Anwort von Nuala

Hallo Niko,

ich kann zwar nachempfinden, dass es dich betrübt, keine Freundin zu haben, mit der du Zeit verbringen, wichtige Gespräche führen kannst. Genauso den fehlenden Bezug zu deinen Geschwistern. Auch kenne ich das Gefühl, scheinbar "nie und nirgends" Glück zu haben. Doch ein bisschen möchte ich dich rausreißen aus deinem Trott, der mir schon etwas nach Selbstmitleid klingt.
Mir kommt es so vor, als ob du schlicht einem häufig auftretendem Phänomen unterliegst: Nur das Schlechte zu sehen, weil das Gute einfach da ist und man sich nicht tagtäglich glücklich schätzt, dass es da ist. Ich bin mir sehr sicher, dass du - wenn du mal ganz ehrlich zu dir selbst bist -, schon in einigen Dingen Glück hattest und hast. Es gibt ganze Bereiche, in denen man es viel besser als Andere getroffen hat oder es leicht hat. Manche sind sehr sportlich, haben von Natur aus einen kräftigen Körper, der vielen Belastungen standhält. Solche Leute können ohne zu überlegen zupacken, sporteln, im Job etwas leisten. Menschen hingegen, welche eine Behinderung haben oder eher zart gebaut sind, schaffen manche Dinge erst gar nicht oder nur unter großen Mühen. Oder Gesundheit! Es ist so herrlich, wenn alles im Körper gesund ist, wenn keine chronischen Krankheiten vorliegen! Andere sind ganz flink im Kopf, begreifen im Unterricht viel und schnell und müssen zuhause weniger nacharbeiten. Wieder Andere sind tolle Zuhörer, Redner, Gestalter... die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Auch DU hast Talente und Besonderheiten, welche dir auf deinem Lebensweg dienlich sind! Du musst sie nur für dich begreifbar machen und dich an ihnen erfreuen.

Genauso gibt es viele kleine Dinge, die das Leben schön machen. Sieh dich um! Da ist vielleicht ein Nachbar, der dich immer freundlich grüßt. Da ist ein Verwandter, mit dem man doch ganz gut reden kann über Gott und die Welt. Da sind diese Graffiti an der Mauer, die dich in den Bann ziehen, ein Eichhörnchen auf einem Baum, ein spannendes Fußballspiel... auch hier kannst du selbst für dich Details finden, die einfach da sind, die nicht extra geschaffen werden müssen.

Es müssen nicht immer die Schablonen "Freundin - perfekte Familie - super Karriere - toller Freundeskreis" sein. Wenn du nur nach solch riesigen (und oft unrealistischen) Brocken suchst bzw. zuviel aufeinmal willst, kannst du nur unglücklich sein.
Du hast es selbst in der Hand, etwas an dem zu ändern, was dich richtig stört. Überlege dir doch, was ließe sich verändern, was eher weniger? Mit was muss ich mich abfinden? Nach Menschen, mit denen man sich prima unterhalten kann, kannst du aktiv suchen. Es gibt AGs in der Schule, Vereine, Clubs etc., wo du Gleichgesinnte finden kannst. Vielleicht auch ein anderes Mädchen, das sich genauso interessiert für dich wie du für sie! Aber durch Jammern wird keine/r zum Schornstein hineinschneien.

Du bist zwar schon so lange auf der Welt, dass du Dinge hinterfragst und grübelst. Doch andererseits: 16 Jahre ist sehr wenig, verglichen mit dem Rest der Zeit, den du vermutlich noch zu leben hast. Also glaube nicht, dass alles Schlag auf Schlag passieren muss! Vieles wächst langsam, später oder gar nicht. Das ist eine Tatsache, mit der sich jeder Mensch abfinden muss.
Und nun zum 2. Teil dessen, was Trugschlüsse angeht: Klar sieht man bei den anderen Leuten immer eher das, was gelingt als das was misslingt. Aber wenn man sie fragt: Was stört dich? Was bekümmert dich? Da kommen ellenlange Aufzählungen. Es sind dann viiieele Luxusprobleme darunter... Du wirst selten zu hören bekommen: "Ach, ich bin zufrieden, leben zu dürfen. Ich bin dankbar für alles, was das Leben an Überraschungen bereithält." Das als letzten Gedankenanstoß.

Ich hoffe, ich habe dich nachdenklich gestimmt... aber in eine andere Richtung! ;)

Alles Liebe,
Nuala