Problem von anonym - 18 Jahre

Meine kleine Schwester

Liebes Kummerkasten-Team,

ich benötige eure Hilfe. Ich bin die älteste in der Familie, habe also noch eine jüngere Schwester und einen kleinen Bruder. (Wir sind alle 3 Jahre auseinander.)
Meine Schwester hat sich in den letzten Jahren ziemlich verändert - vor allem, was das Verhältnis gegenüber der Familie (insbesondere mir) angeht. Ich weiß, dass sie in der Pubertät ist und es für sie nicht einfach ist, ihren Platz in der Familie als "Sandwich-Kind" zu finden. Doch habe ich das Gefühl, dass sie sich immer mehr von der Familie abgrenzt. Sie hat eine beste Freundin, mit der sie so ziemlich de ganzen Tag verbringt. Sie fährt mit ihr in den Urlaub (wo ich als Aufpasserin mitfahren sollte), übernachtet bei ihr, isst mit Abendbrot, erzählt ihr alle ihre Probleme, etc. Ich habe leider nicht soo viele Freunde, weil ich eher der zurückhaltendere, defensive Typ bin. Sie geht mehr in die Offensice. Früher habe ich sehr gerne etwas mit meiner Schwester unternommen, doch das hat sich geändert, seit sie mit besagter Freundin so innig ist. Sie möchte nichts mehr mit mir machen, ist oft von mir und meinem Charakter genervt. Ich bin der Typ Mensch, der immer versucht, es allen recht zu machen. Wenn ich eine Sache angehe, möchte ich sie so gut wie möglich machen, vor allem für andere Menschen gebe ich mir sehr viel Mühe, weil mir das Freude macht, anderen eine Freude zu bereiten. Natürlich erwarte ich auch einen gewissen Dank oder mal ein Entgegenkommen dafür - einfach, um das Gefühl zu haben, gewürdigt zu werden und nicht unabdingbar zu sein. Nur meine Schwester nimmt das als normal hin. Sie gibt dabei aber auch nichts zurück, weil sie selbst keine Lust darauf hat, anderen einen Gefallen zutun. (Ein Beispiel: Meine Oma ist vor kurzer Zeit 80 geworden und hat die ganze Familie zum Geburtstag eingeladen. Ich habe mir sehr viel Mühe gemacht bei meinen Geschenken für sie und empfand sie selbst auch als gelungen. Meine Oma schien das aber eher kalt zu lassen. Meine Schwester hingegen hat von Anfang an gesagt, dass es nichts bringt, sich für Oma so viel Mühe zu machen, weil sie weiß, dass es nicht ausreichend gewürdigt wird. Ich komme mir nun blöd vor, weil ich so viel Energie in die Geschenke gesteckt habe und keinen Dank dafür bekommen und meine Schwester es gleich gelassen hat, einfach, um sich die Enttäuschung zu ersparen. Ich finde das gut, dass sie da konsequent ist, könnte es aber selber einfach nicht sein. Das stört mich.)
Außerdem habe ich manchmal das Gefühl, dass meine Schwester von Verwandten mehr gemocht wird als ich. Sie geht seit diesem Schuljahr in die 9. Klasse und hat schon ganz konkrete Zukunftspläne mit ihrer Freundin entwickelt - was sie wo mit ihr studieren will. Ich finde das in keinster Weise verkehrt, sich so früh darüber Gedanken zu machen und darauf hinzuarbeiten, nur habe ich selbst Angst, mit meinen Zukunftsplänen nicht zu genügen. Meine Verwandten finden das "cool", dass meine Schwester ihr eigenes Ding durchziehen will und sich nicht von anderen reinreden lässt. Aber für meine Zukunftspläne interessiert sie sich nicht sonderlich. Meine Schwester unterstützt mich nicht in meinen Vorhaben und denkt lieber selber über sich nach. Ich bin nun gerade mit der Schule fertig und werde nun mein FSJ antreten. Danach möchte ich studieren. Leider habe ich keinen Traum-Abitur-Durchschnitt, der für ein Traumstudium reicht und deswegen habe ich mir Alternativen gesucht. Meine Schwester aber arbeitet auf einen 1, - Durchschnitt hinaus. Sie ist sehr gut in der Schule, das macht mich manchmal etwas eifersüchtig, weil ich gerne selber ehrgeiziger gewesen wäre. Das heißt nicht, dass ich schlecht war. Ich war auch immer sehr gut, nur auf dem Gymnasium wurde es mit der Zeit anspruchsvoller und so bin ich "nur" im guten Zweierbereich gelandet.

