Problem von Malte - 16 Jahre

Sind das Depressionen?

Liebes KK-Team,
ich habe jetzt seit gut einem Jahr das Problem, dass ich das Gefühl habe Depressionen zu haben. Ich habe keine Lust mehr auf die Schule, ich werde von 10 Jungs gemobbt, da ich dick bin und auch eine Männerbrust habe. Im Sportunterricht höre ich sie immer tuscheln:" Guckt mal wie die Titten wackeln!" o.ä. Dazu wird mir immer an den Kopf geworfen, dass ich Schwul sei. Egal was ich mache, und sei es nur die Jacke zu berühren. Dazu kommt, dass ich trotz vieler Versuche es nicht schaffe abzunehmen. Ich schaffe es nur, wenn ich keine Schule habe- also in den Ferien-, da ich nicht in den Teufelskreis gelange: Ich werde gemobbt, was mich verletzt und esse.
Ich verkriech mich immer mehr in mein Zimmer und schließ mich von der Außenwelt ab. Dazu kommt, dass das Mädchen welches ich liebe mich nicht liebt bzw. vielleicht mich nicht mal doll mag.
Ich kann mich keinen anvertrauen, da keiner es versteht wie schwer das einfach ist. Ich habe versucht meine Ohren auf Durchzug zu stellen, was nicht klappte.
Ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Ich bin jeden Tag am Boden zerstört. Und es gibt einfach keinen der sich dafür Interessiert. Meinen Eltern/Familie möchte ich nichts sagen, da ich nicht will, dass sie ein anderes Bild von mir kriegen. Und bei meinen Freunden kommen dann Sprüche wie: "Dann treib doch mehr Sport oder so." Es interessiert sie nicht großartig und sie denken, dass das doch ganz einfach ist.
Ich kann einfach nicht mehr so leben und will es auch nicht.
Selbstmordgedanken hatte ich noch nicht große, aber es kommt immer mehr das Gefühl, dass ich denke ich muss aus meinen Körpern raus ich will wer anders sein!
Habt Ihr eine Ahnung was man da machen kann?
MfG
Malte

Florian Anwort von Florian

Hallo Malte


Beim Durchlesen Deines Problems habe ich mehrmals Parallelen zu meiner Schulzeit gesehen. Auch ich hatte das unerfreuliche Vergnügen aufgrund meines Gewichtes gemobbt zu werden. Es hat mich ebenfalls in den von Dir genannten Teufelskreis (Mobbing -> schlechte Gefühle -> Essen) getrieben und mich fast fertig gemacht. Allerdings lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen. Um diesen Durchbruch zu erreichen habe ich beim zweiten Glied dieses Teufelskreises angesetzt: die schlechten Gefühle.


Viele Menschen versuchen schlechte Gefühle, wie etwa Traurigkeit, Ängste oder Unzufriedenheit, zu ignorieren oder ihnen weiträumig aus den Weg zu gehen. Dabei lassen wir uns von einigen Vorschriften leiten, die uns unsere Gesellschaft oder unsere Erziehung weitergegeben haben. Dabei kommen dann solche uns prägenden Regeln zustande, wie etwa "sei immer gut gelaunt", "heul nicht rum" oder "lass dich nicht ärgern". Und das tun wir dann auch oder besser gesagt: Wir versuchen es.
Denn unsere Gefühle lassen sich nicht kontrollieren. Sie lassen sich unterdrücken, aber das hat seinen Preis: Je länger wir diese Gefühle ignorieren desto mehr staut sich dieses Gefühl für uns unbewusst und zeigt sich letztlich in einen Gefühlsausbruch, wie etwa einem Wutanfall bei Wut oder Depressionen bei Traurigkeit.

Diese Erkenntnis hilft beim Durchbrechen Deines Teufelskreises dadurch, weil es auch erklärt warum Du nach dem Mobbing zum Essen neigst. Denn das Essen ist hier eine Form der Ignorierung Deiner Gefühle. Du versuchst damit wortwörtlich Deine schlechten Gefühle herunterzuschlucken. Aber sie bleiben im Hintergrund und stauen sich immer weiter auf. Daher bist Du auch häufiger, wie Du es selbst berichtest, am Boden zerstört bis hin zum Wunsch einen anderen Körper zu besitzen.

Das was hilft diese Aufstauung zu lösen und eine neue zu verhindern ist Akzeptanz. Akzeptanz gegenüber Deinen schlechten Gefühlen. Du musst Dir selbst erlauben, wenn Du einmal wieder schlecht gelaunt bist, dieses Gefühl auch wirklich zu besitzen. Jedes schlechte Gefühl hat, genauso wie jedes gute Gefühl, seine natürliche Aufgabe. Ansonsten gäbe es keine Gefühle. Erlaube diesem Gefühl die ihm zustehende Aufgabe zu erfüllen, einfach indem Du das Gefühl, wenn es sich androht, kommen lässt und seine Wirkung entfalten lässt.
Das bedeutet nicht zwangsläufig die Kontrolle über sein Verhalten zu verlieren. Du musst auch nicht z.B. bei Wut oder Ärger gleich das halbe Möbiliar auseinandernehmen. Es bedeutet nur das Du Dein Gefühl annimmst und akzeptierst und die erlaubst dieses Gefühl zu verspühren.

