Problem von Anonym - 20 Jahre

sehe einfach keine perspektive...

Meine Leben war noch nie sehr schön. Mein Vater ist an Schizophrenie erkrankt als ich noch sehr jung war. Letztendlich mussten wir von zu Hause fliehen und ich hatte 9Jahre keinen Kontakt zu meinem Vater. Ich hatte dann nur noch meine älteren Geschwister und meine Mutter. Kindergartenfreundschaften zerbrachen, auch weil sie sich über uns lustig machten, auch weil wir arm waren und auch Hilfe angewiesen. Fast niemand wusste was bei uns los war, aber jeder zerriss sich sein Mundwerk über uns.
Neue Freunde fand ich nur schwer, ab und an traf ich mal einen alten, aber das war nicht mehr wie früher. So verbrachte ich die meiste Zeit mit mir selbst, und wenn meine Geschwister da waren mit ihnen. Ich war schon immer recht schüchtern, dass erschwerte die Freunde suche. Ich spielte Fußball, das war mit das einzigste soziale Umfeld. In der Schule war ich weder beliebt noch unbeliebt.
Verliebt war ich, aber darüber hinaus war ich eher ein Spätzünder und auch zu schüchtern um mit Mädchen zu reden. Ich war viel alleine und fiel damals schon ein wenig in ein Tief, doch im Teenager Alter bekam ich dann noch neue Freunde. Zuvor hatte ich auch das Gefühl das ich negativ auf meine Mitmenschen wirken würde. Über meinen Bruder fragten ein Paar Fußballkollegen ob ich nicht mal mit ihn feiern würde. Seit diesem Abend hat die Freundschaft begonnen. Doch in unsere Gruppe war ich auch oft zurückhaltend bzw. sprach nicht viel. Doch ich hatte scheinbar echt gute Freunde gefunden. Das gab mir Mut und Hoffnung, dass ich auch in der Lage bin eine eigene Familie zu haben. Es verging Jahr für Jahr und ich war viel feiern mit meinen Freunden, doch letztendlich habe ich meinen ganzen Leben noch nicht ein Mädchen angesprochen. Das hat mich immer ein wenig runtergerissen, aber ich sprach mir immer wieder Mut zu(erfolglos).
Anfang des Jahres hat eine belanglose Konversation meiner Freunde mich noch viel weiter runtergerissen. Ein Freund ging ein halbes Jahr ins Ausland und so sprachen sie über vergangenes(ich hörte mehr zu wie immer). So kamen sie auf einmal auf das Thema wie die Freundschaft mit mir begann. Ich selbst habe es noch gut in Erinnerung (wie weiter oben geschrieben). Doch ihre Version war ein Schock für mich. Meine Freunde erzählten sich, wie komisch ich war und wie eigenartig ich gewesen sei. Sie witzelten darüber, dass mein Bruder sie mehrmals gebeten hat mit mir was zu machen damit ich nicht nur zu Hause bin. Irgendwann gaben sie dann wohl nach und fragten mich halt.
Das konnte ich nicht vergessen. Ich überdachte die letzten Jahre und hörte bei jedem Kommentar genauer hin. Und gerade unter Alkohol fielen Dinge, die weh taten.
Früher schon kam Äußerungen nebenbei wie: „du hast den Abend mal wieder echt bereichert“, „was der *** sagt kann man nicht verstehen“ oder „was stimmt nicht mit dir“. Ich nahm diese Äußerungen meistens als Spaß auf. Letztendlich zeigt das mir aber das sie über mich eigentlich genauso denken wie als ich noch nicht ihr „Freund“ war und sie finden das ich nicht zu gebrauchen bin.. Dann war auch die Tatsache das sie nie fragten wo ist eigentlich dein Vater? Von alleine konnte ich natürlich erst recht nicht sprechen, aber meine Freunde haben noch nie mal aus Interesse danach gefragt.
Seit dem habe ich mich immer mehr zurück gezogen. Habe nicht mehr viel gemacht. Weil ich meine Freunde nicht für Freunde halte, aber das wissen sie nicht. Dann bin ich nochmal mit gegangen feiern. Wir waren alle sehr betrunken, der eine mal wieder total am Ende. Er war ein wenig gereizt. Dann sagte er zu mir: „Welche Frau würd schon was mit dir machen. Wir sollten dir zum Geburtstag ne Nutte bezahlen“. Das Kommentar nahm ich wie immer regungslos hin, innerlich hätte ich heulen können. Darum entstand auch kein Konflikt und die vollen Eulen wissen eh nicht mehr was gewesen ist, außer mal wieder ich…
Und das riss noch viel weiter runter bis jetzt, was auch seine Folgen hatte. Ich wäre jetzt im zweiten Semester. Das erste Semester meisterte ich locker ohne oft in der Uni gewesen zu sein. Im zweiten Semester ging ich überhaupt nicht mehr, konnte deswegen an keiner Prüfung teilnehmen - ich ging nicht weil mir einfach der Antrieb fehlte. Ich wuchs mit sehr wenig auf .. Ich weiß was wichtig ist und Geld ist bestimmt nicht das wichtigste, aber notwendig. Familie zählt, aber ich ich werde wohl nie in der Lage sein eine eigene Familie zu haben... Also wozu das alles? Habe jetzt das Studium gewechselt, weil man ja irgendwas machen muss. Meine Familie denkt das mein erster Studiengang nichts für mich war und ich deshalb wechselte. Den wahren Grund kennen sie nicht und ich möchte ihnen keine Sorgen und Kummer bereiten. Das neue Studium fängt bald wieder an, aber meine Perspektive hat sich nicht geändert..... Wollts einfach mal loswerden, weil ich keinen habe mit dem ich darüber reden..

