Problem von Anonym - 24 Jahre

Schwierige Beziehung zum Vater

Hallo liebes Kummerkasten-Team,

es geht um meinen Vater. Ich habe kaum noch ein vernünftiges Vater-Tochter Verhältnis zu ihm und leide darunter, auch wenn ich es nicht zeige, sehr.
Als ich vier war, haben sich meine Eltern getrennt und ich habe seitdem mit meinem Bruder (damals 3) bei meiner Mutter gelebt. Jedes zweite Wochenende waren wir bei meinem Vater und er hat sich auch immer sehr viel Mühe an diesen Wochenenden gegeben (Zirkus, Kino, Freizeitparks, Urlaube in Schweden, etc.). An diese Zeit habe ich also sehr gute Erinnerungen an ihn und kann wirklich behaupten, dass ich unter der Trennung meiner Eltern nie gelitten habe, zumal die beiden sich auch im Großen und Ganzen (der zumindest für uns) verstanden haben und wir gelegentlich sogar Feiertage gemeinsam miteinander verbracht haben.
Dann sind zwei Dinge passiert. Zum Einen hat mein Vater als ich etwa 14 war seinen Job verloren. Daraufhin hat er sich sehr verändert und angefangen zu trinken. Hinzu kam, dass mein Bruder und ich ins Teenageralter kamen und nicht mehr regelmäßig zu ihm wollten, sondern öfter was mit Freunden machen wollten. Für ihn war es allerdings auch nie ein Problem, wenn wir Freunde mit zu ihm brachten. Im Gegenteil, er war dann gern der "coole" Vater, der Partys erlaubt und sogar Alkohol besorgt hat. Das fanden mein Bruder und ich anfangs auch nicht schlimm, sondern eher "cool". Das hat sich allerdings schnell geändert, wenn mein Vater betrunken war. Ich weiß, dass es einige Eltern gibt die z.B. auf Familienfeiern auch mal ausgelassener sind und etwas trinken, auch in Anwesenheit ihrer Kinder. Das finde ich auch vollkommen in Ordnung, solange die Kinder natürlich alt genug sind. Aber bei meinem Vater war das noch nie so ein witziges angeschwipst sein, sondern ich habe mich immer sehr unwohl dann in seiner Gegenwart gefühlt. Deshalb sind die Besuche und der Kontakt dann auch weniger geworden. Klärende Gespräche sind nie gut verlaufen, da er es nicht zugeben konnte, dass er ein Alkoholproblem hat. Viele weitere Versuche uns wieder anzunähern haben nicht geklappt. Mein Bruder hätte eine Vaterfigur und Vorbild in seinem Leben sehr gebraucht. Er hatte sehr lange und auch noch heute mit Drogen zu kämpfen, hat allerdings eine längere Therapie gemacht und ist auf einem guten Weg.
Mittlerweile ist das Verhältnis zwischen uns und unserem Vater sehr schwierig. Es gab Zeiten, in denen wir uns bis zu 1,5 Jahre nicht gesehen haben, obwohl wir nur ca. 30 Min voneinander entfernt wohnen. Mittlerweile sehen wir uns ca. 2 mal im Jahr, meist zu Weihnachten oder wenn ich ihn zu mir einlade. Das nimmt er dann auch gerne an. Zu ihm fahre ich ungerne, da er es meistens nicht schafft, nüchtern zu bleiben. Es fällt mir auch sehr schwer mit ihm über das Thema zu reden, habe es ihm allerdings schon ein paar Mal gesagt, dass ich nicht bei ihm sein möchte, wenn er getrunken hat, oder er mich dann auch nicht anrufen soll. Trotzdem ist er bei einem Großteil unserer Telefonate nicht nüchtern. Er ist dann einfach nicht er selbst, kann kaum reden und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Ich weiß, dass er die meisten Abende und Nächte in Kneipen verbringt, sein Geld auf den Kopf haut, verliert, verschenkt, ich weiß es nicht. Er wurde auch schon nachts an Bushaltestellen, kaum ansprechbar, gesehen. Es ist mir sehr sehr peinlich, wenn Freunde mir davon erzählen. Aber noch eher tut er mir Leid. Er hat so weit ich weiß keine richtigen Freunde, verbringt die Nächte auf der Couch seiner Mutter. Mittlerweile hat er wieder einen Job, allerdings weiß er nicht wie lange er diesen noch ausführen kann, da er schwere Arthrose hat und nur mit starken Schmerzmitteln durch den Tag kommt. Ich weiß einfach nicht wie ich ihm helfen soll. Nähere ich mich ihm zu sehr, leide ich wieder unter den Konsequenzen. Tue ich es nicht, weiß ich, dass ich es irgendwann sehr sehr bereuen werde. Deshalb versuche ich es wieder und wieder. Ich wünsche mir so sehr einen Vater, der irgendwann auf meiner Hochzeit ist. Einen Vater, der für meine Kinder ein toller Opa sein wird, da ich selber nie einen hatte.
Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn, er ist so furchtbar dünn geworden und sieht sehr krank aus. Ich weiß einfach nicht wie ich ihm helfen kann. Er weint oft am Telefon, meist wenn er betrunken ist, und ich bin mir absolut sicher, dass er auch sehr unter der Situation und dem Verhältnis zu uns leidet. Aber darüber reden fällt ihm sehr schwer.

