Problem von Anonym - 18 Jahre

Mein Vater ist alkoholiker

Seitdem ich denken kann trinkt mein Vater. Als ich kleiner war, war es nicht so schlimm da er tagsüber arbeitete aber seit 5 Jahren ist er in einer Vorschuss Pension weil er krank ist. Was meiner Meinung nach klar ist, wenn ein Mensch 40 Jahre lang jeden Tag Alkohol und Nikotin konsumiert muss der Körper ja mal reagieren.
Es wär ja kein Problem wenn er trinkt, kann er ja machen wenn es ihn glücklich macht. Das Problem ist dass wenn er trinkt dreht er total durch. Ich bin 18 Jahre alt und er verbietet mir die einfachsten Sachen. Wenn ich mal mit einer Freundin was trinken gehen möchte muss ich ihn eine Stunde vorher um Erlaubnis fragen und meistens sagt er nein, aber ich gehe trotzdem weil ich keinen Grund sehe nicht zu gehen. Da eskaliert die Situation schon meistens. Er dreht durch warum ich nicht auf ihn höre und er gibt meistens meiner Mutter die Schuld. Sie beschützt mich immer, weil ich ja nichts Schlimmes mache.
Seiner Meinung nach müsste ich den ganzen Tag zuhause sitzen, für die Schule lernen und meiner Mutter mit dem Haushalt helfen. Das mach ich ja auch aber ich darf ja wohl meine Freizeit haben?
Das ist ja nicht mal das Schlimme, er ist streitsüchtig. Er sucht bei jeder Kleinigkeit streit. Wenn meine Mutter kocht ist es zu salzig oder nicht gut oder sie "kann nicht kochen" was er immer sagt, was aber natürlich nicht stimmt. Er schreit immer rum, die ganze Nachbarschaft redet nicht mehr mit ihm, weil er sich mit jedem zerstritten hat.
Ab und zu wird er sogar handgreiflich, zu Silvester war die Polizei bei uns weil er durchgedreht ist und die Stühle durch die Wohnung geschmissen hat.
Ich würde so gern ausziehen aber ich will meine Mutter nicht mit ihm alleine lassen, und sie lässt sich nicht überreden sich zu Scheiden oder sich wenigstens zu trennen. Sie sagt immer dass ich bald ausziehen werde und wenn sie älter wird will sie nicht allein wohnen.
Da kann ich sie verstehen aber bevor ich mit so einem Menschen zusammenlebe der mir alles verbietet, den ganzen Tag nur am kritisieren und rumschreien ist, würde ich ihn lieber verlassen.
Ich wäre um eine Antwort dankbar, da ich es zuhause echt nicht mehr aushalte aber auch nicht ausziehen kann weil ich ja noch Schülerin bin und meine Mutter nicht allein mit ihm lassen möchte.

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte!

Ich glaube, eure Familie wäre gut geeignet für einen "Familienhelfer". Das sind Sozialarbeiter, die vom Jugendamt oder der Caritas oder anderen sozialen Einrichtungen in die Familien kommen und dort eine Weile mit vor Ort sind, die Probleme auf den Tisch bringen und an der Lösung mit den Familien zusammen arbeiten.

Man sieht hier ziemlich klare Fakten: Despotischer und süchtiger Vater, devote und einsame Mutter, verzweifeltes Kind, das nicht ausziehen will, weil es die Mutter nicht noch mehr alleine lassen will.

Jetzt käme es drauf an zu schauen, woher welche Probleme kommen. Warum ist dein Vater so wie er ist? Was hat ihn in die Sucht getrieben und wie kann er da raus? Meist sind schwerwiegende psychische Probleme dafür verantwortlich und eine völlig fehlende Selbstliebe. Und dann wird deine Mutter noch mehr runtergemacht, damit dein Vater nicht den Eindruck hat, der absolute Versager und Unterste in der Familie zu sein. Deine Mum scheint ebenfalls kein Selbstwertgefühl zu haben, denn sie erträgt es einfach. Du hast eine soziale Einstellung (lobenswert), die dich aber momentan in deinem eigenen Werdegang behindert.

So kann es ja nicht weiter gehen, das siehst du ja selbst.

Du bist nicht für das Unglück deiner Familie verantwortlich. Das sind vor allem deine Eltern, weil sie nichts an dem ändern, wie es gerade ist. Dein Vater ist in der Sucht gefangen und deine Mutter tut nichts, um seinen Leidensdruck zu stärken, sie lindert ihn sogar, indem sie zu ihm hält, egal, wie fies er zu ihr ist. Dein Vater bräuchte als Erster Hilfe, dazu deine Mutter und dann auch du, denn auch du müsstest lernen, wie du mit deiner Vergangenheit leben kannst und wie sich das alles aufdröseln lässt. Auf keinen Fall darf das alles damit enden, dass du einfach in der Familie bleibst und dich selbst beschneidest in dem, was du wirklich willst.

