Problem von Betty - 25 Jahre

Ich klaue

Hallo liebes Kummerkasten-Team,
ich schäme mich unheimlich über mein Problem zu schreiben. Aber ich möchte mich endlich befreien und mich ändern und hoffe, dass es auf diese Weise klappt. Ich bin seit 2 Jahren mit meinem Mann verheiratet. Wir müssen sehr aufs Geld achten, weil wir uns Eigentum angeschafft haben, was wir nun schnell abzahlen müssen. Ich habe monatliches Haushaltsgeld, wovon ich die Einkäufe etc. erledige. Nicht falsch verstehen: Ich bin in Vollzeit berufstätig, mein Mann ebenso. Wir sind völlig gleichgestellt, finanziell und auch sonst in der Beziehung. Dieses "Haushaltsgeld" ist das Geld, was wir monatlich ausgeben wollen, den Rest sparen wir für die Immobilie an bzw. legen es zurück. Durch dieses Sparen ist natürlich ein großer Druck da, den ich manchmal schlecht aushalten kann. Wenn es dann mal wieder enger wird mit dem Geld, klaue ich manchmal Geld von anderen Leuten. Ich weiß, das klingt furchtbar und das ist es auch. Ich gehe dann an die Portmornaies und nehme mir vor, nur mal zu sehen, was die anderen Leute an Geld haben. Und wenn es dann so viel ist, nehme ich manchmal einen Zehn-Euro-Schein oder manchmal sogar mehr (ich schäme mich so, diese Sätze zu schreiben). Es war nie mehr als 50,00 €, obwohl es hierbei wohl sowieso nicht auf die Summe ankommt, denn es ist böse, auch wenn man nur einen Cent klaut.
Die Menschen, die das betrifft, sind keine Verwandten oder Freunde. Obwohl ich auch schon ein Mal meine Schwiegermutter beklaut habe. Das bereue ich noch mit am Meisten, denn sie ist letztes Jahr gestorben und nun fühle ich mich furchtbar und wünschte, ich könnte alles wieder rückgängig machen. Ich hasse mich dafür. Ansonsten war es manchmal eine Arbeitskollegin oder sogar auch mal mein Chef, der sein Portmornaie immer in seiner Schublade im Büro liegen hat. Wenn er dann manchmal wieder so gemein zu mir war, redete ich mir ein, dass das sozusagen meine Rache war. Aber das ist Quatsch und nur eine Ausrede, um mein schlechtes Gewissen zu mildern.
Wenn ich das Geld geklaut habe, habe ich kein Glücksgefühl oder so. Ich denke also nicht, dass ich Kleptomanin bin. Ich tue es auch nur, wenn es mal wieder knapp wird. Vor dem Sparen habe ich sowas nie gemacht. Ich bin dann meistens einfach erleichtert, weil ich dann mehr Geld zum Einkaufen von Lebensmitteln etc. habe. Das Geld nehme ich nicht für mich, sondern stecke es in den Haushalt, damit wir immer schönes Essen haben. Mein Mann freut sich dann auch immer so, wenn wir wieder mal gut über den Monat gekommen sind. Dass davon aber beispielsweite 20 € geklaut waren, weiß er ja nicht. Ich klaue nicht in Läden oder in Supermärkten. Es ist immer Geld. Und es kommt ca. alle 2 Monate vor, dass ich es tue.

Ich habe schon mal mit meinem Mann darüber gesprochen, dass mich das Sparen sehr unter Druck setzt und habe ihm gesagt, dass ich manchmal darüber NACHDENKE von anderen Menschen Geld zu stehlen. Er war völlig entsetzt und hat gesagt, dass ich das niemals machen darf und dass wir zur Not unseren Spar-Plan ändern müssen. Ich konnte ihm die Wahrheit einfach nicht sagen. Und den Spar-Plan möchte ich nicht ändern, weil ich weiß, wie wichtig ihm das ist, damit wir endlich in andere Jobs wechseln können. Derzeit halten wir unsere schweren Jobs aus, weil wir das Geld brauchen. Dafür muss mein Mann auf seiner Arbeit oft viel Druck von oben aushalten und einstecken. Allein schon deswegen, möchte ich ganz schnell das Geld sparen.
Ich liebe meinen Mann über alles und er hat keinerlei Schuld an meinem Verhalten. Er ist der liebste Mensch auf der Welt. Ich weiß, dass ich ganz allein Schuld bin und ich weiß auch, dass es furchtbar ist, was ich tue. Normalerweise bin ich sehr mitfühlend mit anderen Menschen und Tieren und weine oft über das Leid anderer und würde gerne die Welt besser machen. Aber stattdessen mache ich solche Sachen und wünschte so sehr, dass ich es durch meine „Beichte“ hier endlich beenden kann. Zumal ich schon an Gott glaube und so große Angst habe, dass ich in die Hölle komme. Das meine ich wirklich ernst.
Kann man sowas überhaupt wieder gut machen, auch wenn ich jetzt aufhöre? Sofern ich überhaupt aufhören kann….Manchmal sagt man, dass man erst aufhört, wenn man erwischt wird. So weit will ich es aber nicht kommen lassen, weil ich ja weiß, was ich tue und wie falsch und bösartig es ist.
Ich möchte nicht so ein Mensch sein. Mein Mann sagt mir so oft, wie lieb ich wäre, dann möchte ich manchmal am liebsten losheulen, weil ich mich so schlecht fühle.

