Anwort von PaulG

Grüße dich liebe Lena!

Ich kann wirklich gut verstehen, wie du dich fühlst. Aber du, ich finde es echt toll, dass du Verständnis für deine Mama hast. Es ist schon schwer, wenn die eigenen Eltern sich trennen. Dass du trotzdem verstehen kannst, wie deine Mutter empfindet, ist sehr gut.

Aber auch wenn du merkst, dass deine Mama für ihre Gefühle nichts kann: Es ist auch nicht deine Schuld, dass es so gekommen ist.

Ich möchte zuerst mal was zu eurem Verhältnis sagen. Du kannst ganz sicher sein, dass du ihr mindestens genauso wichtig bist, wie vorher. Sie macht auch eine schwere Zeit durch - mit deinem Vater, dem Leben das sie hatten, ist vieles auf einmal nicht mehr da, das einfach immer da gewesen ist. Sie sucht noch nach der Sicherheit, von der sie glaubte, sie schon gefunden zu haben.

Was ihr geblieben ist, das bist vor allem du - du und deine Geschwister, falls du welche hast. Man kann also sagen, du oder ihr seid das Wichtigste im Leben deiner Mutter. Das kannst du mir wirklich glauben. Denn eine Mutter ist nicht so frei in dieser Entscheidung: Sie hat dich auf die Welt gebracht, sie hat dich aufwachsen sehen - und sie hat mitangesehen, wie du unter den Ereignissen leidest. Dabei kannst du gar nichts dafür, niemand kann etwas dafür. Es sind ihre Gefühle, wie du sagst. Die sind einfach gekommen. Sie weiß, dass es dir weh tut - sie will es nicht, und doch ist es so.

Du musst wirklich keine Angst haben, dass deine Mutter dich im Stich lässt. Wenn sie schon eine Partnerin gefunden hat, wirst du trotzdem immer an erster Stelle stehen. Die Beziehung zu deinem Vater war eine, die aus der Liebe zwischen zwei Menschen kam. Wir alle wünschen uns, dass so eine Beziehung ewig hält. Aber leider ist die Liebe nicht das beständigste Gefühl auf der Welt - auch wenn sie sicher das schönste ist.

Die Liebe zwischen Mann und Frau - oder Frau und Frau, oder Mann und Mann -, kann für immer sein, muss aber nicht. Die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern dagegen, die ist unendlich. Du hast überhaupt nichts getan, warum man dich allein lassen müsste; deine Mutter würde es auch nie tun. Denn du bist ihr Fleisch und Blut, so sagt man, und so stimmt es auch. Bitte, du musst dir deshalb keine Sorgen machen. Ich weiß, ich kann sie nicht auf einmal von dir nehmen. Aber ich versichere dir, dass du keine Angst zu haben brauchst.

Was deine Klasse betrifft: Glaubst du, dass sie wirklich wissen, was mit deiner Mutter ist? Wenn ja, hoffe ich, dass du deswegen nicht geärgert wirst. In diesem Fall kannst du mit einem Lehrer darüber sprechen. Wichtig ist vor allem: Was deine Mutter fühlt, hat nichts mit dir zu tun - und wie du selbst sagst, ist es auch gar nichts Schlimmes. Wer dich deswegen ausgrenzt, hat das nicht verstanden. Als ob es schlimm wäre! Als ob du etwas dafür könntest! Nein, du kannst nichts dafür. Es ist so gekommen, und es ist völlig in Ordnung. Das solltest du immer im Hinterkopf behalten: Wer aufpassen muss, sind die Anderen. Sie wissen nämlich gar nicht, wie es sich anfühlt.

Die Beziehung zwischen zwei Frauen ist auch nicht anders, als die zwischen einer Frau und einem Mann. Das Gefühl ist dasselbe; und das Tolle an der Liebe ist ja gerade, dass sie nicht begründet oder erklärt werden muss. Dafür ist es Liebe. Man fühlt sie, und man möchte ihr nachgehen. Das ist das normalste, und eines der besten Dinge überhaupt. Ganz egal, welches Alter, welches Geschlecht, in der Liebe sind wir alle gleich. Sie kommt zu uns, und wenn wir uns bemühen, klappt es auch.

Ob deine Mutter nun schon jemand gefunden hat, oder noch auf der Suche ist: Sie hat möglicherweise selber Schwierigkeiten, es anzuerkennen. Es mag sein, dass sie sich schuldig fühlt, oder verzweifelt ist. Deswegen ist es nicht in Ordnung, dir weh zu tun. Ich bin auch sicher, dass sie das nicht will. Aber wenn es passiert, sei immer sicher: Du hast nichts falsch gemacht, auch wenn du es gesagt bekommst.

Du bist deiner Mutter weiterhin wichtig, vertrau mir! Die Dinge, wie sie jetzt sind, werden sich verändern. Auch deine Mutter wird zur Ruhe kommen, wenn sie gefestigter ist. Natürlich wird es auch dann nicht mehr so werden, wie es vor der Trennung war. Aber auf die Dauer der Zeit wird es leichter, damit umzugehen. Nochmal, ich finde es stark, wie du darüber denkst! Denn rückgängig machen lässt sich es sich nicht - aber es wird leichter werden, vertrauter, und schließlich angenehm. Was vorher war, kann dir niemand nehmen: Dein Vater bleibt dein Vater, und deine Erinnerung gehört dir. Jedoch eines hat sich nie geändert, und wird sich nie ändern. Und das ist die Bindung zwischen deiner Mutter und dir. Denn die ist einzigartig - so, wie eben nur zwischen einer Mama und ihrem Kind sein kann :)

Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft!

Paul