Problem von Anonym - 21 Jahre

Selbstmordgedanken/sexsucht

Hallo liebes kukateam,

ich habe beschlossen zu sterben. Die Entscheidung, die ich vor 4 Jahren schon hätte treffen sollen. Mein Leben besteht nur noch aus ritzen und sex... Sex seit ca. 3 Monaten, täglich. Reingerutscht bin ich durch ne Freundin die sm betreibt.
Mich hat das fasziniert. Ich habe angefangen erst mal mich zu informieren und fand die Idee dominiert und erniedirigt zu werden immer besser. Ich tat es nach dem ich die Geschichte der O gelesen habe schließlich. Ich habe bei meiner letzten Mail wo es nicht um das Thema ging keine Antwort bekommen, davor aber immer gute und nette Antworten und bevor ich mich umbringe möchte ich noch einmal Hilfe. Ich bin zur zeit in einer Klinik für Borderline und habe schon 1 Monat von 3en geschafft, sehe aber noch keine besserung. Jetzt hab ich weil ich mich schließlich anvertraut hab, dass ich sexsüchtig bin 9 Tage roten Ausgang statt die erhoffte Hilfe. Gestern hat ich deshalb halt auf dem Klinikklo meinen "Spaß" mir tut noch immer alles weh aber hey ich kann mich spüren aber das kann nun wirklich nicht der Lebenssinn sein oder? Bin ich Nymphomanin? Wie halt ich es aus ohne sex. Wo bekomme ich wirkliche Hilfe und nicht nur Augangsperren, die nichts bringen?

Ich muss jetzt zur Gesundheitsgruppe thema alkohol! Was auch ein Thema bei mir ist. Ich hab mich an einem Sonntag so betrunken, dass ich beim pusten 1,6 Promille hatte und erst mal 7 Tage Ausgangsperre beka, die ich schon brav abgesessen habe.

Ich will nicht mehr leben? Aber ich habe Angst vor dem tod! Was würdet ihr mir raten...

Bitte antwortet mir diesmal - das ist kein peanut das ist ernst und kein fake

Alles Liebeund danke fürs durchlesen

Pia Anwort von Pia

Liebe Unbekannte,
schön, dass Du so viel Vertrauen in uns hast und nochmals geschrieben hast. Tut mir Leid, dass Du auf Deine letzte Nachricht keine Antwort mehr bekommen hast, ich dachte, dass sich alles ganz gut anhört und Du nun schon in der Klinik bist.
Das was Du jetzt schreibst hört sich jedoch leider nicht mehr danach an und nun bekommst Du auch schnell eine Antwort und ich hoffe, ich kann Dir ein bisschen helfen.

Du hast hier schon eine breitgefächerte Problematik beschrieben und nun ist möglicherweise noch die Sexsucht dazugekommen. Das ist alles nicht leicht für Dich und auch frustrierend. Man ist, wenn man durch andere Krankheiten aus der Balance gekommen ist, leider auch auch sehr anfällig für andere Störungsbilder. Wobei es auch ein Thema bei der Boderline-Persönlichkeitsstörung ist, welches Du aber sehr deutlich erlebst. Ich habe das Gefühl, dass Du nun schon seit vielen Jahren einem enormen Leidensdruck ausgeliefert bist und durch Sex endlich einmal Befriedigung und Spaß erlebst und zu Dir kommst. Das könntest Du dann sogar als eine Ressource betrachten und wenn Du Sadomasochismus bevorzugst, dann ist das nicht schlimm. Du solltest jedoch versuchen immer die Kontrolle zu behalten und Dich nicht in gefährliche Situationen zu bringen. Außerdem wäre es gut, Dir noch weitere wohltuende Ressourcen zu suchen. Nun weißt du eine und weißt daher, dass es noch Dinge gibt, die Dir Spaß machen und dass Du sie finden kannst. Wenn Du mehrere Ressourcen hast, dann kannst Du sie auch ausgewogen nachgehen und musst nicht in das Extreme übergehen, das gilt auch für Deinen Alkoholkonsum. Ich würde nochmals ernsthaft mit Deiner Therapeutin darüber reden und ihr auch die Problematik dabei schildern und ihr wirklich klar machen, dass Du Du Hilfe brauchst und dabei nichts Böses möchtest. Ich finde es sehr bedauernswert, dass Du bis jetzt nur auf Ablehnung gestoßen bist.
Hier findest Du auch noch weitere Informationen über das Thema:
http://www.sexsucht-familienhilfe.info/?cat=1
http://www.anonyme-sexsuechtige.de/ (auch Tipps zur Selbsthilfe)

