Problem von anonym - 20 Jahre

schwere Entscheidung

Liebes Kummerkastenteam,

Ich war nun über ein Jahr in Therapie und es hat mir sehr gut getan, doch jetzt nimmt mich meine Therapeutin nicht mehr weiter, weil sie sagt, dass sie mir nicht mehr helfen kann und dass es keinen Sinn mehr macht. Das war ein riesen Schock für mich, da ich dachte, dass ich Fortschritte mache. Sie hat mir ans Herz gelegt, dass ich nun endlich einen stationären Aufenthalt machen soll, das möchte sie mir auch schon einige Zeit vermitteln, jedoch war das Abitur erstmals an erster Stelle. Sie hatte mir jedoch auch schon immer gesagt, dass sie mich nur bis zum Abitur nimmt, weil sie der Meinung ist, dass ich einen stationären Aufenthalt machen muss.

Ich möchte lieber versuchen alles entweder allein hinzubekommen oder mir einen anderen Therapeuten suchen, der sich auch besser zu meiner Problematik auskennt. Gleichzeitig hatte ich mich meiner Therapeutin zu Liebe um einen Klinikplatz bemüht und bei dem sie mir Vorgespräch klar gemacht haben, dass sie mich nur in die Essstörungsgruppe aufnehmen. Für mich steht die Magersucht, die nicht mehr so schlimm ist, nicht an erster Stelle. Meine Diagnose ist Borderline, jedoch kann ich mich damit auch nicht 100% identifizieren. Okay, das mit den Diagnosen ist eh eine Sache für sich und für mich nicht relevant. Nur sagen andere und ich selbst, das eine DBT-Klinik besser wäre als eine wegen Essstörung, da dort alle Themen bearbeitet werden würde. Bei mir sind die Themen Selbsthass, Suizidgedanken, Selbstverletzung, Ängste, Magersucht und ein unverarbeitetes Trauma.

Meine Frage an Euch nun, hättet ihr irgendeine Idee, wie ich die Entscheidung lösen könnte, da ich nun den Klinikplatz in der Essstörungs-Klinik absagen müsste? Meine Pro und Contra Liste hat mich leider nicht weiter gebracht. Hat jemand Erfahrungen mit einem stationären Aufenthalt? Wie kann ich mir die Angst vor einem Klinikaufenthalt nehmen? Kann ich nach 50 Verhaltenstherapiestd, die laut meiner Therapeutin nicht erfolgreich waren, nochmal einen ambulante Therapie anfangen, die die Krankenkasse übernimmt? Ich habe gehört, dass es nur geht, wenn die Therapie fehlgeschlagen ist, was bei mir ja vll der Fall ist, oder dass es nur in einer anderen Therapieform geht, wie z.B. Psychoanalyse? Hättet ihr sonst noch irgendwelche Tipps oder Ideen, ich zerbreche mir seit Wochen den Kopf darüber. Sonst fallen mir Entscheidungen nie so schwer.

Vielen lieben Dank im Voraus!!!

Carmen Anwort von Carmen

Liebe Unbekannte,

vielen Dank, dass du dich an uns wendest. Ich finde es toll, wie viele Gedanken du dir um deine Therapie machst. Das zeigt, dass es dir wirklich ernst ist. Die Aussage deiner Therapeutin ist nicht besonders aufmunternd, aber wenn sie dir einen stationären Aufenthalt empfiehlt, ist das wohl wirklich das Beste. Eine ambulante Therapie kannst du danach immer noch fortführen. Jetzt wo du dein Abitur hast, ist der ideale Zeitpunkt, um ohne Verluste in Schule oder Studium in eine Klinik zu gehen. Eine stationäre Therapie ist viel effektiver und ich kenne niemanden, der einen Aufenthalt bereut hat. Ich kann dir keine Auskunft geben, ob die Krankenkasse noch eine ambulante Therapie übernimmt. Da rufst du dort am besten an oder schickst einen Brief.

Auch wenn die Esstörung für dich nicht mehr im Vordergrund steht, musst du es akzeptieren, wenn Kliniken dich nur in diese Gruppe aufnehmen wollen. Das bedeutet nicht, dass andere Themen nicht bearbeitet werden. Ist die Magersucht nicht akut, bekommst du nur eine Essbegleitung an die Seite und es wird darauf geachtet, dass dein Gewicht konstant bleibt. Die Klinik entscheidet sich so, weil in anderen Kliniken oder Therapieformen niemand so genau auf deine Ernährung achtet, und die Gefahr von Gewichtsverlust (der die Therapie dann gefährdet) besteht. Die Suizidgedanken und all die anderen Probleme werden in Therapiestunden aufgearbeitet. Sie werden in einer Esstörungsklinik nicht in den Hintergrund rücken! Genau diese Situation habe ich schon miterlebt, die Esstörung stand bei einer Bekannten eigentlich hintenan und war im Griff, trotzdem hat die Esstörungsklinik ihr sehr geholfen. Du musst wirklich keine Angst vor einer Klinik haben. Ich selbst habe zwar keine Erfahrung, aber viele meiner Bekanten und auch gute Freunde haben nur Positives berichtet. Sie haben sich dort sehr wohl gefühlt und sind viel weiter gekommen. Alle haben höstens bereut, wie spät sie sich dazu entschlossen haben! Ich habe wirklich noch nichts schlechtes über einen stationären Aufenthalt gehört. Vielleicht hilft es dir, wenn du dir bewusst machst, dass du dort nicht eingesperrt bist. Du kannst immer gehen. Mach dir auch bewusst, wie viele Leute das vor dir schon geschafft haben. Schreib dir eine Liste mit den Zielen, die du erreichen willst und deiner Motivation für die Klink. Mach dir klar, warum es sich lohnt, die Angst zu besiegen. Nimm dir schöne Musik und gute Bücher oder ein paar Serien mit, um dich zuhause fühlen zu können.

Du solltest dich wirklich nicht allzusehr auf die Diagnosen stützen, ich kann aber dein Argument mit der DBT-Klinik verstehen. Vielleicht kannst du mal in einer solchen Klinik anrufen und nach einem Platz fragen? Auch falls du auf der Warteliste stehen würdest, können sie dir bestimmt relativ schnell sagen, ob du in Frage kommst. Falls die dich wegen der Magersucht nicht nehmen, bleibt die Esstörungsklinik. Und da solltest du dann auch hingehen!
Natürlich ist es eine schwere Entscheidung, aber ich rate dir wirklich zu einem stationären Aufenthalt. Ich bin mir sicher, dass du das packst und glücklich sein wirst, dich überwunden zu haben. Die Pro und Contra Liste ist natürlich eigentlich eine gute Idee, aber wenn sie dich nicht weiterbringt, entscheide dich für das, was deine Therapeutin und andere dir raten. Sprich doch auch nochmal mit deiner Therapeutin über die DBT Klinik und warum du an der Esstörungsklink zweifelt. Sie wird dir bestimmt noch genauer erklären können, wie die Therapien aussehen und was im Vordergrund steht. Außerdem kann sie dir ein wenig die Angst nehmen und dir Mut machen.

Ich wünsche dir alles Gute, vielleicht bekommst du ja noch ein paar Feedbacks mit persönlichen Erfahrungen.
Du kannst uns gerne nochmal schreiben!
Carmen

P.S. Entschuldige die 2 Mails, ich hab mich verklickt beim freischalten.