Problem von Anonym - 15 Jahre

Belastung durch Mutter, dieplötzlich "verrückt" ist

Vor eineinhalb Jahren haben sich meine Eltern getrennt und das hat mich damals sehr belastet.
Damals wohnte ich bei meiner Mutter und hatte nur einmal die Woche paar Stunden Kontakt zu meinem Vater.
Ein halbes Jahr später fingen die viel schlimmeren Probleme an.
Ich habe mich damals oft alleine gefühlt, weil das Bürozimmer von meinem Papa nebenan leerstand! (Meine Eltern hatten getrennte Zimmer, weshalb auch immer....)
Meine Mutter hat nach ihren Erzählungen her daraus gedeutet, dass ich Angst habe in unserem Haus und hat damit angefangen zu behaupten:andere Autos würden in ihrs reinfahren, Kampfhunde würden sie beim Hundespaziergang verfolgen und vieles mehr.....
Das führte dazu, dass unsere Beziehung sehr darunter litt! (Früher hatten wir eine sehr gute Beziehung zueinander was dies alles noch mehr verschlimmert)
Als sie dann auch noch in den Ferien die eine Leiterin einer Freizeit anrief und ihr verrückte Sachen erzählte (ich würde doch gefoltert, die Polizei sollte kommen...) und bei meinen Großeltern hab ich mich mit meiner Mutter geschlagen, weil sie den Tag an dem ich von meinem Papa zu der Freizeit gebracht werden sollte, um 5 Uhr morgens mit mir vor was auch immer flüchten wollten.
Die Situation war vorher schonmal aber da bei uns zuhause....
Dann als ich auf der Freizeit war, hat sie die Polizei gerufen und gemeint mein Opa würde sie vergasen! Danach bin ich zu meinem Vater gezogen aber die Probleme wurden nicht besser.Sie schimpfte wenn ich am Wochenende bei ihr war über seine neue Freundin, mit der ich mich aber gut verstand und tauchte vor unserem Haus eines Abends hupend auf sodass Nachbarn, Ich und Sie selbst die Polizei riefen.Sie rief sie,weil sie dachte ich würde festgehalten werden und dürfte nicht rauskommen.Es gab auch mehrere peinliche Situationen für mich auf Facebook, vor meinen Freunden und sogar vor paar anderen meiner Klasse und eines Hobbys. Das ist immer noch sehr schlimm für mich!!! Sie ist auch schon sehr lange arbeitslos und findet immer neue Gründe um nicht arbeiten gehen zu müssen (mein Papa würde das Geld klauen, Vergewaltiger aus dem Ort würden es klauen und solchen Schwachsinn..) Mittlerweile ist es soweit dass sie weder Gas noch Strom hat und auch keinen Führerschein, wegen einer Straftat oder so ... Ich streite mich mit ihr jedes Mal wenn ich da bin und muss extra immer aufpassen was ich sage...Erwähne ich iwas über Arbeiten, Geld, Großeltern, Papa und seine Freundin gibt es sofort Streit. Jetzt hat sie bald ihren Führerschein wieder und ich habe Angst dass sie schon wieder so peinlich ist !!! Was soll ich tun, wenn ich nicht mehr zu ihr gehe habe ich ganz viele Schuldgefühle, weil sie dann den ganzen Tag allein ist (was macht sie dann überhaupt?!) Soll ich nicht mehr zu ihr gehn oder doch? Soll ich sie iwo anmelden in der Psychatrie?
Es geht so einfach nicht mehr so weiter ich habe keine Lust mehr darauf, manchmal denkt sie ja auch ich werde gefoltert oder so.Ich glaube einfach, dass es eine psychische Krankheit ist die mit Angst zu tun hat.Mir geht es deshalb immer sehr schlecht und da ich am Wochenende bei ihr bin, kann ich mich nur in der Woche von dem Stress erholen...Dadurch habe ich auch mit meinem Papa immer mehr Streit oder mit Freunden. ..Aber ich bin auch nicht die einzigste die darunter leidet...Mein Papa auch und meine Großeltern (sind schon älter und man sieht ihnen die Belastung an, da der Bruder meiner Mutter auch so ähnlich mal war) undVerwandten auch. Sie hat sogar schonmal jmd. anonym angezeit wegen Vergewaltigung an einer Verwandten vor 5 oder 6 Jahren glaub ich .... Dass heisst sie müsste schon länger krank sein, aber wovon? Was soll ich tun?Ich kann damit nicht mehr leben(schon 1 JAHR jetzt so!!!)
Danke schonmal, für die Antwort und das Lesen!!!
Lg

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

es ist mehr als verständlich, dass du sehr verzweifelt bist. Nicht nur die Trennung deiner Eltern, sondern auch die Verhaltensweisen deiner Mutter belasten dich, eure eigentlich gute Beziehung wird durch ihr Verhalten in Frage gestellt. Daher finde ich es gut, dass du uns geschrieben hast.

