Problem von Niko - 17 Jahre

Über das was man kann und das was man von wirklichen Herzen will.

Hey Leute,

ich würde mich am liebsten umbringen. Einfach dafür das ich so gnadenlos
blöd bin.

Jeder sagt zu mir: "Boah, du kannst so schön zeichnen...
Wow, du spielst so wunderbar Gitarre.
Du bist so handwerklich begabt... Du bist so intelligent und
hast so phänomenale Gedanken...."
Bullshit! Ich wollte das nie so! Ich habe es nur getan weil ich zu nichts
anderen fähig bin und war.

Ich will Hochleistungssportler sein!
Ich habe vor etwas längerer Zeit mit Kampfsport angefangen,
war wunderbar. Aber irgendwann kam der Zeitpunkt an dem ich erkennen musste das ich der größte Loser bin der da rumläuft.

Ich brauche extrem lange um Techniken zu lernen, und im allgemeinen...
bin ich der ewige Verlierer. Ich krieg da NICHTS auf die Reihe!
Jeder lernt schneller als ich, jeder hat bessere Bewegungen als ich und
JEDER hat effektivere Techniken.
Ich kann so nicht mehr. Gester auch spielerischer Freikampf gegen einen
ANFÄNGER der länger Pause gemacht hat. Ich hatte keine Chance...
Wofür habe ich dann so lang und oft trainiert?
Ich weiß es nicht.

Fakt ist, ich bin einfach nur unfähig, unfähig etwas auf die Beine zu stellen.
Einfach nur zu bekloppt um sich nen wirklich großen Wunsch zu erfüllen.
Ich kann aufs zeichnen verzichten, auf Musik und was
Gott/ das Universum etc. da immer auch oben herrscht von mir verlangt.

Kennt ihr das Gefühl wenn einem etwas so das Herz zerkrümelt das man es
auch am gleichnamigen Muskel merkt? Jaa... so schauts aus.
Ich will auch aussteigen, aber damit würde für mich eine Welt zusammenbrechen und letztendlich breche ich mir auch selbst damit das Genick.

Ich hoffe das kommt durch, vielen Dank euch...

PS: Was sagen die Trainer/Meister dazu?:
"Nimm dir nicht alles so zu Herzen. Habe einfach Spaß daran!
Du würdest so gut sein wenn du dir nicht andauernd einen Kopf darüber machen würdest. Du schaffst es zu den besten der Besten zu gehören."

Ich habe ihnen geglaubt. Ihnen und ihren Aussagen.
Aber jetzt muss ich der Wahrheit einfach ins Auge sehen.
Ich weiß nicht was ich tun soll.
Also schreib ich hierher.

Dana Anwort von Dana

Hallo, Niko.

Bevor ich näher antworte, möchte ich dir eine selbst erfundene Geschichte erzählen, die mir einfiel, als ich dein Problem las. Lies sie durch und werte sie nicht als "kindisch" ab, denn das ist sie nicht.

In einer Stadt lebte ein Mann. Er war wohlhabend, hatte ein wunderschönes Haus, Freunde, eine liebe Familie, zwei tolle Hunde, die gut erzogen zu ihm aufschauten und ein Leben, das ihn ausfüllte. Nicht nur das Geld stimmte, auch war er in vielen Dingen hoch geschätzt. Man mochte ihn und oftmals wurde er sogar heimlich bewundert.

In seiner Freizeit war er in seinem Garten anzufinden. Dieser war von einer schönen Größe und es wuchsen einige schöne Pflanzen in ihm. Er war gut in Schuss und man blieb dort gerne stehen und schaute sich alles an.
Neben dem Grundstück des Mannes und seiner Familie stand ein kleineres Haus mit einem kleineren Garten. Lange wohnte dort keiner darin, doch dann stand der Umzugswagen vor der Tür und ein Mann zog ein. Wochen und Monate vergingen, man machte sich bekannt und lebte nebeneinander her, wie das normale Nachbarn halt taten.

Der Frühling kam und beide Männer waren in ihrem Garten. Sie grüßten sich und arbeiteten ansonsten nebeneinander her. Beide Gärten gediehen prächtig...doch eines Tages kam der Mann in seinen Garten und sah zufällig über den Zaun...und erstarrte. Sein Nachbar hatte etwas...da in der Mitte...
In der Mitte des nachbarlichen Gartens wuchs ein wundervoller orientalischer Baum. So etwas hatte der Mann noch NIE gesehen. Es war...perfekt. Es war die Schönheit in fassbarem Glanz...und er wollte unbedingt auch so etwas besitzen. Er sprach seinen Nachbarn an und dieser erzählte ihm, dass er diesen Baum aus einem Samen selbst gezogen hatte. Der Mann erbat sich flehentlich auch so einen Samen, welchen ihm der Nachbar gerne übergab.

Der Mann pflanzte sogleich diesen Samen ein...und wartete. Er beachtete jegliche Pflegeanweisung...und tatsächlich, da kam ein Trieb. Doch irgendwie...seine Pflanze wuchs nicht so schön wie die seines Nachbarn. Der Mann war bald nur noch bei seinem kleinen Bäumchen anzufinden. Stunde um Stunde, Tag um Tag...er ließ es nicht aus den Augen, haderte laut, dass es nicht wuchs, schaute neidisch zum Nachbarn hin...sein Herz schmerzte, weil er diese Pflanze nicht so wundervoll gedeihen sah wie die des Nachbarn. WIESO schaffte er es nicht, wo er doch einen "grünen Daumen" hatte?? Was machte sein Nachbar, was er nicht machte??