Bernd Anwort von Bernd

Hallo,

ich hatte mal auf eine ebenso ungewöhnliche Weise einen Freund gewonnen, wie Du es beschreibst: als ich noch in der Grundschule war fragte mich meine Mutter nach einem Elternabend mal, ob ich einen Jungen in der Parallelklasse kenne. Ich kannte ihn, hatte aber keinen Bezug zu ihm.
Meine Klassenlehrerin hatte meiner Mutter gesagt, dass dieser Junge von anderen tyrannisiert wird und bat meine Mutter auf mich einzuwirken, ihm vielleicht mal gegen die anderen zu helfen.

Der Junge und ich wurden Freunde!

Zuerst war es vielleicht bei mir das tolle Gefühl, "Beschützer" zu sein. Eine Aufgabe zu haben.
Aber im Laufe der Zeit wurde es ganz anders: wirkliche Freundschaft, die nix mehr mit dem Anlass zutun hatte, aus dem diese Freundschaft entstanden war!

Wenn wir nun nicht mehr freundschaftlich verbunden sind, hat das sicherlich auch den Grund, dass wir im Laufe der Zeit erkannt haben, dass wir einfach zu wenig gemeinsame Interessen haben.

Wenn ich nun meinem Freund im Suff oder auch sonst sagen würde: "ohne die Klassenlehrerin von ehedem wärest Du niemals mein Freund geworden", ist das natürlich ein Stück weit wahr!
Aber unsere Freundschaft war genauso wahr!

Irgendwo ist Freundschaft niemals ein statisches Bild! Freundschaft verändert sich, wie unser Leben sich entwickelt!
Ähnlich wie die Liebe eines Paares!
Jeder Mensch entwickelt und verändert sich ganz unterschiedlich!

Mir kommt das, was Du schilderst so vor, wie der böse Streit eines Paares, das gerade dabei ist, sich zu trennen.
"Rosenkrieg" nennt man das wohl unter Paaren!
Und da wird oft alles, was jahrelang gut und richtig war auf einmal zerredet und in den Schmutz gezogen.

