Problem von Larissa - 14 Jahre

Kurz vorm Selbstmord (2.Versuch)

Hallo,
Erstmal großes Respekt an das, was ihr hier leistet. Ich hoffe, ich bekomme dieses Mal eine Antwort, ich kann nicht mehr, ich weiß nicht, was ich innerhalb der nächsten Zeit tun werde...
Mein Problem/ meine Probleme ist/sind folgende/s:
Es hat alles damit angefangen, das meine Mutter angefangen hat Drogen zu nehmen und Alkohol, bis sie nicht mehr konnte. Es ging bis zum Koma-Saufen, einmal hätte sie es fast nicht mehr überlebt. Die Ärzte haben ihr eine Chance von 5% zugerechnet, doch sie schaffte es. Dann lernte sie meinen Vater kennen und ich kam auf die Welt. Doch ich war nur ein Versehen, ein Unfall, und wurde vernachlässigt, bin einmal fast in der Badewanne ertrunken, mir wurden Zigaretten an den Armen ausgedrückt und ich bin einfach allein gelassen worden. Der Zustand meiner Mutter verschlechterte sich immer mehr, sie began sich selbst zu verletzten (ich benutze das Wort 'ritzen' nicht gerne) und versuchte sich selbst umzubringen, hatte 24h Depressionen, war einfach am Ende. Sie hatte mehrere Therapien, alle abgebrochen, oder geflohen. Mit ca. 3Jahren bin ich vom Jugendamt da rausgeholt worden und kam zu meinen Großeltern, wo ich aufgewachsen bin. Dennoch habe ich immer darunter gelitten, wenn sich meine Oma und meine Mutter schlimm gezofft hatten, nun meldet sie sich kaum noch, manchmal weiß ich nicht, ob sie überhaupt noch lebt. Mein Dad hat seine eigene Familie gegründet und ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm, treffe ihn auch ca. 1x pro Monat. Doch meine Mutter...dann ist auch noch mein Opa, der für mich wie ein 2.Vater war schwer krank geworden. Mehrere Wochen des Zitterns, ob er überleben wird, oder nicht. Er schaffte es, aber er hatte eine Gehirnblutung, und ist stark verwirrt, kann kaum noch gehen. Wir haben ihn bei uns zuhause, und ich muss mich viel um ihn kümmern, obwohl wir eine Pflegekraft haben. Diese versteht aber vieles, was sie machen soll nicht, da sie aus Rumänien kommt und nur wenig Deutsch kann. Ich leide sehr darunter, und begann dann vor einem halben Jahr mich selbst zu verletzten (Arme und Beine aufschneiden, Nägel bis zum Fleisch runterreißen, schließlich habe ich mir HATE in die Haut geschnitten. tief rein.), da ich mich so schuldig fühle, wie es meiner Mutter jetzt geht. Noch dazu kommt plötzlich diese Aggresivität und dieser unbegründende Hass. Auf einmal habe ich mich nicht mehr unter Kontrolle und weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich habe Angst vor dem Neuen und kann mich schlecht mit jemandem anfreunden. In Menschenmassen fühle ich mich total unwohl. In mir herrscht nur noch Hass, Trauer und Verzweiflung, keine Freude und kein Spaß mehr. Ich habe meine Lebensfreude verloren.. Ich habe Langweile und kann mich nicht mehr konzentrieren, in der Schule bin ich total abgesackt. Dann habe ich plötzliche Stimmungswechsel und oft Depressionen. Oft denke ich schwarz-weiß, was heißt, ich teile alles in 'Gut und Böse' ein.Ich weiß nicht, wie ich enden werde, und habe Angst, wie meine Mutter zu werden. Ich weiß nicht, bin ich krank, habe ich irgendeine psychische Störung, oder ist da s alles nur die Pubertät?! Schließlich habe ich es meiner besten Freundin anvertraut, das ich mich selbst verletze, dann hat sie mich einfach nicht mehr beachtet und stehengelassen. Sie hat sich von mir weggesetzt, und seitdem habe ich mich nur noch verstellt, und war sehr in mich verschlossen. So habe ich alle meine Freunde verloren. Ich vertraue keinem mehr, ich will nicht mehr reden, nicht mehr leben. Ich spreche kaum noch, will einfach nur noch alles beenden. Ich bin hässlich, dumm und unnütz auf dieser Welt. Ich habe versucht, mir die Pulsader aufzuschlitzen, mein ganzer Arm war blutverschmiert, aber ich habe es nicht geschafft alles zu beenden. Ich war zu schwach. Schwach und unnütz, so kann man mich beschreiben.

Bitte helft mir, ich kann nicht mehr, und weiß nicht, zu was ich in den nächsten Tagen fähig sein werde. Bitte.

Grüße, Larissa.

Michaela Anwort von Michaela

Liebe Larissa!