Wochen und Monate gingen ins Land...und aus der kleinen Pflanze wurde wirklich ein winziges Bäumchen. Lange nicht so groß wie das des Nachbarn, aber dennoch ein Bäumchen. Doch der Mann war ein einziges Nervenbündel und dann kam der Tag, an dem er voller Wut schreiend den Topf mit dem Bäumchen gegen eine Wand warf, so dass das Glas nebendran aus der Zimmertüre splitterte, sich aufs Sofa schmiss und losweinte. Er weinte lange. Voller Mitleid mit sich selbst und voller Zorn, dass das, was er sich vorgenommen hatte, nicht so klappte wie bei seinem Nachbarn.

Als er aufhörte zu weinen, sah er zufällig zum ersten Mal seit langer Zeit wieder hinaus in den Garten. Alle Pflanzen waren verdorrt. Tot. Sein Garten, den er so gepflegt hatte, war komplett verrottet, während der Garten seines Nachbarn blühte und gedieh.

Als er sich völlig fassungslos wieder herum drehte, sah er seine kleine Tochter in der zerbrochenen Tür stehen.
"Papa...?"
"......Ja............."
"Du, guck mal...ich hab eine Zahn verloren..."
"Was...wie...."
"Schau, da...da oben!"
Und sie zeigte auf eine große Lücke zwischen ihren kleinen weißen Zähnen.
Der Mann begann zu zittern.
"Aber...du bist doch...du bist doch erst viereinhalb..."
"Nein, Papa...ich werde morgen sechs..."

Und er fühlte eine eiskalte Hand sich um sein Herz pressen.

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Ich könnte dieser Geschichte jetzt noch ein Ende verpassen, eine "Moral der Geschichte"...aber ich denke, du hast mich verstanden.

Du bist ein Mensch, in dem viel blüht und gedeiht. Mehr als in manch anderem Menschen. Und weil du dich auf etwas versteifst, dass du unbedingt willst und in dem du unbedingt perfekt sein willst, schmeißt du alles andere über den Haufen. Du schaust mit einer Verachtung auf deine gegebenen Talente, welche ein Geschenk sind...und das alles nur, um im Kampfsport andere zu besiegen.

Dein Leben besteht aus tausenden Facetten. Aus Familie, deinen Freunden (du hast welche, es gibt Menschen, die haben keine), deinen Fähigkeiten, deiner Klugheit...und das alles scheint dir nichts wert. Du kanzelst es ab und sagst BULLSHIT. Du sagst, du willst nicht mehr leben. Alles sei nichts wert. Du bist der ewige Verlierer.

Ganz ehrlich?
Du wirst der ewige Verlierer sein, wenn du nicht siehst, was wirklich wichtig ist. Ja, es ist ein Herzenswunsch von dir, im Kampfsport gut zu sein. Deine Trainer sagen dir, dass du gut werden wirst, wenn du es etwas lockerer und nicht so verbissen angehst. Du bezeichnest sie als Lügner.

Ich würde mir fast wünschen, dass dir dein Wunsch wenigstens mal kurz erfüllt würde. Du wärst der absolute Meister im Kampfsport, kaum einer würde dir irgendwie das Wasser reichen können. Dafür wäre dein IQ niedrig, eine Gitarre ein Fremdkörper, du hättest keine Freunde, keine wirkliche Familie, würde man dir ein Blatt Papier geben und einen Stift, wüsstest du nichts damit anzufangen...aber hey, du wärst ein Held im Kampf. Vielleicht für ein paar Jahre, bis man dann nicht mehr kämpfen kann. Wie bei jedem Leistungssport.

Und dann wäre dein Leben reich? Ich glaube nicht.

Ich weiß, bisher klingt es so, als würde ich dich für einen undankbaren Fatzke halten, der nicht wertschätzen kann, was er im Leben hat. Dem ist nicht so, denn es passiert, dass man sich an Ideen festbeißt und dann den Blick für alles andere verliert. Wenn man Pech hat, geht dann sogar alles den Bach runter.
Und davor will ich dich bewahren, Niko! Ich will dich aufwecken!

Durch diese Verbissenheit geht der Spaß an allem verloren...die Sicht auf die Dinge leidet, du tunnelst und es wird so passieren, dass alles um dich herum leidet, weil du dich nicht mehr kümmerst/kümmern willst.
Du hast viel geschenkt bekommen UND du hast einen Traum. Und deine Trainer sagen, du kannst ihn umsetzen, wenn du aufhörst, dich wie ein Wilder nach oben zu peitschen. Ruhe und ein offener Blick...eine kontrollierte Hand, ein kontrollierter Arm...das alles gehört zu diesem Kampfsport dazu...und eine gewisse Demut vor der Sache. Und das alles fehlt dir meiner Meinung nach noch ganz immens.

Lerne schätzen, was du hast, lerne dich erstmal selbst kennen. Finde deine Mitte und das, was dich wirklich ALLES ausmacht. Setz dich mit deiner Gitarre hin, zusammen mit ein paar Freunden...spiele...genieße. Nimm deine Geschenke an und tritt sie nicht mit Füßen, nur weil da noch ein anderer Traum ist, den du auch leben möchtest. Und du wirst merken, dass du dann auch im Kampfsport besser wirst, weil du als Einheit kämpfst und nicht als "innerer Kriegsschauplatz".

Sieh dich...finde dich.

Ich wünsche dir dafür alles Gute.

Dana