Überlege doch einmal: wenn Deine Kumpels es nicht gewollt hätten, dann hätten sie vielleicht ein- oder zweimal Deinem Bruder den Gefallen getan, Dich mitzunehmen.
Aber sie hätten genau so schnell auch Gründe gefunden, es möglichst bald wieder zu beenden.
Haben sie aber nicht!
Dass Du in der Clique nicht der "Macher" warst. Nicht der "Boss" aber auch nicht der "Pausenclown": nicht der der die Ideen produziert oder die Gruppe anführt, und nicht der immer und unbedingt gute Stimmung verbreiten muss:
hast Du selber doch für Dich auch schon erkannt?!
(Du schreibst dazu: "Doch in unsere Gruppe war ich auch oft zurückhaltend bzw. sprach nicht viel.")

Deine Freunde scheinen gerade in einer Phase zu sein, wo sie die Rollen analysieren, die jeder in den letzten Jahren in der Gemeinschaft gespielt hat. Dabei ist kaum jemand sich immer der Wirkung dessen bewusst, was er sagt! Nicht nur, wenn sie betrunken sind! Auch, weil mancher sich nicht viele Gedanken darüber macht, wie ein Zuhörer das aufnimmt, was da leichthin "geschwätzt" wird.

Ein Beispiel, das mir selbst einmal sehr blöd aufgestoßen war:
Von der Band, in der mein Sohn mal Sänger war gibt es ein Radiointerview, in dem es heißt: "wir haben uns von unserem Sänger getrennt!"
Sag Du selber: wie würdest Du das auffassen?
Ist doch eigentlich eine andere Formulierung für: wir haben ihn rausgeschmissen! Oder?
Tatsächlich ist mein Sohn nach dem Abitur für ein Jahr nach Australien gegangen und sagte der Band auch, sobald er den Entschluss gefasst hatte, dass er dann wohl nicht mehr mit ihnen zusammen musizieren könne.
Eigentlich sind alle heute noch gute Freunde!
Und trotzdem kam eine solch schräge Formulierung zustande!
Warum?
Weil sich der, der das in dem Interview gesagt hatte schlichtweg nicht besser ausdrücken kann! Und nicht, weil er meinem Sohn eins reinwürgen wollte.

Ein wenig kommt es mir bei dem, was Deine Freund sagen ähnlich vor!
Im Grunde beurteilen sie Dich nicht sehr viel anders, als Du Dich selber siehst: Schüchtern und zurückhaltend!
So kennen sie Dich und so haben sie Dir die Freundschaft gehalten!
Sie haben Dich vielleicht das eine oder andere Mal versucht, Dich aus Deiner Deckung zu locken, aber im Grunde haben sie Dich so akzeptiert und genommen, wie Du bist!

Warum fällt es Dir ausgerechnet jetzt so sehr negativ auf? Warum finden Deine Freunde gerade nun vermehrt Sprüche, die Dir sauer aufstoßen?

"Ein Freund ging ein halbes Jahr ins Ausland und so sprachen sie über vergangenes(ich hörte mehr zu wie immer). "

Unabhängig von Dir ist Deine Clique wohl in Bewegung geraten?
Der eine geht für recht lange Zeit ins Ausland. Und andere werden beginnen, sich mehr an einem Partner zu orientieren, als an den Kumpels von ehedem!

Ich finde es schade, dass Du nun begonnen hast, alles auf die Goldwaage zu legen, was Deine Freunde sprechen.
Und noch bedauerlicher, dass Du begonnen hast, jedes Wort in der negativsten Sichtweise persönlich zu nehmen!

Echte Freunde sind nicht nur dazu da, mich zu streicheln, mir Recht zu geben, nach dem Maul zu reden und zu allem zu nicken, was ich sage!
Manchmal brauche ich einen Tritt in den Arsch! Und dass erwarte ich von einem Freund! Es ist für mich kein persönlicher Angriff, sondern ein Akt des Wachrüttelns!
Ein Freundschaftsdienst!

Bitte versuche Deine Freunde vielleicht auch unter diesem Aspekt noch einmal zu beurteilen!

Ich denke eigentlich, dass Du recht gute Freunde hast!

Ziehe Dich nicht zurück, sondern versuch sie zu verstehen!
Setze Dich mit ihnen auseinander! Das hilft Dir, Dich mit Dir selbst auseinanderzusetzen!

Alles Liebe,

Bernd