Anwort von PaulG

Grüße dich lieber Anonymer!

Ich gehöre zu denen, die dich ermutigen, deinem Talent auf jeden Fall nachzugehen! Damit aufzuhören, wäre nicht richtig - schließlich schlägt dein Herz fürs Singen. Aber bei alldem solltest du trotzdem immer versuchen, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben.

Die Konkurrenz, vor der du stehst, ist riesig. Du kannst es schaffen, wenn du es wirklich willst. Aber ich möchte dir (vorerst jedenfalls) von dem Weg über eine Bewerbung bei DSDS, The voice und so weiter, eher abraten. Würde es dir wirklich gefallen, beim Casting von ein paar Gestalten (Entschuldigung), die dich gar nicht kennen, vielleicht schlecht bewertet zu werden? Oder vielleicht vor der Fernsehnation nicht den Zuspruch zu finden, den du dir wünschst? Ich bin sicher, du verdienst ihn - aber geh die Sache besser langsam an.

Zunächst solltest du deinen Schulabschluss machen, und dabei ruhig nach dem Besten streben. Ohne eine vernünftige Ausbildung geht es nicht: Denn was, wenn du nach dem ersten Höhenflug auf einmal keinen Erfolg mehr hast? Was, wenn deine Hoffnungen, trotz allem, enttäuscht werden sollten? Wenn du deine einzige Hoffnung auf das Singen setzen musst? Viel besser ist es, erstmal in der gewohnten Bahn zu bleiben. Widme dich dabei auf jeden Fall mit aller Kraft dem Fach Musik, und gehe deinem eigenen Schaffen nach: Textest du auch Lieder, oder komponierst? Versuche, dich soweit es geht weiterzubilden: Das erhöht deine Chancen, nimmt die Leute eher für dich ein, und macht dich selbstständiger. Wenn deine Musik aus deinem eigenen Leben erzählt, wird sie viel besser ankommen; denn man wird merken, dass Arbeit und Herzblut darin stecken. Dadurch gewinnst du auch immer mehr Erfahrung und Selbstwert, und erarbeitest dir einen Vorsprung vor Anderen.

Zu der Ausbildung, von der ich sprach, sollte auch gehören, dass du einen Beruf erlernst. Was auch immer das ist, es muss nicht deine Zukunft bedeuten; aber als Künstler ist es das Beste, einen "Brotberuf" zu haben, der wichtige Funktionen erfüllt. Erstens kannst du davon leben, und bist nicht auf Verdienste aus dem Singen angewiesen, mit denen du noch nicht rechnen kannst. Zweitens kannst du, wenn es dir im Business zuviel wird, auch mal wieder in den Alltag zurückkehren. (Was dich nur umso sympathischer macht). Darüber hinaus ist es ja ein harter Job, Künstler zu sein. Über kurz oder lang muss jeder sich fragen, ob er als Künstler leben will - oder ob es ihm darum geht, sich Künstler nennen zu dürfen, aber er außerdem auch ein anderes, "normales" Leben führen möchte. Bedenke dabei auch, wie deine sonstigen Vorstellungen aussehen: Möchtest du mal heiraten, eine Familie gründen? Oder bist du ein Einzelgänger? Je nach dem, wie es bei dir privat aussieht, wirst du auch Verantwortung tragen - für Frau, Kinder und deren Wohlergehen; das sollte bei allem Erfolg nie zu kurz kommen. Denn wenn du privat ein unbeständiger Mensch bleibst, wird das vielleicht nicht gerade auf Gegenliebe beim Publikum stoßen. Außerdem ist dein persönliches Glück die erste Voraussetzung dafür, deine Kunst auszuleben. Es macht dich frei, zufrieden, kurz: Es bringt dich dazu, dein Bestes zu geben.

Nun zum Kern des Ganzen: Wie wird man Sänger? Ein Patenrezept gibt es dafür, glaube ich, nicht. Heutzutage gibt es viele Castings. Aber ich habe immer wieder den Eindruck, dass es hauptsächlich darum geht, Geld zu erwirtschaften. Da sind immer wieder echte Talente dabei, aber die meisten verschwinden schnell von der Bildfläche. Außerdem wird ihnen sehr früh aufgezwungen, wie sie sich zu geben haben, es bildet sich eine öffentliche Meinung, nicht immer eine gute... Du musst dich fragen: Bin ich bereit, das auszuhalten? Oder will ich lieber erst ins Rampenlicht treten, wenn ich mit mir selber im Reinen bin?

Die größten Sänger waren wohl die, die nie zuvorderst nach dem Ruhm gestrebt haben. Versuche einfach, du selbst zu sein. Das klingt so kitschig, aber ich meine etwas Bestimmtes: Sing für die Leute, um dich herum, lass dich nicht entmutigen. Sing für das Mädchen deiner Träume. Sing für die, die es brauchen, von einem Lied getröstet oder aufgerüttelt zu werden. Lass die Welt auf dich wirken, und lass dir keine Gelegenheit entgehen, zu glänzen - nur streb nicht gleich nach dem Allergrößten, dem ganz großen Ruhm über Nacht. Du wirst Gehör finden, Bewunderung, und dein Weg wird sich dir ebnen. Aber es ist eben auch einer, man kann ihn nicht voraussehen. Dass es ihn geben kann und wird, davon bin ich jedoch überzeugt.

Alles Gute,

Paul