Das ist SO verkeilt bei euch, dass da wirklich ein Fachmann dran müsste. Ich meine das auch total ernst, denn das kann kein Laie, ihr in der Familie selbst schon mal gar nicht. Es gibt jetzt verschiedene Wege.

1. beim Jugendamt mal nachfragen, welche Möglichkeit für einen Familienhelfer drin ist, bzw welches Amt da zuständig wäre, nachdem du 18 bist. Normalerweise bleibt das Jugendamt bis 25 zuständig, von daher ist es die erste Anlaufstelle, die ich dir anraten würde.

2. es gibt auch Beratungsstellen für Angehörige von Alkoholkranken. Da hilft dir Google weiter, gib dazu deine Heimatstadt ein oder die nächst größere, falls eure Stadt zu klein ist, um Ergebnisse zu liefern. Dort beraten Menschen, die die Sucht hinter sich haben, zusammen mit Psychotherapeuten und du könntest dich informieren, welche Wege es noch gibt und vor allem: wie du damit umgehen kannst.

3. einen gesunden Egoismus leben und ausziehen, auch wenn du deine Eltern dann sich selbst überlässt.
Das ist die allerschwerste Version eines Weges, weil man dann gegen sein schlechtes Gewissen arbeiten muss, aber durchaus auch sinnvoll. Von außen hat man auch mit Abstand noch Handhabe, bzw kann im Gespräch bleiben, man ist aber selbst nicht mehr so belastet. In erster Linie sollte es auch darum gehen, dass du dich entspannen kannst und nicht mehr unter dieser Situation leiden musst. Danach könnte man deine Mutter als "Ziel" angehen.

Es ist ja auch so, dass Menschen sich grundsätzlich nur aus einer Leidenssituation bewegen, wenn der Leidensdruck hoch genug ist. Menschen, die in ihrem Leid feststecken und die Augen davor verschließen, sind meist total taub für Anregungen und Hilfe, weil sie die gar nicht haben wollen, sie wollen ja nichtmal sehen, was da mit ihnen passiert. Das gilt für Suchtkranke genauso, wie für Menschen, die darunter leiden, Menschen, die psychische Probleme oder Schäden erlitten haben oder sonstige seelische Krankheiten haben.

Sie müssen sie erst ERKENNEN...dann ist auch eine Arbeit mit ihnen möglich. Vorher nicht. Da kannst du Kopfstand machen und dich selbst aufopfern, es wird nichts.

Von daher ist mein eindeutiger Rat: zieh aus, so dass du schon mal aus diesem Dunstkreis rauskommst (Selbstschutz ist nicht zu unterschätzen!), mach dich schlau bei den Ämtern und bei der Beratung und zieh einen Fachmann/eine Fachfrau mit ins Boot, die mit euch/mit deinen Eltern das aufarbeitet, was so gehörig schief läuft. Und wenn es drauf hinaus läuft, dass deine Mutter stark genug ist, deinen Vater zu verlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass komplett alles sich in Luft auflöst, ist natürlich gegeben, aber sehr gering. Dafür sind zu viele Probleme präsent.

Du lässt deine Mutter ja nicht alleine, wenn du gleichzeitig versuchst, ihr auch zu helfen. Ihr Leidensdruck ist auch nicht groß genug, sie hält lieber aus. Die Situation ist so verfahren, dass vielleicht dein Auszug sogar Leben in die Sache bringen könnte.

Und noch etwas: wenn deine Eltern sich komplett gegen deine und die fachliche Hilfe sperren, dann musst du sie lassen. Denk dran, wie schon gesagt: du bist NICHT verantwortlich dafür, dass ihre Ehe so läuft, dass deine Mutter kuscht und dein Vater trinkt. Das ist IHR Leben. Wenn du also versucht hast zu helfen und nichts passiert oder wird sogar komplett verweigert, dann musst du sie innerlich "gehen lassen". Das schmerzt dann zwar, weil du natürlich gerne helfen willst, aber es ist wichtig, dass du dich dann innerlich abnabelst. Das bedeutet nicht, dass du deine Eltern nicht mehr sehen sollst, bzw deine Mutter. Das heißt nur, dass du abwarten musst, bis deine Mum es irgendwann selbst zum Thema macht, wenn sie nicht mehr kann. Aber das ist Schnee von überübermorgen. Nun erstmal die ersten Schritte gehen.

Ich wünsche dir viel Erfolg und Durchhaltevermögen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn du so in einem halben Jahr/Jahr mal hier unter Feedback erzählst, was so geschehen ist und wie viel Fortschritt es gegeben hat.

Alles Liebe!

Dana