Problem von Anonym - 24 Jahre

Freundin tot. Neue Frau in meinem Leben?

Hallo Kummerkasten-Team,

meine Freundin, mit der ich zusammenkam als ich noch 16 war ist vor 4 1/2 Jahren an Krebs gestorben. Damals waren wir noch in der Beziehung und ich habe sie als junger Mensch bei ihrem harten Weg begleitet. Natürlich hat sowas auch Spuren bei mir hinterlassen, doch mittlerweile bin ich eigentlich wieder auf einen guten Weg, dank psychologischer Begleitung. Wichtig war für den Anfang erst einmal das ich den Alltag wieder gut meistern konnte und man sieht mir als außenstehender eigentlich nicht an das ich immer noch ein wenig unter Depressionen leide. Ich denke auch nicht das ich jemals wieder der fröhliche 16 jährige von damals sein werde, aber das wäre auch utopisch diesen Wunsch zu haben, zumal mich dieser Schicksalsschlag ein Leben lang begleiten wird.

Ich war jetzt lange Zeit alleine gewesen und bin kaum aus gegangen, was auch daran lag das ich mich zwischenzeitlich doch sehr zurückgezogen habe. Nun versuche ich seit längerem wieder aus dem Haus zu kommen und nette Mädels kennen zulernen, doch fällt mir das unheimlich schwer.
Vor ein paar Wochen habe ich nun eine junge Dame kennengelernt die ziemlich nett und einfühlsam wirkt. An für sich ist das eine tolle Sache, doch neuerdings habe ich irgendwie Schuldgefühle meiner alten Liebe gegenüber und manchmal sogar Alpträume.
Dementsprechend frage ich mich ob ich wirklich schon bereit dafür bin etwas neues anzufangen. Und wenn ich es am Ende wirklich ausprobiere frag ich mich ob es für die entsprechende Partnerin mehr Zumutung als Gewinn ist.

Ich weiß mir wird nichts anderes übrig bleiben, Kommunikation ist wichtig, doch wie und wann sollte ich meine Vergangenheit thematisieren?

Ich habe schon mit meiner Schwester darüber gesprochen und sie meint ich sollte aus meinem Keller das selbst gemalte Portrait was ich damals von ihr gemacht habe hochholen und aufhängen, wenn ich Besuch bekomme. Doch bin ich eher der Ansicht, dass dies doch eher so aussieht als wäre ich noch nicht darüber hinweg und würde mich an der Vergangenheit klammern.

Delia Anwort von Delia

Hallo

Auch wenn dein Verlust bereits einige Jahre her ist, möchte ich dir trotzdem zuerst mein Beileid aussprechen. Du wurdest in einem jungen Alter auf eine sehr belastende Art und Weise mit dem Tod konfrontiert und es ist vollkommen normal, dass diese Erfahrung Spuren bei dir hinterlassen hat und dich auch nach Jahren noch nicht loslässt.
Ich bin froh, dass du dir psychologische Begleitung gesucht und dich aktiv mit der Situation auseinandergesetzt hast. Du scheinst auf einem sehr guten Weg zu sein. Wie du selbst ja bereits erkannt hast, wirst du wahrscheinlich wirklich nie mehr so fröhlich sein können wie du es damals mit 16 warst. Aber ich denke du hast durch diesen schweren Weg auch Fähigkeiten erworben, die andere Menschen in deinem Alter noch nicht besitzen. Du weißt nun, welchen hohen Stellenwert Gesundheit einnehmen kann und dass man sie nicht als selbstverständlich nehmen sollte, sondern sie als wertvolles Gut schätzen sollte. Du wirst dir in dem Prozess sicherlich eine Menge Stärke, Mut und Reife angeeignet haben und wirst viele Dinge in einem anderen Licht sehen als Altersgenossen.
Ich möchte die Situation damit keinesfalls schön reden, sicherlich war es die absolute Hölle, aber du bist diesen Weg mit ihr zusammen gegangen und ich finde, du kannst in der Hinsicht wirklich stolz auf dich sein.

Kommen wir zur Gegenwart. Du schreibst, du hast Schuldgefühle und teilweise auch Albträume. Das finde ich persönlich vollkommen normal und es würde mich sogar wundern, wenn diese Faktoren bei dir nicht auftreten würden. Dies bedeutet auch nicht zwangsläufig, dass du für eine neue Beziehung nicht bereit bist, sondern einfach, dass dir deine verstorbene Freundin immer noch etwas bedeutet. Anders als bei einer Trennung gibt es bei dem Tod eines Partners kein wirkliches Auflösen der Bindung, es erfolgt keine Abgrenzung, wobei im Grunde der "Schnitt" natürlich noch wesentlich tiefer geht als es bei einer bloßen Trennung der Fall wäre.

Du fragst, wie du es erzählen sollst. Ich denke, du solltest das Thema anschneiden wenn du merkst, dass es dir mit einer Frau ernst wird, es also über das typische Flirten und die reine Bekanntschaft hinaus geht und dir bewusst wird, dass du dir theoretisch mehr mit dieser Person vorstellen könntest. Dabei musst du das Thema ja nicht gleich vollkommen ausweiten, also nicht beschreiben wie sehr du gelitten hast und wie sehr dich die Situation belastet hat, sondern einfach deutlich machen, dass du eine Vorgeschichte hast, die eher ungewöhnlich ist und dich und dein Leben beeinflusst hat.
Die Idee deiner Schwester, das Portrait deiner verstorbenen Freundin aufzuhängen, finde ich grundsätzlich nicht schlecht. Allerdings stimme ich dir zu, dass es anfangs den Eindruck vermitteln könnte, du würdest noch in der Vergangenheit leben. Es wirkt in meinen Augen einfach zu offensiv und nicht geeignet, um das Thema anzusprechen.

Fakt für mich ist: Deine verstorbene Freundin wird immer ein Teil von dir sein und deine zukünftige Freundin muss dies akzeptieren, ohne das Gefühl zu haben, dass zwischen den beiden eine Hierarchie besteht oder sie miteinander konkurrieren müssen. Dazu ist sicherlich nicht jede Frau in der Lage, vor allem nicht in einem doch recht jungen Alter von Mitte 20, aber ich bin mir sicher, dass es durchaus Frauen gibt, die es können und du schreibst ja auch selbst über die von dir kennen gelernte Frau, dass sie einfühlsam ist.

Ob du wirklich bereit für eine Beziehung bist und wie diese dann aussehen wird, kann dir letztendlich aber nur ein Versuch zeigen. Da hilft kein grübeln und kein analysieren der Situation, irgendwann musst du es wieder wagen.
Und auch wenn es klischeehaft klingen mag, indem du für deine verstorbene Freundin da warst und sie auf ihrem Weg begleitet hast, hast du alles für sie getan, was du konntest und in gewisser Weise deine "Pflicht" ihr gegenüber erfüllt. Das ist jetzt alles sehr rational gedacht und mir ist natürlich bewusst, dass Schuldgefühle eine ganze andere Dimension sind, aber du musst trotzdem versuchen, dir die Tatsachen immer bewusst zu machen. Indem du dir selbst einer erfüllte Beziehung verweigerst, hilfst du deiner Exfreundin nicht und dich selbst machst du nur unglücklich. Die Schuldgefühle werden dich sicherlich noch eine Weile begleiten, aber ich bin mir sicher, dass sie mit der Zeit schwächer werden.

Ich wünsche dir alles Gute und viel Glück für deinen weiteren Weg