Problem von Anonym - 16 Jahre

Komme einfach nicht weiter

Hallo.

Erst mal vielen Dank, sollte sich das jemand durchlesen.

Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Na dann wohl einfach mittendrin.
Zum einen bin ich bereits 16 Jahre auf diesem Planeten und habe die letzten Jahre irgendwie verschwendet. Mit jedem Tag der vergeht wird das Gefühl stärker, dass ich mein Leben irgendwie verpasse. Es ist nicht so, dass mir langweilig wäre oder ich keine besonderen Interessen hätte – im Gegenteil – mich interessiert alles und jeden. Ich liebe Musik, spiele zwei Instrumente richtig (also mit dem Ziel einen gewissen Grad an Perfektion zu erreichen) und noch zwei nur zum Spaß, treibe viel Sport und so weiter. Aber egal was ich mache und egal für wie sinnvoll ich es halte, ich habe niemals ein Erfolgserlebnis, weil ich doch vielmehr hätte schaffen müssen. Auch wenn das jetzt so klingen mag, das alles liegt nicht an einer völlig übertriebenen Erwartungshaltung an mich, sondern einfach nur daran, dass ich unter dem permanenten Stress stehe, vor der Zeit davon rennen zu wollen.
Zum anderen bin ich einsam. Ich weiß, es klingt ziemlich pathetisch, wenn ich sage, dass es nicht am Alleinsein an sich liegt, sondern dass ich einfach aus tiefster Seele einsam bin. Aber ich weiß es nicht anders auszudrücken. Sicherlich spielt der Selbstfindungskram da eine Rolle – wie soll ich mich öffnen und anderen mitteilen bzw. mich öffnen für das Wesen anderer, wenn ich selbst kein Gefühl zu mir habe. Ich kann mich nicht ausdrücken/auf irgendwas reagieren usw. und dabei denken, „das bin ich“, „so reagiere ich, weil meine Persönlichkeit so und so ist“. Aber das ist mir wichtig! Ich bin so wie ich jetzt bin nicht authentisch. Der Begriff der Selbstfindung ist oft so gering gehalten irgendwie, dabei bedeutet er so viel: Mit mir ins Reine zu kommen, Selbstbewusstsein, Selbstachtung, Verantwortung für mich, meine Gedanken und mein Handeln zu übernehmen und so weiter und so weiter. Ich werde mal von einem Erlebnis erzählen. Ich war eine Woche lang krank, heißt, ich lag eine Woche lang weitgehend isoliert von anderen im Bett und habe praktisch kaum etwas anderes gemacht, als mich „bei mir aufzuhalten“. Weiß nicht, ob man sich da jetzt groß was drunter vorstellen kann. Den Tag danach war ich glücklich. Also wirklich glücklich! Mit allem was dazu gehört! So habe ich mich ewig nicht mehr gefühlt. Dabei bin ich eigentlich ein glücklicher Mensch. Ein Mensch, der sich über „Kleinigkeiten“ sehr freut und neugierig offen auf die Welt guckt.
Nur was auch immer ich erreichen will, es ist so wie es jetzt ist kaum möglich. Ich bin chronisch müde und erschöpft, seit drei Jahren. Ich habe vergessen wie es ist, wach zu sein. Keiner weiß warum. Wenn ich Glück habe bzw. wenn ich es schaffe, werde ich nächstes Jahr mein Abi machen. (Ich will da unter keinen Umständen noch ein Jahr länger bleiben) Ich kann oft nicht schlafen, sodass ich von morgens 8 bis 4 mit Kopfschmerzen in der Schule sitze. Ich fühle mich dumm. Wenn ich jetzt gerade auf den Boden gucke verschwimmt er vor meinen Augen. Wäh. Fühle mich ganz komisch, wenn ich so „rumheule“.
Auf den Punkt gebracht, mich macht es fertig, dass ich jetzt schon lange auf demselben Fleck stehe und keinen Schritt weiter komme! Ich aber auch nicht weiß, was ich tun kann, damit sich irgendwas ändert!
Einfach nur über Gedanken zu Allem würde ich mich wahnsinnig freuen!

