Anwort von Bernd

Liebe Albolena,

In den Streit von Anderen hineingezogen zu werden ist wohl immer eine ganz undankbare Aufgabe.
Nun hast Du ja ganz offensichtlich eine sehr eigene Meinung von Deiner Schwägerin.
Natürlich kann niemand von uns von hier aus die Situation auch nur annähernd einschätzen!
Jedoch denke ich:
Wenn Dein Bruder mit seiner Frau (der Mutter des gemeinsamen Kindes) zusammen bleiben will, sollten wohl schon mal alle anderen Animositäten ganz hinten anstehen?!
Weder Feindlichkeiten, noch Verurteilungen bringen uns da weiter!
Die Frage ist also eigentlich: wie schaffen wir es, dass es eine gemeinsame Zukunft Deines Bruders mit seiner Frau und deren Kind gibt?!
Was mich wirklich traurig macht?
Diese Frage stellst Du ja auch: "wie soll das funktionieren?"!
Deine und die Antwort Deiner Eltern scheint irgendwie da bombenfest zu stehen!
Und eigentlich nur eine Antwort zulassen zu wollen?
Dass es für Dich und Deine Familie nur den einen Weg geben wird: Dein Bruder muß sich von seiner Frau trennen?

Ich sage es Dir ganz ehrlich. So wie ich es im Moment fühle:

Alle Hochachtung für Deinen Bruder, dass er zu seiner Frau und der Mutter seines Kindes steht! Auch wenn es schwierig sein mag!
Und eine der Schwierigkeiten für Deinen Bruder selbst und auch zwischen ihm und seiner Frau mag es sein, dass offensichtlich Deine ganze Familie nur in einer Richtung auf ihn Einfluß zu nehmen versucht.
Es war ein Fehler, dass er Dich um Hilfe gebeten hatte: um Hilfe ruft man einen Neutralen, der auch wirklich helfen kann! Nicht einen Menschen, der schon längst sein Urteil über den gefällt hat, der Hilfe braucht!
Versuche Dich einmal in die Situation hineinzuversetzen: Dein Bruder ruft nicht den um Hillfe, der beide verstehen und beiden helfen will! Sondern jemanden, von dem er weiß, dass er in allem was er nun sagen wird von Dir unbedingt Recht bekommen wird!
So schlichtet man keinen Streit!
So demonstriert man dem Anderen nur: wir sind nun zwei gegen eins!
Mit eurer Macht-Demonstration habt ihr Deine Schwägerin gegen die Wand gedrängt!

Dein Satz:
" ich fragte sie darauf hin ob sie sich nicht schämen würde so ein Theater vor dem Kind zu machen was sie für eine Mutter sei und in der nächsten sec hatte ich auch schon eine heftige Ohrfeige im Gesicht ich packte das Kind und brachte es weg um meinen Neffen zu schützen"

gibt der Mutter recht mit ihrer Ohrfeige!

Ich sehe die Ohrfeige, die Du bekommen hast als so etwas wie den Befreiungsschlag, den ein in die Enge getriebener Mensch gesetzt hat, um wenigstens wieder aus der Ecke in die er gedrängt wurde, in die Mitte des Rings zu gelangen.

Es mag nicht gut sein, wenn ein Elternteil vor seinem Kind ausrastet!
Es ist nicht gut!
Aber!
Vor diesem Kind die Mutter runterzuputzen ist nach meiner Meinung zumindest genau so falsch!
Das Kind von der Mutter wegzuführen scheint mir erst angemessen, wenn dem Kind selbst Gewalt droht!
So war es aber doch nicht? Es war ein Streit unter Erwachsenen!
Wieso sagst Du einer so schon aufgebrachten ("hysterischen"?) Frau, dass sie sich vor dem Kind schämen sollte?
Das so ein Spruch den wohl so schon angestauten Zorn Deiner Schwägerin noch ein wenig mehr hochkochen muß, weiß sicherlich sogar schon Dein kleiner Neffe!
Das Ergebnis (die Ohrfeige) war vorauszusehen! Provoziert!

Wenn Du als Aussenstehende das Ansehen der Mutter vor dem Kind beschädigst, mag das dem Kind mehr geschadet haben, als wenn es den Streit zwischen den Eltern mitbekommt?

Willst Du Deinem Bruder wirklich helfen, sein Leben mit seiner Familie in den Griff zu bekommen?
Willst Du Deinem Neffen wirklich helfen?

Dann mische Dich nicht in deren Streitigkeiten ein!
Verlasse den Weg, Deinen Bruder nur in der einen Richtung beeinflussen zu wollen!
Vielleicht überzeugst Du ihn ja sogar davon, dass die professionelle Hilfe, von der Du meinst, dass Deine Schwägerin sie unbedingt braucht, ihm und der Beziehung auch gut tun könnte:

Überzeuge ihn davon, zusammen mit seiner Frau eine Paartherapie zu machen!
Vielleicht senkt das die Hemmschwelle Deiner Schwägerin, sich helfen zu lassen, wenn ihr Mann die Schwierigkeiten als "gemeinsames Problem" betrachtet?
An dem sie auch gemeinsam arbeiten müssen, um es zu lösen?

Du schreibst:
"...eine ziemlich gestörte Persönlichkeit und braucht eigentlich dringen professionelle Hilfe"

Wie schon gesagt: ich weiß nicht wirklich, was Deine Schwägerin für Kummer hat!
Dein Satz löst in mir ein Bild aus. Eines das ich nicht schön finde:
"gestört" wie ein Fernseher?

Damit haben wir nichts zu tun? Dafür gibt es Spezialisten: wir geben ihn ab und erwarten, dass der Fernseher danach tadellos funktioniert!

Aber mit unseren Mitmenschen haben wir doch zu tun!
Die Aufgabe eines Menschen ist es doch nicht nur "tadellos zu funktionieren"?!

Ein Teil Deiner Schwägerin ist sicher auch "Reaktion" auf die Ablehnung, die sie durch Deine Familie erfährt?!
Einen Teil dieser Ablehnung wird sie auch indirekt selbst durch Deinen Bruder spüren, obwohl der ja eigentlich zu ihr steht:
Weil sich Dein Bruder wohl oft auch "zerrissen" fühlen wird?
Zwischen seinen Gefühlen zu seiner Frau und der Familie, von der er abstammt und die seine Frau so sehr ablehnt!

Liebe Albolena,

Du siehst hoffentlich, dass es auch Deinen Bruder schmerzt und zerreisst, wenn der Familie, die er gegründet hat von euch so gar keine Chance gegeben wird?

Stark ist, wer den Kreis aus Verurteilung, Hass und Ausgrenzung durchbricht!
Stark ist, wer versucht, das Verbindende zu suchen! Nicht das, was euch trennt!
Stark ist, wer den Anfang macht!

Sei stark, liebe Albolena!

Alles Liebe,

Bernd