Ich danke dir, dass du es zum zweiten Mal mit uns versuchst und ich hoffe, dass sich das Warten gelohnt hat.
Ich habe deine Email bereits gestern unter all den Zuschriften gefunden und musste erstmal über meine Antwort nachdenken. Denn das, was du schreibst, ist wirklich erschütternd. Niemand sollte sich so fühlen müssen, wie du dich fühlst.
Zunächst einmal möchte ich dir sagen, dass du nicht für das Glück deiner Mutter verantwortlich bist. Und du musst dich wegen ihr auch nicht schuldig fühlen. Deine Mutter hat in ihrem Leben schon viel mitgemacht. Drogen, Alkohol, Entzug, Therapie. Ihr Leben war sicherlich nicht einfach, aber als sie dich bekommen hat, hätte sich bei ihr ein Schalter umlegen müssen. Sie hätte erkennen müssen, dass du all ihren Schutz, ihre Fürsorge und vor allem ihre Liebe benötigst, um groß und erwachsen zu werden. Das ist ihr leider nicht gelungen. Du darfst dich aber deshalb nicht schuldig fühlen! Denn DU bist daran auf keinen Fall Schuld. Du musst dich jetzt ganz auf dich konzentrieren und alles tun, damit es dir bald wieder besser geht. Und ich möchte dir dabei gerne helfen, so gut ich kann.
Das selbstverletzende Verhalten, das du beschreibst, ist ein Zeichen dafür, dass es deiner Seele sehr schlecht geht. Und das ist auch kein Wunder, bei dem was du mitgemacht hast. Aus diesem Grund bist du auch oft aggressiv und empfindest Hass auf alles und jeden. Das hat auch nichts mit der Pubertät zu tun. Hierfür musst du dir Hilfe holen! Das ist sehr wichtig, weil man in den meisten Fällen alleine keinen Ausweg findet.
Ich habe dir einige Links rausgesucht, die dir vielleicht weiterhelfen:

http://www.rotetraenen.de/?main=main&sub=index
http://www.selbstverletzung.com/html/body_selbsthilfe.html

Hier findest du Tipps, wie du selbstverletzendes Verhalten vermeiden kannst. Schau dir die Seite mal in Ruhe an, vielleicht ist etwas für dich dabei.
Ansonsten kann ich dir nur ganz dringend eine Therapie ans Herz legen. Es ist wichtig, dass du deine Probleme mit einem Profi aufarbeitest. Auch wenn du momentan nicht reden willst, du musst dich überwinden und dich den richtigen Menschen öffnen. Bei deiner besten Freundin bist du damit gescheitert, das ist wirklich schlimm. Aber lass dich davon nicht runterziehen! Wenn sie dir in einer solchen Situation nicht beistehen kann oder will, lass sie laufen, so schwer das auch ist. DU bist wichtig und was sie macht ist erstmal Nebensache. Ich weiß nicht, inwieweit du mit deinem Vater oder auch deiner Oma über diese Probleme reden kannst. Zu deinem Vater hast du ein gutes Verhältnis, schreibst du. Bitte ihn um ein Treffen und erzähle ihm von deinen Sorgen. Ich bin mir sicher, dass du bei ihm auf mehr Verständnis treffen wirst, als du jetzt erwartest. Du schreibst zwar, dass du niemandem mehr vertraust, aber das fühlt sich im Moment nur so an, weil du in einem verdammt schwarzen Loch sitzt und im ersten Augenblick keinen Ausweg mehr siehst. Aber das ist nicht so! Du kannst noch vertrauen; uns hier beim Kummerkasten hast du ja auch Vertrauen entgegengebracht, indem du uns geschrieben hast. Das ist sehr gut und es zeigt, dass du dich noch nicht aufgegeben hast. Du bist den ersten Schritt also schon gegangen, als du uns geschrieben hast. Jetzt musst du nur noch einen kleinen Schritt weiter machen. Vertrau deinem Vater oder auch deiner Oma, sie werden dir helfen. Falls du das partout nicht willst, wende dich an deinen Vertrauenslehrer in der Schule. Es gibt bestimmt irgendeinen Erwachsenen in deinem Leben, den du magst und dem du schlussendlich vertrauen kannst. Hab keine Scheu und sprich diese Personen an! Sie werden dir auf dem weiteren Weg helfen und dich stützen.
Hilfe bei der Therapiesuche findest du z.B. auch beim Jugendamt oder auch bei deinem Haus- bzw. Jugendarzt. Hier kannst du dich auch jederzeit hinwenden.
Wenn der Druck sich selbst zu verletzen wieder einmal zu groß wird, kannst du dich auch jederzeit hierhin wenden:

Kinder und Jugendtelefon – Nummer gegen Kummer e.V.
Tel. 0800 – 1110333
Hier kann man montags – samstags von 14.00 – 20.00 Uhr kostenlos und anonym anrufen.
Rund um die Uhr ist dagegen die Telefonseelsorge besetzt, da kann man also zu jeder Tageszeit anrufen:
Tel. 0800-1110111 oder Tel. 0800-1110222

Ich bitte dich wirklich, nicht aufzugeben! Man findet für jedes Problem eine Lösung und ich weiß, dass du stark genug bist, um diese ganze Sch* zu überstehen. Du bist nicht wie deine Mutter und du wirst auch nicht wie sie werden. Du hast einen viel stärkeren Charakter als sie. Du hast erkannt, dass du Probleme hast und hast dir hier bei uns Hilfe gesucht. So etwas kann nur ein starker Mensch, der sich noch nicht aufgegeben hat. Du bist sehr mutig, auch wenn du das momentan nicht so siehst. Und ich hoffe wirklich, dass du diesen Mut und diese Stärke nutzt und dir Hilfe suchst.
Du hast es nicht geschafft, dir die Pulsadern aufzuschneiden. Aber nicht, weil du schwach bist, ganz im Gegenteil! Du bist zu stark, um einfach aufzugeben, und das ist ein sehr gutes Zeichen, auf das du stolz sein kannst. Halte daran fest und konzentriere dich auf deinen Mut und deine Stärke, du hast mehr davon, als du im Moment glaubst.
Ich hoffe wirklich, dass dich diese Mail erreicht und du nicht irgendwelche Kurzschlusshandlungen vornimmst. Ich möchte hier wieder von dir hören!

Alles erdenklich Gute für dich und bis bald,
Micha