Eines muss Dir jedoch klar werden, bei all Deinen Problemen. Du hast nur die Gefühle Deiner Erkrankung und nicht, dass Du das Gefühl bist. Viele denken, dass sie Borderline sind und geben sich damit selbst auf, jedoch ist das nicht richtig. Ich habe den Eindruck, dass Du schon aufgegeben hast gegen Deine Krankheit anzukämpfen. Es kann sein, dass die Klinik nicht die Richtige ist, wenn Du Dich so unwohl fühlst und Du die Tage nur noch zählst. Ich würde Dir raten, Dich auch einmal bei den anderen Patienten zu erkundigen, ob sie die selben Probleme haben und eventuell die Klinik wechseln. Wobei Du bedenken solltest, dass es relativ normal ist, dass man einen Monat zum Eingewöhnen braucht. Mir fallen spontan drei ganz gute Kliniken ein, das wäre die Schlemmerklinik (wobei die sehr ausgebucht ist), die Uniklinik in Freiburg und in Priem am Chiemsee. Die haben meines Wissens einen guten Ruf.

So wie Du schreibst bist Du gerade wirklich an die Stelle angekommen, an der Du für Dich keine Kraft mehr hast und keine Hoffnung mehr siehst. Du stellst alles in Frage und möchtest nur noch sterben. Ich interpretiere Deine Schreibweise und Dein Alkoholkonsum auch so weiter, dass Du Dich der Klinik widersetzten möchtest. Ich kann mir gut vorstellen, dass Du eine riesen Wut auf all die Therapeuten und Leute in der Klinik hast. Gerade hast Du Deiner Krankheit mehr Platz gegeben sich zu entfalten und möchtest nur Deine Ruhe und gegen Regeln und Konzepte rebellieren. Das ist ganz natürlich und ich kann Dich da auch verstehen.
Stell Dir vor, Du hast zwei Anteile in Dir. Den hellen Anteil, der gegen die Krankheit kämpfen möchte und sehr fleißig und immer stark ist. Daneben existiert noch der dunkle Anteil, der auch mal schwach sein will, der Wut zeigt, der Dich in den Wahnsinn treibt und Dir den Tod wünscht. Welcher nun gut und welcher schlecht ist, sollte nicht hinterfragt werden. Beide Teile sind da und das ist auch gut so, denn Du solltest beide respektieren. Es ist auch wichtig, dass Du beiden Teilen Raum gibst. Eine optimale Balance wäre, wenn der helle Teil in dir mehr Kraft hätte und der dunkle da ist und nicht unterdrückt wird, jedoch unter Kontrolle gebracht wird. Wenn Du zum Beispiel Entscheidungen treffen musst, dann darfst Du auch gerne einmal den dunklen Teil in Dir fragen, denn der weiß sehr viel über Dich, was Dir auch hilfreich sein kann. Oder wenn Du eine belastende Situation hast, dann darfst Du auch mal Schwäche zeigen und den dunklen Anteil in Dir sprechen lassen. Wie gesagt, wäge immer gut zwischen diesen beiden Anteilen ab und schau, dass beide ihren gewissen Raum bekommen. In Deiner Situation scheint mir, dass der dunkle Teil in Dir gerade zu viel Macht bekommt und Du ihn nicht mehr unter Kontrolle hast. Denn eigentlich möchtest Du Deine Probleme in den Griff bekommen, Du möchtest Hilfe und Du möchtest fleißig daran arbeiten gesund zu werden. Vielleicht hast Du lange Deinem dunklen Anteil zu wenig Platz gegeben und nun hat er Dir den Krieg erklärt. Versucht jedoch wieder den dunklen Teil unter Kontrolle zu bekommen, denn ich weiß Du kannst es schaffen und dann wird es Dir wieder besser gehen.

