Anwort von Miriam

Lieber Julian,

Du schreibst, dass du in letzter Zeit WIEDER etwas bei dir auszusetzen hast. Das zeigt mir, dass du schon mal was ( vor sechs Monaten) an dir bemängelt hast und es schon mal wieder besser wurde. Ich frage mich, was du damals gemacht hast? Vielleicht kannst du das ja nochmal versuchen?

Ich denke aber, dass es sehr schwierig ist, alleine, ohne Hilfe, sein Selbstvertrauen wieder aufzustocken. Aber mit Willen zur Veränderung nicht unmöglich. Und das sehe ich bei dir gegeben. Nimm dir mal ein Blatt Papier und schreibe alles Negative auf, das du an dir auszusetzen hast. Und dann versuche neben jeden Aspekt, etwas Potives, das damit zu tun hat, aufzuschreiben. Z.B. steht dann vielleicht "Ich bin zu schüchtern." Dem könntest du z.B. entgegensetzen: "Dafür macht mich die Schüchternheit besondern einfühlsam und genügsam." Mit etwas Kreativität kannst du den meisten Punkten etwas Positives abgewinnen.

Nun, wozu nutzt das? Ich denke, so könntest du deine positiven Eigenschaften viel besser wahrnehmen und jedesmal, wenn du dich in einem Aspekt minderwertig fühlst, kommt dir gleich eine positive Eigenschaft in den Sinn. Das bedarf natürlich einiger Übung, aber wenn du dahinter stehst, dann kann das stärken.

Ein gesundes Maß an Kritik an sich selbst ist meiner Meinung nach sinnvoll. Stell dir vor, du würdest alles an dir lieben und alles was du tätest, würdest du als richtig betrachten. Sicherlich gäbe es dann in deiner Einstellung keine Entwicklung und irgendwann würdest du in Konflikt mit anderen geraten, was dann langfristig gesehen nicht gut ist.

Da deine Gedanken so aufdrängend sind, dass sie dich nur so wenig schlafen lassen, solltest du wirklich etwas unternehmen. Ich hätte auch hier einen Vorschlag. Versuche doch mal beim Schlafengehen deine Gedanken in andere Richtungen zu lenken. Sehr wirkungsvoll ist es, ein Hörbuch zu hören. Dabei drehen sich die Gedanken um das Gehörte und und deine Gedanken bezüglich zu dir selbst würden in den Hintergrund treten. Ich kenne viele, die da immer schneller eingeschlafen sind. Wenn das nicht funktioniert, könntest du es mit Klängen und Musik versuchen. Besonders beruhigende Melodien bringen dich etwas runter und fördern manchmal den Weg in den Schlaf, sofern man es zulässt.

Wenn das alles nichts hilft, dann bitte ich dich, nochmal zum Psychologen zu gehen. Du bist älter und reifer in dem halben Jahr geworden und ich denke, das könnte dir dabei helfen, dich besser zu erklären sowie besser anzunehmen, was der Psychologe dir vorschlagen würde und dadurch kann ich mir gut vorstellen, dass es dir auch was bringen würde. So wenig Schlaf auf Dauer kann schlimme Folgen haben. Du kannst dich zum Beispiel viel schlechter konzentrieren und das wäre schade.

Um mehr Selbstvertrauen das Mädchen anzusprechen zu haben, wäre es ideal, wenn du deine Stärken mehr schätzen kannst. Such dir etwas, was du gut kannst und vielleicht mag sie das auch und ihr kommt über ein gemeinsames Hobby aneinander. Dann ist das ansprechen gar nicht mehr so schwierig, wenn du weißt, wo du ansetzen kannst (an dem was ihr auch gefällt). Um dir das Ansprechen zu erleichtern, könntest du, bevor du sie ansprichst, andere ansprechen. Versuche ein paar mal am Tag jemanden, den du nicht kennst, anzusprechen. Vielleicht sitzt im Bus jemand neben dir, der gerade aus dem Fenster schaut. Du könntest dann einen Kommentar zum Wetter abgeben. Auch hier kanst du deiner Phantasie freien Lauf lassen. Am besten du siehst das dann als kleine Herausforderung, als Experiment (um zu schauen, wie andere reagieren) oder als Spiel. Wenn du das ein paar mal gemacht haben wirst, wirst du sehen, dass es gar nicht so schlimm ist. Und dann wird es dir auch leichter fallen, das Mädchen anzusprechen.

Zu deinem letzten Problem: ich schätze, du kannst lernen, wieder mit deiner Familie über dich zu reden. Gerade gibt es eine Blockade, die dich daran hindert, aber leider kenne ich die Hintergründe dazu nicht und kann dir nicht sagen, wie du die auflösen könntest. Manchmal hilft es, in einem Gespräch mit belanglosen Dingen zu beginnen und dann ganz beiläufig etwas über sich zu erwähnen. Und wenn das gar nicht funktioniert, dann konzentriere dich darauf, dass du zumindest mit deinen Freunden über solche Probleme reden kannst. Erzähle ihnen irgendetwas von deinen Sorgen, Hauptsache du verlernst das nicht ganz, denn wenn du nicht mehr über dich reden kannst, dann ist das ziemlich belastend. Wenn du immer alles in dich hineinfrisst, dann staut sich das alles an und irgendwann wird das ganze Konstrukt explodieren und das kannst du dann nur schwer kontrollieren. Ich will dir keine Angst machen, vielmehr möchte ich dich ermutigen, etwas gegen deine Probleme zu unternehmen. Ich merke, dass dein Wille groß genug ist. Deshalb hoffe ich, du könntest ihn auch richtig nutzen.

Aber dieses Problem ist etwas sehr elementares und delikates und hier mit einer Antwort leider nicht gelöst. Es wäre ein gutes Thema für einen Psychologen. Vielleicht kannst du dir das noch mal überlegen.

Inzwischen wünsche ich dir alles Beste und drücke dir die Daumen, dass du es schaffst, bald wieder ein gesundes Selbstwertgefühl zu besitzen.
Miriam