Vielleicht könnt ihr mir einen Rat geben, was ich tun soll. Ich bin selber so eingespannt mir meinem eigenen Leben, mit meinen eigenen Problemen, sodass ich das Problem mit ihm oft verdränge. Aber ich möchte ihn nicht verlieren. Ich kann mich doch so froh schätzen, dass ich überhaupt einen Vater habe. Aber ich würde mir auch oft einen Vater wünschen, der für mich da ist. Und der mir nicht so unheimlich leidtut.

Vielen Dank für eure Mühe!

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte,

ich kann sehr gut verstehen, dass du dir eine Vaterfigur wünschst, zu der du aufblicken kannst. Fakt ist: momentan hast du diese nicht, daher ist einfach gerade Umdenken angesagt, damit es vielleicht irgendwann wieder so wird. Fakt ist auch: wenn es so bleibt wie jetzt, wirst du KEINEN Vater haben, der auf deiner Hochzeit ist und KEINEN Opa für deine Kinder.

Dein Vater braucht dich, denn anscheinend bist du die einzige Person im Umkreis, zu der er Vertrauen hat und die die nötige Empathie aufbringt, die Situation einschätzen zu können. Dein Vater scheint sehr einsam zu sein, er hat mit Sicherheit seinen Knacks weg gekriegt, als er arbeitslos geworden ist. Oft ist der Alkohol dann ein gutes Fluchtmittel, nicht zu viel nachdenken zu müssen. Dein Vater scheint in einem tiefen Loch zu sitzen, vielleicht mit Selbstzweifeln, Alleinsein, Selbstmitleid vielleicht auch...aber er arbeitet damit nicht, er verdrängt es halt. Und das geht am besten, wenn man total benebelt ist.

Dein Bruder ist mit dieser Veränderung so umgegangen, dass er selbst für eine Weile sehr destruktiv war, vor allem sich selbst gegenüber. Du bist da offener und haust deine Gefühle halt raus - eine sehr gesunde Variante.

Ich möchte dir daher raten, zwei Anläufe bei Hilfestellen zu machen.
Das ist einmal die Alkoholberatung, denn da können auch die Angehörigen Rat finden.
Und zum anderen ist das die Erziehungsberatungsstelle in deiner Nähe.

Ich rate zu den Erziehungsberatungsstellen in der letzten Zeit sehr oft, weil eine unserer Mitglieder dort gerade Praktikum macht und sie begeistert erzählt hat, wie gut, nachhaltig und effektiv man dort Hilfe bekommt. Alles, was die Familie angeht, kann dort angebracht werden und man bekommt kostenfreie Hilfe, bis es besser ist. Diese Stellen haben die nötigen Adressen, das nötige Knowhow und sie können dir gut weiter helfen. Du wirst dort informiert, wie du mit der Alkoholkrankheit deines Vaters umgehen kannst, was du tun kannst und auch du selbst wirst aufgefangen, denn dir fehlt dein Vater als Vater (als starke Person, unter deren Armen man auch mal Schutz suchen kann). Ich kann dir nur empfehlen, das nicht ruhen zu lassen, sondern dir Hilfe zu holen. Das entlastet dich auch um ein Vielfaches und nimmt dir Sorgen und Nöte, weil du nicht mehr mit dieser Last alleine bist, sondern sie mitteilen kannst UND erfährst, welche Wege es gibt. Die Menschen dort sind geschult und kennen sich aus...und es kostet halt nichts, du kannst da einfach mal hingehen. Google nach "Erziehungsberatungsstelle" + dem Namen deiner Heimatstadt. Ist die Stadt zu klein, nimm die nächstgrößere Nachbarstadt. Diese Stellen sind inzwischen einigermaßen weit verbreitet.

Du leidest unter dieser Situation - ich wette, dein Vater auch. Er ist aber noch nicht so weit, der Leidensdruck scheint noch nicht hoch genug zu sein...du hingegen bist weit genug. Daher wäre es toll, wenn du, zusammen mit den Helfern der Erziehungsberatungsstelle, einen Weg erarbeitet bekommst, der vor allem dich, aber vielleicht auch ihn schützt und euch weiter hilft.

Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du da erfährst, wie es weiter gehen kann und dass du einen neuen Weg siehst...vielleicht einen Weg, der irgendwann mit deinem Dad wieder konform läuft. =)

Alles Liebe,

Dana