Es gibt immer gute Zeiten und weniger gute Zeiten. Erst Recht wenn man so wie Du unter einem enormen Druck und Leidensgrad steht. Versuche auch hier zwischen diesen Phasen eine gewisse Balance herzustellen. Ich stelle mir das wie ein Pendel vor. Es pendelt immer zwischen den Phasen hin und her und wenn es mir einmal nicht gut geht, dann habe ich dennoch die Gewissheit, dass es auch wieder auf die gute Phase pendeln wird. Du befindest Dich gerade in der weniger guten Phase und nun solltest Du schauen, dass Du wieder ein wenig Kraft sammelst und auf die gute Phase pendelst. Ich weiß es braucht viel Kraft, aber wenn Du es möchtest, dann kannst Du es schaffen.
Viele Patienten sind der Auffassung, dass wenn sie in die Klinik gehen, dass dann alles gut wird, ohne dass sie viel dafür machen müssten. Doch das ist leider nicht richtig. Man ist oft sauer auf die Therapeuten und fragt sich, warum noch kein Fortschritt deutlich wird. Jedoch muss man es selbst erkennen, dass man sich nur bessern kann, wenn man selbst richtig aktiv wird. Die Therapeuten sind in diesem Prozess nur Begleiter und Ratgeber, aber die eigentliche Arbeit muss man leider selbst machen. Das musst Du Dir nochmals ins Gedächtnis rufen. Das fühlst sich sehr hart an, aber wenn man sich das klar macht und dann selbst die nötige Motivation an den Tag legt, dann kann man es schaffen. Ich kann verstehen, dass Du frustriert bist von viele Rückschlägen. Doch lass Dich bitte nun nicht entmutigen. Du bist schon so weit gekommen und kannst auf Dich stolz sein. Gib jetzt bitte nicht auf. Es gibt noch so viele schöne Dinge im Leben, die alle von Dir erkundet werden möchten und Du bist noch jung und kannst so vieles noch bewegen. Du möchtest doch gesund werden und Dein Leben selbstständig führen, Du möchtest möglicherweise mal eine Familie und auf andere Kontinente reisen und viele Hobbys ausprobieren. Die Welt steht Dir offen und Du bist auf dem besten Weg um gesund zu werden, bitte gib nun nicht auf. Versuche Dir auch ein Lebensmotto zu gestalten, dass Du Dir immer in negativen Phasen sagen kannst. Eine Anregung wäre: „Wieso soll ich mich jetzt schon umbringen? Ich kann noch so viel versuchen und erleben. Wenn es nicht klappt, kann ich mich ja dann immer noch umbringen“. Also wieso versuchst Du nicht noch einige Dinge? Du hast nichts zu verlieren!

Ich möchte Dir auch noch die Grundannahmen der DBT schicken, falls Du sie noch nicht kennst:
1. Patienten versuchen, das Beste aus ihrer gegenwärtig verheerenden Situation zu machen.
2. Patienten wollen sich verbessern.
3. Patienten müssen sich stärker anstrengen, härter arbeiten und stärker motiviert sein, um sich zu verändern, dies ist ungerecht.
4. Patienten haben ihre Probleme in der Regel nicht alle selbst verursacht, aber sie müssen sie selber lösen.
5. Das Leben suizidaler Borderline-Patienten ist so, wie es gegenwärtig gelebt wird, in der Regel unerträglich.
6. Patienten müssen neues Verhalten im relevanten Kontext erlernen.
7. Patienten können in der DBT nicht versagen.
8. Therapeuten, die mit Borderline-Patienten arbeiten, brauchen Unterstützung.
9. Der therapeutische Kontext sollte so gestaltet sein, dass dysfunktionales Verhalten gelöscht und funktionales Verhalten verstärkt wird.

In der Regel arbeiten Kliniken mit diesem Konzept. Du siehst an 3. und 4., dass Du nicht Schuld an Deinen Problemen bist, aber Du musst sie leider trotzdem selbst bekämpfen. Dazu brauchst Du sehr viel Kraft und Motivation. Mir gefällt an dieser Formulierung, dass es bedeutet, dass es ungerecht ist. Im Grunde ist es das nämlich und ich spüre bei Deinem Schreiben, dass Du genau dagegen rebellieren möchtest. Ja es ist ungerecht und richtig schwer und hart für Dich. Daher brauchst Du noch mehr Motivation. Ich hoffe, dass Du dadurch erkennst, dass es wirklich so ist und dass Du auch mal schwach sein darfst, aber dass Du auch siehst, dass es unbedingt notwendig ist, dass Du absolut motiviert bist. Denn Du machst es nicht für irgendwelche Therapeuten oder die Familie zu Hause. Du machst das nur für Dich und Du kannst es für Dich schaffen.
Denke auch an die Regel 7., denn Du kannst nicht scheitern, Du musst keine Angst haben.