Ich schäme mich jetzt schon, wenn ich darüber nachdenke, wie ihr meine Mail lest.
Danke für eure Hilfe.

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Betty,

Weißt Du, warum Deine Zuschrift an uns so ungeheuer mutig ist?

Weil Du Dich schämst!

Irgendwie will ich Dir das auch nicht nehmen: Weil gerade Deine Scham Dich zu einem Menschen macht, den ich ernst nehmen will und kann! Es ist genau das, was Dich zum Menschen macht!

Ehrlich gesagt verstehe ich nicht ganz, warum ihr "schnell abzahlen" müsst! Schnell besitzen!

Es ist eine der Lebenslügen, die ich schon sehr früh durchschauen durfte!

Der gut bezahlte Job, den man nur solange behält, bis man "sein Ziel" erreicht hat!?

Zu meiner Zeit (in meinem Bergbaustudium) habe ich diese Menschen kennengelernt: An den Bohrtürmen, an denen ich mein Praktikum gemacht habe.
Menschen, die sich vorgenommen hatten: 5 Jahre auf einem Bohrturm in der Wüste, 10.000 DM monatlich steuerfrei, alle 6 Wochen einen Freiflug in die Heimat und 2 Wochen frei.

"und nach diesen 5 Jahren habe ich all das verdient, was ich zur Erfüllung meiner Wünsche brauche! Danach geht es "piano": das Leben genießen!"

Diese Menschen haben 20 Jahre später auf dem selben Campingplatz (in der Nähe des Bohrturms) mit mir übernachtet! Der einzige Unterschied zwischen uns: als Praktikant habe ich gezeltet, wo die Anderen ihren Wohnwagen hatten.

Was will ich Dir mit diesem Beispiel sagen?

Wir Menschen können unheimlich schlecht "umschalten"!

Nach der Eigentumswohnung kommt das Haus! Dann das Auto, was man sich schon immer leisten wollte, aber auch nicht wollte, weil man Ziel 1 und 2 noch nicht erreicht hatte! Dann kommen die Rücklagen, um Ziel 1 und 2 "halten" zu können: was, wenn die Heizung den Geist aufgibt? Die Fenster (das Haus) gestrichen gehören? Notwendige Reparaturen?
Ha! Und endlich spart man, um sich "etwas leisten zu können"! ..... 20 Jahre später?

Deine Schwiegermutter hat es Dir sicherlich verziehen!
Sie allein weiß, wie wenig man am Ende mitnehmen kann!

Du schreibst:

" Ich bin dann meistens einfach erleichtert, weil ich dann mehr Geld zum Einkaufen von Lebensmitteln etc. habe. Das Geld nehme ich nicht für mich, sondern stecke es in den Haushalt, damit wir immer schönes Essen haben. Mein Mann freut sich dann auch immer so, wenn wir wieder mal gut über den Monat gekommen sind."

Für mich wäre der erste Schritt, Dir Deinen Druck zu nehmen: zeige Deinem Mann, dass ihr halt nicht immer schönes Essen haben könnt, wenn ihr auf die bisherige Weise spart!
Beweise es ihm, indem Du ihm die Ausgaben nachweist! Führe ein "Haushaltsbuch"!

Fange an, den Wert Deines Lebens nicht in Euro und Cent zu "berechnen"!
Sondern in der Zeit, die ihr miteinander und füreinander habt!

Deinem Mann ist auch eher geholfen, wenn Du ihm klar machst, dass Euer ganzes Leben nur aus den Sekunden besteht, die wir "Gegenwart" nennen!

Hm :-( das ist ihm ja eigentlich schon klar!
Warum er Dir trotzdem Deine Zeit (Dein Leben) stiehlt?

Weil Du glaubst, ihm einen Gefallen damit zu tun, seinen Vorstellungen und seinen Wünschen zu folgen! Um ihn glücklich zu machen?

Miteinander glücklich werdet ihr nur, wenn ihr auch eure Sorgen uneingeschränkt teilt!

Ich sende Dir hier einmal einen "Zinsrechner". Damit könnt ihr eure derzeitigen Zahlungen (Zinsen und Tilgungen) mit anderen Beispielen mal gegenrechnen!

http://www.baufi24.de/kredit/kreditrechner/

Gerade in dieser Zeit, in der die Kredite so einmalig günstig sind, lässt sich doch viel eher eine langfristige Zinsbindung (von bis zu 25 Jahren) bezahlen, als noch vor etwa 8 Jahren, wo bei einer 5-Jährigen Zinsbindung schon meist mehr als 4 % Zinsen zu zahlen waren!

Sicherlich will ich Deine Diebstähle nicht schön reden!
Du gehst ein ungeheures Risiko dabei ein! Setzt wesentlich mehr als den Sparplan Deines Mannes aufs Spiel!
Vom Hörensagen ist mir in Erinnerung, dass schon das "Mitgehenlassen" eines Bleistiftes mal gereicht haben soll, dem Mitarbeiter fristlos zu kündigen!
Um Deinen Verdienst in solch einer Situation ausgleichen zu können, wirst Du öfter als alle zwei Monate stehlen müssen! Und es müsste wohl auch deutlich mehr sein?

Alles Liebe,

Bernd