Problem von Lilly - 24 Jahre

Vom Chef nicht ernst genommen und Videoüberwachung

Hallo Kuka-Team.

seit März 2012 habe ich einen Arbeitsplatz als Berufsreiterin. Vorstellungsgespräch und Vorreiten war super, doch als ich dann anfing, durfte ich täglich zwei Überstunden am Tag machen. Das ging zwei Monate, bis ich es angesprochen habe, dann war es wieder gut.
Dann ging es aber weiter. Ich muss ihn siezen und mit Nachnamen ansprechen und er nennt mich Nuss und gibt mir andere Namen und das vor anderen Leuten. Angeschrien hat er mich auch schon und das so heftig, dass ich dachte, die Decke fällt mir gleich auf den Kopf. Leute waren dabei und so kannte ich es nicht mal von meinen Eltern, wenn ich als Kind was angestellt habe. Wenn Turniersaison ist und mein Chef bei Prüfungen antritt, komme ich als Helfer mit. Mache ich auch gerne, doch er hat es mir vermiest und es graut mir schon vor der nächsten Saison. Ich muss sofort springen, meckert sofort, wenn es ihm nicht schnell genug geht, ich darf nur ihn angucken und Befehle pampt er nur heraus. Fühle mich vor den anderen Leuten richtig mies. Wenn ich ein Brötchen Esse schickt er mich für eine Aufgabe los und isst dann selber erst mal genüsslich und ich muss meine Mahlzeit unterbrechen. Angesprochen habe ich das Ganze dann, aber das hatte ihn nicht interessiert und es ging so weiter.
Wenn ich ein Pferd reite und er mit einem Pferd hinzukommt, muss ich weichen, auch wenn ich auf der Seite, die Vorfahrt hat, bin, aber dass muss nicht nur ich. Am liebsten will ich immer aus der Reithalle dann raus, wenn er hinzukommt. Ich muss immer Rücksicht nehmen, aber andere tun es nicht bei mir. :(
Dann hängen bei uns drei Kameras in der Reithalle. Die Aufnahmen werden gespeichert. Mein Chef meinte, dass er dann sehen kann, wie er geritten ist und das Pferd lief. Jetzt kann man aber auch über das Internet auf die Kameras zugreifen (Live-Stream), das heißt, ich bin acht Stunden lang sogar im Internet zu sehen, während meiner Arbeit oder in meiner Freizeit, wenn ich mein eigenes Pferd reite. Die anderen Freizeitreiter werden auch beobachtet und gefilmt. Mein Chef meinte, dass er das für die Kunden gemacht hat, wenn die sich ein Pferd ansehen, aber nicht extra kommen wollen. Man erkennt aber nur, welches Pferd da geritten wird, wenn man die Tiere persönlich kennt. Es ist nur eine Schwarzweiß-Aufnahme. Man braucht einen Zugangscode zu dem Live-Stream, doch diesen verteilt er frölich. Ich habe den nicht und mir das Ganze mal mit einem Smartphone einer Person angesehen, die oft reinschaut und gesehen, dass beim Reitplatz draußen auch eine Kamera hängt, von der ich gar nichts wusste und die auch versteckt ist, denn gefunden habe ich sie nicht. Mein Chef guckt auch nach, was ich mache, wenn er fort ist und weiß es dann, dank der Kameras. Hinweisschilder, die auf eine Videoüberwachung hinweisen, gibt es auch nicht. Gefragt wurde ich nie, ob es für mich in Ordnung sei. Ich habe nichts zu verbergen, aber die ganze Zeit zu wissen, dass man beobachtet wird, finde ich nicht gut und hemmt mich auch, doch was mein Chef sagt ist Gesetz. Wenn einem was nicht passt, kann er gehen und ich brauche den Job.
Zudem werde ich gerne mal an meinem freien Tag zur Arbeit gerufen und ich muss dann Treffen, Vorhaben,... liegen lassen und arbeiten. Bekomme den Tag auch nicht wieder. Gut, ich arbeite dann keine acht Stunden am Tag, aber der Tag ist dann weg und meinen Freund sehe ich nur am Sonntag, wegen der Arbeit und wenn mir der Tag dann auch genommen wird... :(
Es ist schon schlimm, wenn man sich freut, wenn der Chef krank ist und seit 1 1/2 Monaten bin ich nur noch müde, will alleine sein und zweifel noch mehr an mir, als zuvor, obwohl ich den Beruf mit den Tieren gerne mag. Mein Freund bekommt das dann alles ab und es tut mir so leid. Manchmal will ich ihn gar nicht sehen, weil ich so fertig bin und er nicht sehen soll, dass es mich fertig macht. Hatte so eine ähnlichjpe Situation schon einmal, zu beginn meiner Ausbildung, habe mich durch den bekommenen Selbsthass geritzt und mit meinem damaligem Freund schluss gemacht, weil er mich nicht so sehen sollte und jetzt habe ich Angst wieder so zu werden.


Das war jetzt eine ganze Menge, aber ich kann sonst mit niemanden darüber reden.

Lilly

Dana Anwort von Dana

Liebe Lilly!

