Problem von Dori - 29 Jahre

Probleme mit meiner Schwester

Hallo, ich hab ein Problem mit meiner Schwester. Seit ca. 3 Jahren ist sie total distanziert. Wir haben uns als Kinder nicht besonders gut verstanden (sie ist 6 Jahre älter als ich ), aber als Jugendliche und in den 20igern ganz gut verstanden. (Ich bin nun 29, sie 35).Vor drei Jahren habe ich meine Ausbildung beendet und sie ist zeitgleich schwanger geworden. Ich wurde zum ersten Mal Tante und habe mich sehr gefreut, die Ausbildung hatte ich auch beendet, alles perfekt. Seitdem ist meine Schwester aber eigenartig. Fast so, als hätte sie mir den Abschluss meiner Ausbildung nicht gegönnt, sie bezeichnete mich auch unterschwellig mehrmals als "dumm" bzw. "blond". Das hab ich halt irgendwie ignoriert, obwohl es mich geärgert hat. Als das Baby auf der Welt war, hat sie mir unterstellt ich würde sie nicht unterstützen, was überhaupt nicht stimmt. Dann kam es wegen Kleinigkeiten zu einem Streit. Ich habe ihr einmal alles gesagt, was mich stört und sie hat wieder damit angefangen, dass ich sie mit dem Baby nicht unterstütze. Ich bin dann gegangen und es war einige Monate Funkstille. Ich habe ihr daraufhin einen Babysittergutschein geschenkt um so meine Unterstützung nochmals auszudrücken, aber das hat sie als "lächerlich" abgetan. Von Bekannten habe ich gehört, sie sehe das als Provokation, so als könnte sie sich nicht um ihr Kind kümmern. Die Stimmung ist nun sehr kühl und distanziert und ich habe mich auch zurückgezogen, melde mich nur noch bei besonderen Anlässen (Weihnachten, Ostern..). Von ihr kommt gar nichts. Mein Problem ist nun, dass ich meine Nichte fast gar nicht kenne und sie mich auch nicht und das finde ich sehr schade. Ich schaffe es auch nicht mit meiner Schwester darüber zu reden. Und das Lächerliche daran ist, dass ich sehr gerne auf meine Nichte aufpassen und mit ihr spielen und was unternehmen möchte. Was meint ihr dazu?

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Dori,

Du schreibst:
"Fast so, als hätte sie mir den Abschluss meiner Ausbildung nicht gegönnt, sie bezeichnete mich auch unterschwellig mehrmals als "dumm" bzw. "blond"."

Und ich denke, dass Du damit das "Problem" sehr gut umschreibst, das Deine Schwester mit Dir hat. Die Ausbildung abgeschlossen zu haben ist ein ähnlich gravierender Einschnitt in unserem Leben, wie die Geburt eines eigenen Kindes.
Nur gehen die beiden Einschnitte in ganz unterschiedliche Richtungen: Mit der Ausbildung fertig sein bedeutet zuerst einmal eine ganze Menge an persönlichen Freiheiten, sobald man dann auch den richtigen Job gefunden hat.
Es ist quasi soetwas wie der Beginn eines selbst bestimmten Lebens. Du brauchst nicht mehr auf alle Rücksicht zu nehmen, kannst Deine eigenen Pläne schmieden:
es ist ein Punkt, der erstrebenswert ist und wo andere schon mal neidisch werden können.......

......Vor allem, wenn Schwester realisiert, dass ihr eigenes Leben nun erst einmal auf lange Zeit eher fremdbestimmt sein wird: Kind und Mann und Familie allgemein, während Du "frei" wirst, ist es vielleicht nicht verwunderlich, wenn da so eine Art Missgunst aufkommt?
Selbst wenn Deine Schwester das vormals als ihr Lebensziel definiert hatte, ist die Umstellung wohl nicht einfach.
Es gibt da viele denkbare Szenarien, die das Verhalten Deiner Schwester erklären könnten. Das geht hin bis zu der Möglichkeit einer postnatalen Depression.

Solche unverständlichen Vorwürfe, die sie Dir gemacht hatte z.B.: zuerst meckern, dass Du ihr mit dem Kind nicht hilfst und dann Dein Hilfsangebot als "lächerlich" oder gar "böswillig" darzustellen kann ja wohl nur bedeuten, dass sie das alles nicht so richtig einordnen kann.
Einerseits fühlt sie sich überlastet und allein gelassen. Und andererseits sieht sie es als Pflicht einer guten Mutter an, keine Hilfe anzunehmen? Sich und der Welt zu beweisen, dass man als Mutter vollkommen ist?

Dazu fallen mir gleich eine ganze Reihe von Fragen ein, um das Ganze selbst auch nur ansatzweise einordnen zu können:
Was hatte Deine Schwester beruflich gemacht, bevor das Kind kam? Hat sie einen Beruf ausgeübt?
Welchen Abschluss hat sie? Welchen hast Du?
Wie war und wie ist sie familiär eingebunden? Ist sie verheiratet und hat mit ihrem Mann bereits vor dem gemeinsamen Kind zusammen gelebt?
Hat sie evtl. gemeinsam mit euren Eltern gelebt?
Was hatte sie damals an "Freiheiten", die sie nun der Familie opfert?
Wie war das bei Dir? Wie ist das im Augenblick bei Dir?



Weißt Du worauf ich hinaus will, Dori?

Um Deine Schwester und ihre - so wie Du es schilderst - recht unverständlichen Reaktionen zu verstehen gibt es nur zwei Ansatzpunkte:

entweder sie ist krankhaft "geltungsbedüftig",

oder ihr beide redet und fühlt konsequent aneinander vorbei, weil es wirklich keine Gemeinsamkeiten gibt, die euch zusammenführen könnten!

Ich will auch Dir mein Lieblingszitat an Herz legen:

"Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." (Antoine de Saint-Exupéry, Der Kleine Prinz)


Soll auf euch Schwestern bezogen wohl bedeuten: Es bringt nichts, den Mund aufzumachen (miteinander zu sprechen), wenn nicht zumindest die eine von euch, die den Anfang macht, auch ihr Herz öffnet!?
Ist ein Scheiß! Ich weiß! Weil man dadurch verletzbar wird!
Und dazu fällt mir nur mein Lieblingslied ein: das Hohelied der Liebe! (kannst Du ja mal "googeln")

Dori,

ich schreibe es nun mal ganz ehrlich, kurz und knapp:

Deine Schwester hat keinen Grund, Dich anzugreifen oder 'runterzuputzen!
Soweit tue ich mich wirklich leicht mit meiner Antwort!

Aber es geht Dir ja wohl in der Hauptsache darum, einen Draht zu ihr und zu Deiner Nichte zu bekommen?!
Und da ist es nicht leicht, einen Rat zu geben!

Rechne damit, dass Dein Anliegen falsch verstanden wird!
Rechne damit, gedemütigt oder beleidigt zu werden!
Rechne mit allem!

Und lasse Dich nicht von Deinem Ziel abbringen, Deine Liebe mitzuteilen: Deiner Schwester und Deiner Nichte!

Ich würde es Dir, Deiner Schwester und Deiner Nichte von ganzem Herzen gönnen, wenn Liebe über Neid, Hass oder gar Gleichgültigkeit triumphiert!

Alles Liebe,

Bernd