Es ist leider gar nicht einfach, gute Ratschläge zu geben, weil das dahinterstehende Problem offenbar sehr groß und schwierig ist.
Ich möchte dir eine Vermutung nennen, die aber unbedingt ärztlich abgeklärt werden müsste, denn ich kann nur anhand deiner Mail mutmaßen. Es kann also auch gut sein, dass ich falsch liege!

Was zuerst einmal recht naheliegend wirkt, ist dein Gedanke, das sie psychisch krank ist. Ihre vielen "merkwürdigen" Aktionen lassen sich kaum anders erklären - dafür sind ihre Behauptungen zu absurd, realitätsfern, unglaubwürdig. Außerdem ist es auffällig, dass sie sich abkapselt, sich nicht zum Arbeiten aufraffen kann und leicht aggressiv wird.
Nun kommt meine Vermutung, welche eben auch nicht zutreffend sein kann. Sie soll dir jedoch einen Anhaltspunkt geben, damit du überhaupt irgendwo anfangen kannst.

Ich denke in erster Linie an Schizophrenie, das ist eine Krankheit mit vielen unterschiedlichen Formen. Sie ist auch nicht selten, sondern kommt überall auf der Welt immer wieder vor. Man sagt, dass jeder einen Menschen in seinem nahen Umfeld hat oder zumindest schon einmal erlebt hat, der schizophren ist.
Schizophrenie ist etwas, was man als gesunder Mensch sehr schwer oder gar nicht begreifen kann. Oft gelingt es nur, sich ein Bild zu machen, indem man Vergleiche hört: Schlafentzug, das Monster unterm Bett sehen, ohne Brille alles unscharf sehen. Die Wahrnehmung, das Denken, Fühlen und Handeln einer schizophrenen Person unterscheidet sich nämlich gewaltig von dem, was man als "normal" gezeichnen würde. Das können viele Dinge sein: Halluzinationen (z.B. Stimmen hören, Gestalten sehen, Blut riechen, wo keines ist...), Denkstörungen (z.B. wirre Gedanken, die sich nicht ordnen lassen, verlangsamtes Denken, neue Wörter erfinden...), Bewegungsstörungen, veränderte Gefühle und Stimmung (z.B. grundlose Gereiztheit, Überdrehtheit), Wahrnehmungsstörungen/Ich - Störung (etwas Weiches anfassen und es fühlt sich körnig an, Welt "rauscht" an einem vorbei wie bei einem anfahrenden Zug, Farben verwischen, alles kommt einem fremd und unwirklich vor...), Antriebsstörungen (die ganze Zeit starr auf dem Bett sitzen,...), Wahn (Verfolgungswahn, Liebeswahn, Beziehungswahn, Bedeutungswahn, Verarmungswahn usw.). Und das ist längst nicht alles, was möglich ist.
Es werden verschiedene Schizophrenie - Typen unterschieden und längst nicht jedes Symptom muss bei einem Betroffenen vertreten sein. Es gibt außerdem unterschiedliche Verläufe: Manche werden schon als Jugendliche krank, andere erst als Erwachsene. Dann gibt es noch Phasen ohne Symptome, einen wellenartigen Verlauf... du siehst, das lässt sich schwer zusammenfassen und ist von Mensch zu Mensch anders. Genauso unklar ist es, welche Ursachen im Einzelfall eine Rolle gespielt haben. Man vermutet ein Zusammenspiel von mehreren Aspekten, u.a. eine genetisch bedingte "Anfälligkeit", schlechte Lebensbedingungen, körperliche Schäden, Drogenkonsum, seelische/körperliche Traumata, Stress... was bei deiner Mutter auslösend gewesen sein könnte (sofern sie schizophren ist!), kann man vermutlich nie mit völliger Gewissheit sagen, höchstens Mutmaßungen anstellen.
Gut ist immer eine Therapie mit Medikamenten, eine Sozio - bzw. Psychotherapie. Einigen hilft es auch, hin - und wieder stationär in einer psychiatrischen Klinik untergebracht zu sein, wenn sie sich gerade in einer zu schwierigen Phase befinden. Es ist auf jeden Fall sehr wesentlich, dass sie sich helfen lassen und regelmäßig ärztlich untersucht werden. Denn durch die viele Hilfsangebote und therapeutischen Möglichkeiten können sie ihren Alltag definitiv besser bewältigen, sodass sie (wieder) mehr Lebensqualität bekommen.