Liebe Grüße .....

(meinen Namen bitte nicht veröffentlichen)

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte,

Du schreibst:

"Mit jedem Tag der vergeht wird das Gefühl stärker, dass ich mein Leben irgendwie verpasse."

Es liegt wohl an dieser Welt! (Stichwort: "Reizüberflutung".)

Je mehr ich heute hätte lesen, sehen, hören, erleben können: um so mehr werde ich wohl verpassen?
Geht es wirklich darum, dieser Welt gerecht werden zu müssen?

Ich könnte! Ich sollte! Ich müsste! Ich will!

Das ist eine Steigerung der ganz anderen Art! Eine (nicht grammatikalische!) Steigerung, der wir uns viel zu oft unterwerfen:
Steigerung unserer Erwartungshaltung! Immerwährender Abgleich mit dem, was uns medientechnisch zugänglich (aber selten zuträglich) ist!

Was z.B. bedeutet für Dich, ein Instrument zu beherrschen?

Für mich würde es bedeuten, wenn Du Deine Gefühle so über das Instrument musikalisch ausdrücken kannst, dass Du selber nicht anders kannst, als zu weinen!

Kannst Du weinen, wenn Du über eines Deiner Instrumente über Deine "Einsamkeit" musizierst?
Hast Du Dir schon mal mit einem Deiner Instrumente "die Seele aus dem Leib" gespielt?

"Zum anderen bin ich einsam. Ich weiß, es klingt ziemlich pathetisch, wenn ich sage, dass es nicht am Alleinsein an sich liegt, sondern dass ich einfach aus tiefster Seele einsam bin."

Meinst Du dieses Gefühl, Dich inmitten all Deiner Freunde einsam zu fühlen? Ist das vielleicht ganz anders, wenn Du nur 1 oder 2 von denselben Freunden um Dich hast und Du Dich wirklich gut mit denen unterhalten kannst? Z.B. auch über eben dieses Thema?

" wie soll ich mich öffnen und anderen mitteilen bzw. mich öffnen für das Wesen anderer, wenn ich selbst kein Gefühl zu mir habe. Ich kann mich nicht ausdrücken/auf irgendwas reagieren usw. und dabei denken, „das bin ich“, „so reagiere ich, weil meine Persönlichkeit so und so ist“. Aber das ist mir wichtig!"

Wenn Du wirklich gerne Musik machst: lerne die Sprache, Dich darüber auszudrücken! Aber begreife auch, was Du damit anrichten kannst: Mein Sohn hatte mal ein Lied geschrieben, in dem sich sein "Alter" wiedergefunden hat. Und hat mich danach nicht mehr verstanden :-)
Titel: feather in the Wind.

Eine Bemerkung von Dir mußt Du mir noch erklären:
" Ich (habe) eine Woche... praktisch kaum etwas anderes gemacht, als mich „bei mir aufzuhalten“. ---. Den Tag danach war ich glücklich."

Den Tag danach? Heißt das, dass Du glücklich warst, Dich nicht mehr "bei Dir aufzuhalten"?
Oder (was ich hoffe), dass Dir die Woche "mit Dir selbst" genau das gebracht hatte, wovon Du schreibst:
"dabei bedeutet er so viel: Mit mir ins Reine zu kommen, Selbstbewusstsein, Selbstachtung, Verantwortung für mich, meine Gedanken und mein Handeln zu übernehmen und so weiter und so weiter."

Das richtig zu verstehen ist mir sehr wichtig! Deshalb kann ich Dir leider erst ausführlich antworten, wenn die Frage geklärt ist.

Wirst Du mir die Frage beantworten?

Alles Liebe,

Bernd