und morgen nicht mehr kommt.

Habt ihr einen Rat für mich?

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Du,

Es ist schön, dass Du Dir Gedanken um Deine Mitarbeiterin machst! Und ich kann Dir sagen, dass Du alles richtig machst!
Die Arbeit ist ein Bereich, der auch für Deine Kollegin/Mitarbeiterin eine Art "Normalbereich" ist! Wahrscheinlich wird sie sich mit ihrer Krankheit in der Freizeit oft und lange genug mit allen möglichen Menschen auseinandersetzen. Auch darin braucht ein kranker Mensch manchmal eine Pause. Eine Auszeit. Etwas "Normalität".

So wie Du es beschrieben hast, weiß jeder aus Deinem Team, dass er mit Dir reden kann. Und sie sollte nicht aufgrund ihrer Krankeit "etwas Besonderes" sein!
Weder im Positiven, noch im Negativen!
Ein "mehr" an Aufmerksamkeit, als Du den Anderen zukommen läßt, könnte zwei ganz gegensätzliche Auswirkungen haben:
entweder, sie "macht dicht", weil sie sich hier auch mal "normal" fühlen will.
Oder sie erfährt diese Aufmerksamkeit quasi als "Belohnung", die ihr entzogen werden könnte, wenn sie zunimmt?
Deine Zuständigkeit bezogen auf die Fürsorgepflicht als Führungskraft betrifft genau zwei Punkte:

- sorge dafür, dass sie nicht gemobbt wird!
- achte - wie bei allen Anderen - mit darauf, wenn es den Anschein hat, dass sie der Arbeit nicht mehr gewachsen ist. Dazu kannst Du Dir vielleicht einen Rat bei eurem Betriebsarzt holen?

Alles Andere, fände ich, entspränge zwar Deinem guten Willen! Aber wäre ein "Aufdrängen von Vertraulichkeit", die sie eher verstockt und notfalls noch kränker macht, als dass es ihr hilft!

Alles Gute,

Bernd