Bei deiner Mutter könnte es sein, dass sie sehr wahnhaft ist, zumindest passen deine Beschreibungen da gut in das Schema (wobei so ein Schema immer mit Vorsicht zu genießen ist!).
Das wäre dann eine "paranoide Schizophrenie".

Für die an Schizophrenie Erkrankten ist es ganz schön hart, denn ihr Leben gerät total aus den Fugen. Wer sich ständig bedroht, ängstlich, verraten oder verfolgt fühlt oder merkt, dass er ganz andere Sachen wahrnimmt als die Mitmenschen, erlebt extremen Stress. Das Gefühl, der Kopf und der Körper würden einem nicht mehr gehorchen, ist scheußlich! Oder - wie es bei deiner Mutter sein könnte - dass sie dauernd in der Angst lebt, dass dir etwas zustoßen könnte, dass Vergewaltiger, Diebe, Betrüger euch auflauern wollen usw. Das würde ihr Verhalten erklären: Wenn sie etwas hört, sieht, fühlt, was dein Vater, deine Großeltern und du nicht wahrnehmen könnt, will sie handeln, dich also beschützen, sich abschotten, aggressiv reagieren etc.
Und natürlich ist es für euch Angehörigen ebenfalls schlimm. Besonders dann, wenn die Betroffenen keine Einsicht zeigen, dass sie Hilfe bräuchten. Das macht alles noch viel schwerer, leider. Geduld und starke Nerven sind gefragt.

Was du machen kannst:
* Dich in die Thematik einlesen und schauen, ob das alles überhaupt auf deine Mutter zutreffen würde. Es gibt eine Reihe von Büchern, gerade auch für Angehörige. Als Einstiegsbuch mit recht wenigen Seiten z.B. "Ratgeber Schizophrenie: Informationen für Betroffene und Angehörige" von Kurt Hahlweg, Matthias Dose; außerdem gibt es viele Internetseiten und - foren, z.B. http://www.bptk.de/patienten/psychische-krankheiten/schizophrenie.html (eine sehr übersichtliche Seite mit verständlich geschriebenem Inhalt und weiteren Literaturempfehlungen).
* Versuche, behutsam mit deiner Mutter ins Gespräch zu kommen: Wenn du merkst, dass sie nur phasenweise "austickt", könntest du einen günstigen Moment abpassen, um mit ihr in Ruhe über deine reinen Beobachtungen zu sprechen. Deine eigentlich gute Beziehung zu ihr könnte hilfreich sein, dass sie sich motivieren lässt, einmal "unverbindlich" mit einem Arzt zu sprechen. Vielleicht würde es bei ihr etwas auslösen, wenn du ihr sagen würdest, dass es dir dann besser gehen würde (wenn es dir nichts ausmachen würde, könntest du sie als Unterstützung begleiten). Übrigens kannst du sie nicht in einer Psychiatrie anmelden. Das kann nur sie selbst veranlassen oder polizeilich/gerichtlich geschehen, wenn Eigen - oder Fremdgefährdung bestünde (z.B. wenn sie jemandem mit einem Messer angreifen würde).
* Alle ins Boot holen: Schildere deine Wahrnehmung und versuche, einen Weg zu finden, deine Überforderung und Angst zu vermitteln. Im besten Fall haltet ihr als Familie zusammen und schafft es, dass sie selbst merkt, dass sie ärztliche Hilfe braucht (auch wenn deine Mutter zunächst nicht mitmachen will, ist es doch wichtig, dass ihr Anderen euch einig seid und kooperiert). Keinesfalls solltet ihr "jeder für sich leiden", sondern euch mit Gesprächen und Hilfestellungen beistehen und euch nicht in den Rücken fallen.
* Abhängig davon, wo ihr wohnt, könntest du z.B. mit deinem Papa eine Beratungsstelle, eine Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Kranker besuchen bzw. Hilfe durch einen Sozialdienst beantragen. Ich finde es sehr wichtig, dass dir die Last von Erwachsenen so gut es geht abgenommen wird! Hier findest du eine Übersicht: http://www.netz-und-boden.de/regionale-angebote/deutschland-test.html
* Sie nicht im Stich lassen, aber trotzdem Grenzen setzen.Wenn du so leidest, solltest du erstmal vielleicht nicht mehr übers Wochenende zu ihr kommen. Womöglich wäre es besser, wenn du sie nur für ein paar Stunden siehst und nicht über Nacht bleibst. So hättet ihr noch Kontakt, doch du könntest dich besser erholen. Eine gute Erklärung ist allerdings nötig, damit sie sich nicht alleine gelassen fühlt.


So... Ich habe viel geschrieben und ich hoffe sehr, dass irgendetwas Hilfreiches für dich dabei ist.

Alles Gute für deine Mutter, deine Familie und natürlich dich!
Nuala