Problem von Geheim - 16 Jahre

Kopftuch

Hallo, ich weiß nicht genau ob das die richtige Seite hier ist, aber wollte es jetzt mal loswerden und hoffe auf ein paar Antworten. Es geht darum, dass ich ein Kopftuch tragen möchte. Ich komme ursprünglich aus Afghanistan, bin aber hier geboren. Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit dem Islam und auch anderen Religionen, und habe jetzt für mich entschieden, dass ich bereit bin. Meine Familie ist nicht religiös und dagegen das ich eins trage, wir hatten schon soo oft heftigen Streit gehabt, sie können es mir aber nicht ausreden, ihre Gründe sind, dass wir keine Araber sind (was ich unlogisch finde, weil nicht nur Araber muslime sind), und das ich keine Arbeit finde, und schlecht behandelt werde (von nichtgläubigen).

ich bin mir im klaren, dass es probleme geben wird, aber ich möchte es trotzdem so gerne :(

Danke im vorraus

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich liebe Anonyme!

Also, ich persönlich wäre der Letzte, der dich daran hindern wollte!

Es ist interessant: Als Nichtmuslime haben wir öfters den Eindruck, dass es immer umgekehrt ist. In deinem Fall bist du es, die gern ein Kopftuch tragen würde. Ich finde es vollkommen in Ordnung. Wenn diese Tradition dir wichtig ist, und du deinen Glauben so ausdrücken magst, dann spricht doch nichts dagegen?

Das mit dem Arbeiten ist zwar ein Argument. Es kommt aber stark darauf an, was für ein Beruf es ist: Wenn du zum Beispiel Ärztin werden möchtest, könnte das Kopftuch Probleme machen. Denn im OP und an vielen Stellen gibt es die Regelung, dass Hauben getragen werden müssen, um die Haare aus dem Gesicht zu halten (der Hygiene wegen). Das Kopftuch allein hat nicht den gewünschten Effekt, auch wenn man noch so gut gepflegt ist. Für solche Gelegenheiten könntest du es daher nicht tragen. Aber je nachdem, wie deine beruflichen Vorstellungen sind, kannst du dich ja informieren.

Im Übrigen kann es sein, dass ein Kopftuch bei Bewerbungen hinderlich ist. Das sollte dich aber nicht aufhalten, damit deinem Glauben Ausdruck zu verleihen. Denn wer dich deshalb nicht einstellt, würde dich auch allein deiner Religion wegen nicht einstellen. Auf Menschen, die so beschränkt sind, solltest du keine Rücksicht nehmen.

Ich ermutige dich auch deshalb dazu, weil du einen Beitrag zur Anerkennung des Islam in unserer Gesellschaft leisten kannst. Wann immer jemand, der kein Muslim ist, von dir erfährt, dass du es freiwillig trägst (und das, obwohl deine Familie es nicht unterstützt), wird ihn das zum Nachdenken anregen. Und ich denke, das ist sehr viel wert.

Wer in der Lage ist, eine Frau schlecht zu behandeln, die ein Koptuch trägt, der behandelt auch Frauen ohne Kopftuch schlecht. Menschen, denen du wichtig bist, werden dich nie danach beurteilen. Was deine Familie betrifft, so sind deine Eltern vielleicht durch ihre eigene Erfahrung beeinflusst. Ich kann verstehen, dass sie dagegen sind - und auf keinen Fall möchte ich dazu beitragen, dass es in eurer Familie Streit gibt. Aber was ist besser: Dass du deinen Glauben lebst und das Kopftuch dir weist, wer nach deinem Inneren über dich urteilt? Oder nicht mal zu wissen, ob sie dich mit Koptuch noch akzeptieren würden?

Zu Anfang des letzten Jahrhunderts trugen Männer in Deutschland einen Hut, wenn sie das Haus verließen. So gehörte es sich. Heute kann man manchmal froh sein, wenn sie ein T-Shirt tragen. Für meine Uroma gehörte sich das Tragen eines Kopftuches. Ich sage das nicht, um dem Besonderen deines Glaubens zu widersprechen. Ich möchte ausdrücken, dass in unserer Zeit viele Traditionen verloren gehen, weil niemand mehr danach fragt, ob sie eingehalten werden. Wenn sich Leute wie du finden, die es freiwillig tun, weil es ihnen etwas bedeutet - dann ist das ein großer Gewinn.

Alles Gute und liebe Grüße,

Paul