Zusammfassend lässt sich sagen, dass ich einfach das Gefühl habe, nicht zu genügen. Ich werde nicht direkt mit meiner Schwester verglichen, nur merkt man schon, dass viele einfach denken: "Die (meine Schwester) wird es zu was bringen." Ich freue mich da auf jeden Fall für sie, nur möchte ich selbst nicht zu kurz kommen und einfach mehr an ihrem Leben teilhaben können.

PS: Ich habe schon öfters mit ihr darüber gesprochen, nur scheint sie das aufzuregen, dass ich immer irgendwelche "Probleme" habe. Sie bleibt sich einfach selbst treu und macht sich nicht so viele Gedanken wie ich. Deswegen scheint sie auch ein bisschen auf Abstand zu gehen, weil sie von mir genervt ist. Ich glaube einfach, es ihr nicht recht machen zu können.

PPS: Leider ist es auch schwierig, etwas mehr Abstand von ihr zu gewinnen. Wir teilen uns ein Zimmer, sehen uns somit (fast) den ganzen Tag im Moment, weil mein FSJ noch nicht begonnen hat.

Liebe Grüße

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte!

Ein für dich sehr schwieriges Thema, das du anschneidest. Ein sehr leichtes für deine Schwester.
Grund: ihr seid beide einfach grundverschieden.

Du mehr die Zurückgezogene, jemand, der Angst hat, etwas falsch zu machen, der die Zuwendung der Anderen benötigt (und vielleicht auch sanft einfordert), der sich nach anderen richtet usw. Sensibel, verwundbar, unsicherer, aber dennoch treu an den Menschen dran, an denen dir etwas liegt.
Sie mehr die straff Durchgeplante, Offene, Tatkräftige, mit höherem Temperament, dadurch fällt sie mehr auf, bekommt mehr Augen und Ohren und zieht ihr Ding durch.

Es ist nicht so, dass sie nicht sieht, dass du manchmal traurig bist. Sie kann einfach damit nichts anfangen, so wie du sie charakterisierst. Sie denkt anders, handelt anders.

Es sind nun zwei Ansätze nötig, deinen Weg zufrieden weiter gehen zu können und das Verhältnis zu deiner Schwester etwas zu entspannen.

1. Hör auf, dich dauernd mit deiner Schwester zu vergleichen, vergib ihr, dass sie anders ist und gönne ihr ihren Weg.
2. arbeite daran, wer du selbst bist und siehe, dass du gut bist.

Jeder Mensch hat seinen Platz auf dieser Welt. Wären alle Menschen wie deine Schwester, würde es Mord und Totschlag geben. Wären alle Menschen wie du, käme man auch nicht miteinander klar, weil man sich zu ähnlich ist. Verschiedenheit ist GUT. Das zuallererst.

Nun ist es aber so - ich lehne mich damit jetzt mal aus dem Fenster -, dass ich bei dir leichte Anflüge von Neid erkenne. Die Schwester ist besser, ist schlauer, lebt gezielter, geplanter, wird von allen mehr gemocht...und wenn du deinen Teil davon abkriegen möchtest, ist sie genervt. Du selbst fällst dagegen zurück, stehst oft in ihrem Schatten, deine Taten und Ideen werden nicht so hoch gewertet und geachtet. Du liebst deine Schwester, stehst aber in so einer Art "Bringschuld", weil du eben nicht so bist wie sie.

Du bist nicht wie sie. Na und?
Du bist du. Und daran gilt es zu arbeiten.

Deine Schwester mag Menschen, so denke ich mir das jedenfalls, die wissen, wo sie stehen. Menschen, die ein gewisses Selbstbewusstsein haben und das auch ausstrahlen. Sie mag es eher weniger, wenn man sich an sie dran hängt und versucht, Gemeinsamkeit zu fordern oder etwas von ihrer Stärke abzubekommen. Natürlich klingt das jetzt ziemlich hart und krass formuliert, ich kenne euch ja nicht und auch nicht eure ganzen Facetten. Ich kann nur das aufnehmen, was ich so aus deinem Brief an uns rauslese.