Borderline war früher verurteilt dadurch, dass es nicht heilbar wäre, doch nun stimmt das nicht mehr und Du kannst es echt gut in den Griff bekommen. Es gibt eine Reihe von Büchern über Borderline auch über Selbsthilfe und Ursachen etc. Für Deinen Fall würde ich Dir gerne ein Buch empfehlen. Es heißt „Gesundung ist möglich – Borderline-Betroffene berichten“. Es handelt von einigen Patienten, die ihre Erkrankung nun in den Griff bekommen haben. Du könntest möglicherweise dadurch ermutigt werden, wieder anfangen zu kämpfen und außerdem findest Du bestimmt Parallelen zu den Betroffenen und fühlst Dich nicht mehr so einsam mit all Deiner ganzen Problematik. In diesem Link wird das Buch kurz vorgestellt:
http://load.doccheck.com/de/load.php/shp/1/cl/download/fid/b4c4d64f222485bb2.17231061/name/BAL-0015-0001_gesundung_ist_moeglich_inhalt.pdf

Ich hoffe, dass Du wieder mehr Motivation schöpfen kannst und versuchen kannst selbst an Dir zu arbeiten. Ich möchte Dir noch eine Idee vorschlagen. Du kannst es alleine machen oder auch mit Deinem Therapeuten zusammen. Halte Dich jedoch auch an die Anweisung und lass Dir Zeit bei der Bearbeitung. Ich möchte Dir auch ans Herz legen Deine beiden Anteile, den dunklen und den hellen, genügend Raum zu lassen, damit beide mitarbeiten können. Ich denke es wäre eine gute Übersicht für Dich:
http://www.borderline-selbsthilfe.de/Selbsthilfebogen.pdf

Was mir auch noch eingefallen ist. Bei Deinen ersten Nachrichten an den Kummerkasten hast Du von einem Missbrauch und der Vernachlässigung durch Deine Mutter berichtet und dann auch geschrieben, dass Du dies schon überwunden hast. Es kann sein, dass es noch immer in Dir ist und Du daher noch einige Schwierigkeiten hast. Ich würde Dir daher noch das Buch „Imagination als heilsame Kraft“ von Luise Reddeman empfehlen. Dort kannst Du Dir auch Strategien aneignen besser mit den Themen umzugehen.

Liebe Unbekannte, Du siehst wie viele Möglichkeiten Du hast und dass es noch so vieles im Leben gibt, die Du erreichen kannst und möchtest. Wieso jetzt aufgeben? Du bist gerade in der Klinik, der optimale Ort um Deine Gesundung in Angriff zu nehmen. Rede bitte nochmals mit Deinem Therapeuten, auch über das Thema Motivation und Selbsthilfe. Ich würde mir so wünschen, dass Du nun ein wenig Motivation schöpfen könntest und wieder Ehrgeiz hast. Versuche es bitte, denn Suizid wäre nur eine Flucht für vor all Deinen Chancen und Lebenszielen und denk an Dein Motto. Das Ganze war auch nur ein Ausschnitt von sehr vielen Möglichkeiten und ich hoffe Du nimmst Dir das zu Herzen und versuchst voller Elan an Dir zu arbeiten und auch ein Buch zu lesen. Das mit dem Pendeln und den beiden Anteilen möchte ich Dir mit auf Deinen weiteren Lebensweg geben, denn es hat mir persönlich sehr viel geholfen. Du kannst noch eine Menge anderer Dinge, die so ähnlich sind erlernen und selbst gestalten. Ich hoffe, dass Du Dir selbst treu bleibst und nun wieder auf die positive Seite zusammen mit den hellen Anteilen pendelst und ich wünsche Dir dafür alles Gute! Ich bitte Dich jedoch auch, dass wenn Deine Suizidgedanken schlimmer werden, dass Du den Therapeuten Bescheid gibst. Das würde mir sehr am Herzen liegen. Ich freue mich auch über eine weitere Nachricht von Dir und hoffe, dass Du dann wieder mehr bei Dir bist und fleißig kämpfst. Es ist schwer und Du wirst immer wieder Rückschläge haben, aber es lohnt sich zu kämpfen!

Alles Liebe
Pia