Das schneidet einem ja richtig in die Seele, wenn man das liest.
Ein sensibler Mensch (du) mit einer Vorgeschichte, bei der man sowieso etwas achtsam sein sollte, gerät an einen "Möchtegern-Imperator" (dein Chef).

Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten.

1. voll dagegen ankämpfen, denn es sind einige Dinge nicht so koscher. Mein Gerechtigkeitssinn würde das fordern, aber erstens bist du nicht ich und zweitens würde es wahrscheinlich nicht viel bringen, dich nur sehr viel Kraft kosten und du würdest danach sicher trotzdem bei 2. landen:

2. dich nach einem neuen Job umsehen und dort so schnell wie möglich kündigen.

Es kann hier eigentlich nicht darum gehen, deinen Chef zu ändern. Das wirst du nicht schaffen. Er ist, wie er ist. Er scheint schon viele Jahre so zu sein und damit durchzukommen. Es muss also darum gehen, wie du mit dieser Situation umgehst oder eben nicht mehr umgehst. Er beleidigt dich, er demütigt dich vor anderen, er schreit dich an, scheucht dich herum...das Arbeitsklima ist furchtbar, hat ja schon was von Schikane (zumal filmen acht Stunden am Tag absolut nicht korrekt ist und du zumindest dein Einverständnis hättest geben müssen) und DU leidest darunter sehr. Gerade, wenn du ein Mensch bist, der sich mühsam unter Selbsthass hervor gequält hat und nun endlich wieder Licht gesehen hat...das ist ganz gefährlich, dass du wieder unter diesen Hassteppich kriechst.

Dabei hast du das gar nicht verdient! Du klingst wie eine sehr sanftmütige Person, die jedermann eine Chance gibt und die eher zurück tritt, um anderen den Vortritt zu lassen. Sicher ist ein sehr gutes Auskommen mit dir möglich, du bist mit Sicherheit eine sehr faire und liebe Kollegin. Lass dir sowas nicht gefallen. Du bist MEHR WERT, als das, wie du da behandelt wirst.

Im Prinzip gibt es natürlich die Möglichkeit, einem Anwalt, der auf Arbeitsrecht spezialisiert ist, mal zu erzählen, was bei euch da abläuft. Der wird sicher nen Brief mit einer Liste schicken, was er deinem Chef ab nun mit Strafandrohung alles verbietet. Und dann? Dann ist das Betriebsklima völlig im Eimer und du wirst es da sicher nicht aushalten. Ob du dir vom Anwalt die Infos holst und es dann selbst probierst? Dann musst du wissen, ob du sowas aushalten kannst. Dein Chef wird nicht begeistert sein und wird wahrscheinlich verbal um sich schlagen. Ich kann dir zu diesem Schritt nicht raten, weil ich nicht weiß, wie du das schaffen könntest.

Mein Rat wäre hier tatsächlich, auch wenn das nach Flucht aussieht (was es nicht ist, es ist nur Selbstschutz! Und der ist wichtig!), dich neu zu orientieren. Auch da wäre sicher ein Gespräch mit einem Anwalt (Arbeitsrecht) am sinnvollsten, weil der dir deine Rechte erklären kann. zB ob du fristlos wegen dieser ganzen Sachen, die nicht ok sind, kündigen darfst (also zB dann, wenn du was Neues gefunden hast und anfangen willst), oder ob du ne Frist zwingend hast etcpp.

Auf keinen Fall solltest du dort lange weiter arbeiten. Es scheint dich seelisch total kaputt zu machen, du selbst schreibst, dass du in so ein Loch nicht mehr fallen willst, aber gerade dabei bist, dies wieder zu tun. Das muss doch in dir selbst alle Alarmklingeln entfachen. Sprich mit deinem Freund darüber, überlegt, ob ihr vielleicht auch eine Zeit der Arbeitslosigkeit von dir überstehen würdet. Überlegt, welcher Anwalt der beste für dich wäre, lass dir ein Erstberatungsgespräch geben und erkläre deinen Fall. Je mehr Infos du erhältst, desto sicherer wirst du selbst. Lass dich nicht rumschubsen, kämpfe weiter für dich und dein Seelenheil, bzw lass dir nicht mehr so einfach dieses Seelenheil (und deine Beziehung!) in Gefahr bringen. Auch wenn die Jobsuche vielleicht etwas anstrengend sein könnte, es ist sicher anstrengender, jeden Tag zu einer Arbeit zu gehen, die man so nicht mag, weil der Chef ein *** ist (ich hab mich mal selbst zensiert), die einen seelisch in die Tiefen zwingt und wo man einfach nur Fluchtgedanken hat. Und das...wie lang? Jahre? Nee!

Erkundige dich, informiere dich, sichere dich ab. Kläre mit deinem Freund alle Eventualitäten, sei ehrlich zu ihm, lass ihn dich unterstützen. Und dann geh das Problem an. Du hast es verdient, einen Beruf zu haben, der dich glücklich macht und der dir Spaß bringt. DAS...ist ja eher ein trauriger Zustand momentan. Und traurige Zustände sollten nicht allzulange an der Tagesordnung bleiben.

Alles Liebe - pack es an!

Dana