Problem von Cindy - 22 Jahre

Wie soll es noch weitergehen? teil 4

Okay
Leider fing mein Leiden im Kindergarten an. Da ich mit 4 jahren an einer Mittelohrentzündung litt (was meine Eltern nicht wussten) konnte ich nichts mehr hören und verlernte das Sprechen. Tja und nach der Operation ging es wieder los mir das reden beizubringen, dadurch verstanden mich meine Kindergartengruppe nicht. Ich wurde dadurch eine Außenseiterin.
In der Schule leider das gleiche Problem.
Durch meine Unterfunktion nahm ich schnell zu und wurde dadurch das Opfer vieler Hänseleien. Ich wurde auch von den Jungs verprügelt, angespuckt und getreten.
Selbst meine Lehrerin war eine Bestie. Ich reagierte langsamer als andere Kinder und hinkte hinterher ( ja wegen meine Unterfunktion).
Sie bezeichnete mich als faul, dumm ect.
Es wurde alles immer schlimmer. Meine Eltern konnten nichts machen, weil sich die Lehrer gegenseitig beschützen. Daher stand ich ganz alleine mit meinen Problemen.
Mit 7 jahren dachte ich an Selbstmord.
Mit 12 Jahren zog ich mit meiner Familien mehr in die Stadtmitte und war froh dieser Schule den Rücken zu kehren. Die andere Schule war moderner und nicht so grausam wie die andere. Leider ging der Alptraum wieder von vorne los. Nur wurde ich mehr seelisch verletzt, was aber genauso schlimm ist.
Auf der Hochschule war es die Hölle, weil leider im gleichen Jahr mein Onkel tödlich verunglückt ist.
In der 9 Klasse bin ich sitzengelieben und musste sie wiederholen und genau da fing es richtig an. Eine Mitschülerin, war genau die, die alles verursacht hatte. Keiner konnte was unternehmen. Selbst nicht der Direktor. Als einzigstes Mittel wurde beschlossen das ich zur einer Schulpsychologin musste. Als hätte ich schuld an allem. Das lustige war, das eine Sozialpädagogin einen Sohn hatte, der in meine Klasse ging und bei der ganzen Hänselei dabei ist.
Ich stellte mich der Psychologin stur, Sie stellte mir fragen über mein Privatleben, Als wenn meine Eltern schuld wären.
Naja ich musste halt durch. Ganz alleine. Von allen Wurde ich im stich gelassen.
Nach der Schule war ich eine gebrochene Person. Ich vertraute keinen Menschen mehr. Selbst bei Menschen die gute Absichten hatten.
War auch in ersten Tag meiner Ausbildung der Fall.
Ein Azubikollege im 2. Lehrjahr ging auf mich zu und ich dachte was er vor hatte, aber er krempelte nur meine Ärmel von meiner Kochjacke hoch. Tja bis ich wieder war wie Vorher vergingen Monate. Die Mauer um mich war zerstört worden.
Das war meine Kindheit.

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Cindy,

Das ist ja wirklich eine bittere Geschichte. Zuerst dass es mit der Mittelohrentzündung niemandem frühzeitig aufgefallen ist. Das tut doch meist höllisch weh.
Wie gemein Kinder zu Altersgenossen sein können kann ich mir gut vorstellen. Du musst wirklich durch die Hölle gegangen sein.
Das mit der Schulpsychologin und der Sozialpädagogin verstehe ich nicht ganz: war das ein und dieselbe Person? Oder zwei verschiedene?
Warum ich das frage?
Wenn es eine Person ist. Und zwar genau die, deren Sohn in Deiner Klasse auch auf Dir herumgehackt hat, kann ich Dich verstehen, wie Du Dich ihren Fragen gegenüber gefühlt haben wirst. Dass Du auf stur gestellt hast.