Dadurch passiert folgendes:
Du wirst zufriedener und ausgeglichener. Soll bedeuten, dass Du weniger am Boden zerstört sein wirst. Zudem wirst Du, mit ein bisschen Übung und bis diese Methode unbewusst automatisiert von statten geht, das Mobbing bis es endet besser ertragen können. Schließlich, so paradox es sich anhört, sogar das Mobbing akzeptieren und gar nicht mehr davon beeinflussen lassen. Es hilft zudem dabei alle schlechten Gefühle nach und nach akzeptieren zu können und das Essen, um seine Gefühle zu betäuben bzw. runterzuschlucken, zu verringern.


Um die Methode auch in der Praxis anzuwenden kann es hilfreich sein, insbesondere zu Anfang, sich immer wieder gedanklich zu fragen: "Wie fühle ich mich gerade?". Auch die Frage "Akzeptiere ich dieses Gefühl oder versuche ich es zu ignorieren?" ist hilfreich, um sich der eigenen Gefühle bewusst zu werden. Wenn Du Dir beide Fragen während oder unmittelbar nach einem Mobbing stellst, ist es zu Anfang wichtig Dir selbst in Gedanken noch zu sagen: "Ich akzeptiere dieses Gefühl und weiß das dieses Gefühl eien Aufgabe zu erledigen hat". Diesen Satz kannst Du auch bei allen anderen negativen Gefühlen anwenden, die Du versuchst zu ignorieren oder anderweitig als mit Akzeptanz zu begegnen.
Ganz am Anfang ist es natürlich noch recht schwer. Aber mit der Zeit und mit Übung kannst Du diese Methode in der Praxis immer einfacher anwenden. Später wird es sogar ganz unbewusst ablaufen und Du wirst automatisch entsprechend handeln und Deine Gefühle automatischer annehmen können. Aber das benötigt Zeit und Übung.


Passend dazu währe zudem eine Methode, wie Du Dein Essverhalten auf natürliche Weise regulieren kannst und damit nicht nur das Gewicht halten, sondern auch noch abnehmen kannst. Gerade zu Beginn der oben genannten Methode wird sie hilfreich sein. Es baut darauf auf, dass Du immer wenn Du davor bist Dir etwas zu Essen zu holen, etwas zu bestellen oder zu kochen einfach nur eine Frage stellst: "Versuche ich gerade ein schlechtes Gefühl zu betäuben oder habe ich wirklich hunger?". Sobald Du ersteres bejahst, denke an die Akzeptierung des Gefühls. Dann verlässt Du die Küche, das Restaurant oder den Essensstand ohne Essen und kümmerst Dich um wichtigeres.



Ich habe beide Methoden selbst immer angewandt. Mich ärgert nun wenig und wenn, dann nicht so sehr um mich aus der Bahn zu werfen. Ich bin in meinem Gefühlsleben relativ ausgeglichen und selbst Situationen in denen ich negative Gefühle erwarten kann, kann ich nun meistern. Auch mein Gewicht hält sich konstant. Und ich bin mir sicher: Dir wird es ebenfalls so ergehen wenn Du die Methode anwendest.

Einen Lichtblick habe ich für Dich noch am Ende: Jedes Mobbing hat sein Ende. Spätestens wenn Du eine Ausbildung beginnst oder sonst irgendwie in das Berufsleben einsteigst oder vielleicht sogar das Studieren anfängst, ist dieses Mobbing pase. Denn nicht nur Du wirst dann erwachsener, auch die Menschen um Dich herum. Selbst Menschen die Dich dann früher gemobbt haben, werden es dann unterlassen.
Und nach so ungefähr 5 Jahren wirst Du einmal an Deine Schulzeit zurückdenken und Dich kurz fragen was das nicht alles für Idioten waren und dann werden Dir doch nur wieder die besseren Erinnerungen an die Schulzeit einfallen.


Ich wünsche Dir viel Erfolg mit dieser Methode, wenn Du sie anwenden solltest.

Wenn Du irgendwelche Fragen dazu hast, Anmerkungen oder einfach nur ein Update geben willst, dann schicke mir eine Nachricht. Dazu verwendest Du die gleiche Eingabenmaske wie beim Einreichen Deines Problems, mit der Kategorie "Feedback" sowie unter Angabe meines Namens, dann kann ich direkt darauf reagieren.


Alles Gute

Florian