Daher mal eine Erklärung zu den beiden Punkten:

Vergib deiner Schwester ihr Anderssein. Das meine ich ernst. Gönne ihr ihr Leben und gestalte dein Leben selbst. Ihr werdet älter, vielleicht ist es jetzt einfach eine Phase, in der ihr nicht so aneinander klebt, bzw sie nicht so an dir. Versuche nicht, ihr hinterher zu eifern oder die Sympathie anzufordern. Du bist ihre Schwester, sie liebt dich, aber momentan geht ihr einfach ein wenig andere Wege. Am wichtigsten: stell KEINE Vergleiche an. Das geht immer schief. Es gab früher in einer Kindersendung mal ein Lied: "Es ist egal wie groß du bist, es ist immer einer größer als du, es ist egal, wie schnell du bist, es ist immer einer schneller" und so weiter. Viele Charaktereigenschaften und körperliche Eigenschaften wurden in dem Lied behandelt. Der Refrain: "Es ist egal, du bist, wie du bist!"

Und da kommen wir zu Punkt 2.

Ich gewinne den Eindruck, dass du viel Bestätigung suchst. Es ist dir wichtig, was andere Menschen von dir halten, dass sie dich akzeptieren und dass sie dich stark wertschätzen. Deine Oma tat dies nicht, das hat dir sehr weh getan, deine Schwester tut es nicht, deine Familie tut es nicht in dem Maß, das du dir wünschst. Aber ist Bestätigung das, worüber man sich als Mensch definiert? Bestätigung tut gut, das weiß ich auch. Ich liebe es auch, bestätigt zu werden. Aber ich definiere mich nicht über die Bestätigung der Anderen, sondern über das, was/wer und wie ich bin und wie ich handle. Ich habe Ziele in mir, die ich erreichen möchte und blicke stolz auf das, was ich erreicht habe. Ich erkenne meine Schwächen genauso wie meine Stärken und arbeite an den Schwächen und baue die Stärken aus. Und dazu möchte ich dich ermuntern.

Schau dich an. Du bist so, wie du bist, GUT. Du hast ein Zweier-Abi, andere haben ein Einser-Abi, andere ein Dreier-Abi, andere haben den Realabschluss und manche machen Hauptschule. Macht das deshalb den Einen wertvoller als den Anderen? Ich denke nicht. Lerne, dich wieder selbst zu mögen, schau auf das, was DU mit dir selbst vor hast. Was DU werden willst, wohin du laufen willst. Was ist dein Weg? Was sind deine Pläne? Wo liegen deine Stärken? Welche Schwächen sind da, die bearbeitet werden wollen?

Schau nicht auf deine Schwester, sie läuft zielstrebig ihren eigenen Weg. Laufe du zielstrebig deinen und vielleicht kreuzt er sich immer mal wieder mit dem deiner Schwester und ihr findet wieder mehr zueinander. Wenn du selbständig bist und lernst, dich und das Leben wieder mehr zu lieben, wirst du dich viel besser und entspannter fühlen. Das wird man dir anmerken und vielleicht ist es das, was deine Schwester dann auch wieder mehr an dich bindet. Wobei das nicht das "einzig Wahre" ist. Deine Schwester wird immer deine Schwester bleiben. Und wenn du dich wieder über dich selbst definierst und nicht über Vergleiche, wirst auch du wieder wirklich Spaß am Leben haben können - und an dir selbst.

Du bist du. Und das ist super so.
Deine Schwester ist deine Schwester und sie selbst. Das ist auch super so.
Ihr werdet immer Schwestern bleiben - und das wird sie auch irgendwann wieder sehen und schätzen.

Bis dahin hab das Leben lieb, geh deinen eigenen Weg, suche ruhig den Kontakt mit ihr, aber ohne Vorwurf, ohne Lamentieren...einfach offen und frei. Lebe dein eigenes Ich aus - ganz egal, wer besser oder schlechter ist, ganz egal, ob du denkst, deine Schwester würde mehr geschätzt. Du wirst deine eigene Nische in dieser Welt erobern...und dann darin geschätzt werden. Denn du bist du.

Und das ist gut so. ;)

Dir alles Liebe!

Dana