Problem von Maike - 18 Jahre

Selbstzweifel aufgrund des Vaters

Es fing alles schon im Kindergarten an:
während andere kinder nur für ein paar stunden im Kindergarten waren, wurde ich um 7 Uhr in den Kindergarten gebracht und um 17 Uhr abgeholt.
als ich dann zuhause war, haben sich meine Eltern nie mit mir beschäftigt, ich wurde lediglich vor dem Fernseher geparkt. Als ich dann in die schule kam, musste ich wieder bis 17 Uhr im Kindergarten zur Nachmittagsaufsicht bleiben. Das ging dann bis zur 3. klasse so. wollte ich dann mal nachmittags mit Freunden spielen oder sie besuchen, musste ich daheim sein, bevor mein Vater daheim war, sonst habe ich tierischen Ärger bekommen, da ich "ohne seine Erlaubnis" draußen war, obwohl meine Mutter es mir erlaubt hat. Als meine Noten am Anfang des Gymnasiums schlechter wurden, habe ich Verbote bekommen. Ich durfte von Montag bis Freitag kein Fernsehn schauen, mich gar nicht mit Freunden treffen, nicht mal ins Freibad gehen und auch nicht ins Internet. Diese "Ausgangssperre" habe ich mit 18 teils immer noch. Auch als sich meine Noten gebessert haben, war es nie gut genug für ein Lob. Ich habe von meinem Vater in 18 Jahren kein einziges Lob gehört. Ich werde bis heute fertig gemacht, wenn ich mal krank bin und nicht in die Schule gehen kann. Ich bin ein sehr pflichtbewusster Mensch und würde nie absichtlich schwänzen. Aber egal wie krank ich war, ich musste mich immer um meinen kleineren Bruder kümmern, ihn um 3 vom Kindergarten abholen, ihn zur Bushaltestelle begleiten, als er in die Schule ging und ich krank daheim bleiben müsste. Dafür musste ich auch soziale Kontakte vernachlässigen, mit der Begründung "ich muss auf meinen Brunder aufpassen" sogar am Wochenende. Seit einigen Jahren darf ich mir auch Sprüche wie : " wie schaust du denn aus ?" , " wie läufst du denn rum, schau dir deinen Freundinnen an, die sind immer schön gekleidet" "was hast du da für eine Spachtelmasse im Gesicht" , " Ess mal nicht zu viel" später auch " ess mal was" anhören. Als ich dann den Führerschein hatte, durfte ich mir auch nur anhören, dass ich nicht auto fahren kann. Mir wurden die anfangs 100€ Taschengeld grundlos gestrichen, mit der Begründung :" 50 bekommst du aufs Konto und den Rest wenn du ihn brauchst" , den Rest habe ich aber immer nur unter Streit bekommen und selbst dann nicht, wenn ich es gebraucht habe. Mein Vater hat mir sogar grundlos meinen Zimmerschlüssel weggenommen. Freunde besuchen, darf ich nur, wenn ich ihn vorher gefragt habe, natürlich erst, wenn er ab 5 von der Arbeit daheim war und selbst dann fand er immer Ausreden wie "es ist zu glatt "oder " es ist schon dunkel" und ich musste daheim bleiben. Meine Ausgangszeiten sind auch sehr streng festgelegt. Um 12.uhr muss ich daheim sein, selbst mit 18.
Die grundlos fehlende Liebe und die übermäßige Strenge haben mich sehr verletzt. Ich bin generell ein sehr sensibler Mensch und nehme mir Dinge zu sehr zu Herzen. Ich fühle mich unwohl beim Einkaufen oder Shoppen, da ich mir denke, ich werde angestarrt, da alle anderen eben besser, hübscher, klüger und schlanker sind. ich war seid 3 jahren nicht mehr im Freibad. ich werde gezwungen gegen meinen Willen etwas mit meinem Bruder zu unternehmen, es ist kein Bitten sondern ein Befehl. ich fühle mich wertlos und etliche Beziehungen sind schon daran zerbrochen. ich habe Zweifel, dass ich das Abitur schaffe, obwohl ich eine gute Schülerin bin. Ich weine oft allein in meinem Zimmer. Meine Mutter kann mir da auch nicht helfen, denn obwohl sie eindeutig die Besserverdienerin ist, traut sie sich nicht gegen meinen Vater zu argumentieren. Das "du bist wertlos" Gefühl, das er mir vermittelt, hat sich inzwischen so sehr in mein Gehirn eingebrannt, dass ich es als Wahrheit hin nehme. Ich trinke keinen Alkohol, schaue Drogen und Zigaretten noch nicht mal an. An welche Stellen kann ich mich wenden? Denn langsam schlägt mir der Stress schon auf die Gesundheit. Kann mein Vater mir mit 18 noch den Ausgang verbieten? Oder mir Vorschreiben wann ich daheim zu sein habe? Ein normales Gespräch nützt bei ihm nichts, da er ein ziemlicher Dickkopf ist. Was kann ich tun?

Judith Anwort von Judith

Liebe Maike,

Das klingt wirklich nach einer nicht so schönen Kindheit und Jugend. Ich denke, dass es Dir vielleicht schon geholfen hat, Dir mal alles von der Seele zu schreiben.

Ich kann Dir hier keine Rechtsberatung geben, aber soviel kann ich sagen: Du bist 18 und damit volljährig. Deine Eltern können Dir rein rechtlich nichts mehr verbieten, und wenn Du es möchtest, kannst Du auch ausziehen. Nun machst Du gerade Abi und verdienst noch kein eigenes Geld. Aber da kannst Du Dich beim örtlichen Sozialamt beraten lassen. Es gibt zB Schüler-BaföG. Vielleicht erkundigst Du Dich da einmal über die Möglichkeiten.

Du solltest da natürlich auch das Für und Wider genau abwägen, denn ein Auszug könnte zu Unstimmigkeiten und Streit führen. Auf der einen Seite möchte ich Dir natürlich dazu raten, Dich durchzusetzen und nach dem Lesen Deiner Zeilen denke ich, dass Dir eine gehörige Portion Selbstbewusstsein und Selbstbestimmtheit guttun würden. Ein Auszug ist da sicher eine Lösung.

Auf der anderen Seite stehst Du gerade kurz vor dem Abi. Danach wird ein neuer Abschnitt in Deinem Leben beginnen. Vielleicht ist es daher sinnvoller, wenn Du Dich noch eine Weile mit Deiner Familie arrangierst, und dann einen Neustart wagst. Vielleicht wäre ein Freiwilliges Soziales Jahr, ein Au Pair Jahr oder etwas anderes, was Dich in die Welt hinaus bringt, gar nicht schlecht, um Dir bei der Neuorientierung zu helfen.

Solltest Du noch zu Hause wohnen bleiben wollen, rate ich Dir, auch einman NEIN zu sagen. Du schreibst zwar, dass man mit Deinem Vater nicht gut reden und diskutieren kann, aber ich rate Dir, Dich dennoch durchzusetzen. Du bist 18, ein erwachsener Mensch. Deine Bedürfnisse und Wünsche sind gleichwertig mit denen Deiner Eltern. Nimm Dir Kritik nicht zu sehr zu Herzen, und höre auf DICH und DEINE Gefühle. Klar, Kompromisse gehören zum Zusammenleben. Aber eben beidseitig.

Hier noch ein paar Tipps zum Thema Aufbau von Selbstbewusstsein:
http://www.zeitzuleben.de/2228-selbstbewusstsein-und-selbstvertrauen-10-tipps/

Ich wünsche Dir alles Gute.

Viele Grüsse,
Judith