Wenn die Psychologin eine andere Person war, kann ich zwar auch Deine Vorbehalte verstehen. Deine Angst, dass alle Fragen nur darauf abzielen könnten, Deiner Familie und Dir selber für alles Schuld zu geben.
Aber die Aufgabe eines Psychologen ist es, alles zu hinterfragen. Dazu gehört auch Deine Geschichte und Deine Familie und alles sonst.
Viel intensiver noch, als wir es ja hier gerade tun. Aber dadurch, dass auch ich Dich nach der Geschichte Deiner Kindheit gefragt hatte siehst Du doch eigentlich, dass es dabei nicht um Schuldzuweisungen geht. Es geht darum, Dich zu verstehen: was dazu beigetragen hat, dass Du nun so drauf bist.
Du schreibst z.B.:
"Sie stellte mir fragen über mein Privatleben, Als wenn meine Eltern schuld wären."
Nun hattest Du gerade gelesen, dass ich auch darüber gestolpert bin, warum solch eine schmerzhafte Mittelohrentzündung unentdeckt bleibt. Hattest Du immer die Zähne zusammengebissen, damit niemand Deinen Schmerz bemerkt? Oder haben Deine Eltern es einfach so abgetan? Warum sind sie nicht (oder auf jeden fall zu spät) mit Dir zum Arzt?

Verstehe mich bitte richtig: Es geht hier nicht darum, Deinen Eltern eine Schuld zu geben! Das war damals, als Du zu der Psychologin gehen "musstest" schon Schnee von gestern!
Einen Schuldigen zu finden macht das was Dir geschehen ist ja nicht ungeschehen!
Aber sie hätte vielleicht herauslesen können, ob und wo Deine Eltern eventuell damit überfordert sind, sich um ein Kind zu bemühen?
Es gab und gibt da z.B. Familienhilfe vom Jugendamt. Nicht um Eltern zu "Schuldigen" zu machen, sondern um ihnen zu helfen, besser ihren Kindern gerecht werden zu können.

Cindy, ich kann mir wirklich lebhaft vorstellen, dass jemand, dem so übel mitgespielt worden ist in jeder Frage zuerst einmal die Gefahr wittert: "Was steckt da nun wieder für eine Boshaftigkeit dahinter?"
Manchmal geschieht es dann aber doch, wie Du es hier geschildert hast:
"Ein Azubikollege im 2. Lehrjahr ging auf mich zu und ich dachte was er vor hatte, aber er krempelte nur meine Ärmel von meiner Kochjacke hoch."

Vielleicht ist gerade jetzt die richtige Zeit, nicht hinzuschmeißen, sondern Vertrauen zu fassen?
Irgendwie ist ja auch, dass Du schreibst ein Beweis dafür, dass Du danach suchst!
Und irgendwie ist es stark von Dir, den ersten Schritt in diese Richtung zu gehen!

Weißt Du was ich toll fände?

Wenn Du den Freunden, die Dich belasten sagst: "Probleme habe ich gerade selbst genug! Brauche nicht noch zusätzliche".
Also lasse Dich nicht mehr ausnutzen!

Wenn Du Dir den Kopf freihältst, um Deine Ausbildung durchzuziehen!
Damit Du siehst, dass Du schaffen kannst, was Du Dir wirklich vornimmst! Dass Du stolz auf Dich bist! Und zufrieden!
Damit Du erkennst, dass Du Dir dadurch ein Stück Freiheit erkämpft hast!

Und zum Schluss: wenn Du den Mut aufbringst, Dir vor Ort einen Therapeuten zu suchen, zu dem Du Vertrauen fassen kannst!
Nicht weil Du krank bist! Nicht weil Du an irgendetwas Schuld hast!
Sondern weil ein Therapeut Dir sehr viel besser raten kann, als wir das können! Er kann Dir die richtigen Fragen stellen, damit ihr die richtigen Antworten miteinander findet!

Es wäre so wichtig, den Unterschied zu der Psychologin damals zu erfahren: damals wurdest Du zu ihr geschickt!
Heute hast Du es in der Hand, Dich ein Stück weit von jemandem begleiten zu lassen, der Dich annimmt und dem Du vertrauen kannst: heute hast Du auch das Recht zu sagen, wenn das Vertrauensverhältnis zum Therapeuten nicht stimmt: dann suchst Du Dir einen Anderen!
Wo Du Dich damals ausgeliefert gefühlt hast: wenn Du nun den nächsten Schritt wagst, bist Du, Die die Fäden in der Hand hält!

Wie auch immer Du Dich entscheidest. Ich würde mich freuen, wenn Du nochmal von Dir hören lässt!

Alles Liebe,

Bernd