Problem von Celine - 15 Jahre

Wie schaffe ich es zu leben?

Hallo,
ich hoffe sehr, dass ich hier eine Antwort bekomme, da mir meine 2wöchige Therapie nichts bringt, und ich nicht noch einen Klinik Aufenthalt will.
Niemand kann mir beschreiben wie ich mich fühle, ich kann es auch nicht in Gefühlen ausdrücken, nur mit scheiße. Wahnsinnig scheiße.
Ich gehe nicht mehr aus dem Haus, weil mich die Leute anstarren, und ich weiß nicht warum sie starren. Ich bin unauffällig, vllt wegen meiner Kippe in der Hand. Im Sommer starren sie noch mehr, da ich durch meine zahlreichen Narben an Armen und am rechten Oberschenkel entstellt bin. Ja, ich hab ein SVV Problem, und ich schaffs nicht davon loszukommen. Keine Psychiater haben mir helfen können. Wahrscheinlich weil ich iwie gar nicht davon loskommen will, da es mir hilft mich zu spüren. 
Ich schäme mich für meine psychisch kranke Mutter, die Leute starren noch mehr wenn ich mit ihr durch die Stadt gehe, was selten ist, da ich sie normalerweise nur bei betreuten Treffen im Jugendamt sehe. Sie ist 39, und kleidet sich als wäre sie Mitte 20. Und sie lacht alle 10min ihre iwie verzweifelt und hysterisch klingende Lache, die wohl fröhlich klingen soll. Ich habe mit alldem kein Problem, doch die Menschen um einen herum schauen einen so seltsam an und das will ich nicht. Klar, jeder sagt, er gibt sich nichts draus, was die anderen über einen denken, aber iwie macht sich dann doch jeder etwas draus. 
Ich hätte einfach so gerne eine "normale" Mutter. Ich habe ständig Mutterkomplexe, meistens waren es Lehrerinnen in dem Alter meiner Mutter, bei denen ich mir vorstellte sie wären meine Mutter. Es tut weh, die Familien von den anderen aus meiner Klasse zu sehen. Ich will auch so eine Familie, und ich glaube iwann bringt mich das um. Ich lebe seit ich 3 bin bei meiner Oma und meinem Opa, Vater Alkoholiker/Drogenjunkie, Mutter Nutte/Drogenjunkie/psychisch krank. Mein Opa ist schwer krank geworden, erkennt mich oft nicht mehr, aber meine oma, ein Pfleger und ich kümmern uns um ihn zuhause. Ich habe gestern nur geheult weil ich wollte, dass die ganze Scheiße aufhört. 
Mit meinem Freund hab ich Schluss gemacht, hab nie was für ihn gefühlt, aber trotzdem mit ihm gepennt. Jetzt steht in seinem WhatsApp Status iwas mit suicide. Ach ja, wenn wir schon bei Suizid wären. Mein bester Kumpel will sich auch umbringen. 
Ich hab 2 Suizidversuche hinter mir, und ich pack die ganze Scheiße hier nicht mehr. Ich will einfach nur weg von hier und ein glückliches Leben führen. Oh Gott, niemand kann mir dieses Leidensgefühl beschreiben, wenn es einem so dreckig geht. 
Ich darf mich aber nicht umbringen, da meine Oma sonst total allein wäre. Und weil ich für meinen besten kumpel da sein will.
Kennt ihr vllt Selbsthilfegruppen im Umkreis von München, vllt kann mir das helfen. Weil ich will nicht schon wieder mit Medis vollgepumpt werden oder in eine Klinik müssen.
Bitte hilft mir, iwie. 
Ich halte das nicht mehr aus.
Kennt ihr Fightclub? Marla Singer, eine Figur in dem Buch/Film lebt die Lebensphilosophie, dass sie jeden Moment sterben könnte, dass Problem ist, dass es nicht passiert. 
Die gleiche Lebensphilosophie habe ich übernommen. Ist schließlich kein Suizid, wenn ich das Auto nicht gesehen habe.

Dana Anwort von Dana

Liebe Celine.

In mir drin gibt es gerade "Engelchen" und "Teufelchen". Der Engel will dich behüten und dich trösten und der Teufel will dich fest an den Haaren ziehen, dass du solche Dinge loslässt wie "ist ja kein Suizid, wenn ich das Auto nicht gesehen habe...".

Das Engelchen wird dich hier beraten. Aber das Teufelchen wird dir auch mal klar sagen, was Sache ist. Ich hoffe, das kannst du aushalten. Ich nehme dich und dein Problem sehr ernst, aber es gibt mehrere Ansätze, nicht nur Trost, auch Forderungen an dich. So wie ich dich ernst nehme, hoffe ich, dass du mich auch ernst nimmst.

Als allererstes: auch wenn du philosophierst, dich selbst verletzt, Suizidgedanken hast...du willst nicht sterben, du willst leben. Woran man das sieht? Daran, dass du laut nach Hilfe schreist und überlegst, wo du sie her kriegst. Besser geht es nicht, Celine. Egal, wie dick die Sch... ist, in der man steckt, wenn man laut nach einer Hand schreit, die einen rauszieht, wird man sehr oft auch erhört. Der Schrei muss nur laut genug sein...und man muss selbst mithelfen, sich aus dem Schlamm zu befreien. Und genau deshalb kannst du auch mit so saublöden Floskeln wie die mit dem Auto aufhören. Würdest du das ernst meinen, wärst du eine üble Egoistin, der es egal ist, dass der Autofahrer, vor dessen Wagen du dich wirfst (oder stolperst, oops) vielleicht seines Lebens nicht mehr froh wird und ein dickes Trauma davon trägt. Da haut dir das Teufelchen mal eins über, während dich das Engelchen lobt, dass du dennoch versuchst, für dich Hilfe zu holen und Sorge zu tragen, dass du überlebst.

Was lässt sich über dich sagen?
Du bist ein Mensch, der schon sehr viel mitmachen musste in seinem jungen Leben. Du hast von Anfang an die Message erhalten: "deine Eltern können nicht für dich sorgen, sie sind zu schwach, sie sind Suchties, total krank...und du bist ihnen nicht wichtig genug, dass sie sich am Riemen reißen." So kommt es, dass du schon sehr früh entwurzelt wurdest, vielleicht fühltest du dich sogar abgeschoben...dann ist auch noch der Opa so richtig krank und auch da belastet es dich über alle Maßen. Eine "normale Kindheit" hattest du also nie. Das bedeutet, dass du das RECHT hast, dich scheiße zu fühlen. Wer würde das nicht? ABER: auch wenn du dich scheiße fühlst, zerbrichst du nicht vollkommen daran. Während andere sich vielleicht schon von einer Brücke gestürzt hätten, suchst du nach Lösungsmöglichkeiten. Siehst du es? Du hast anderen eindeutig einiges voraus! Trotz dieser Schwere deiner Kindheit und der schlimmen Dinge, die passiert sind und noch passieren, behältst du einen geraden Blick und überlegst, wer dir helfen könnte, deinen Weg gerade zu rücken.

Leider hast du diese Message deiner Vergangenheit sehr genau aufgenommen und gegen dich angewendet. Du fühlst dich unwichtig, fehl am Platz, wie ein Nichts...und vielleicht sogar mit einer Teilschuld an dem, was passiert ist.
Und das ist der Punkt, gegen den du entschieden arbeiten musst und es unbewusst schon tust. Das SVV dient momentan einem Freigefühl, es dient der Kontrolle über dich...einige der wenigen Dinge, über die du die Kontrolle hast...deinen Körper und die Schmerzen, die du ihm zufügst. Wurde dir in der Vergangenheit oft die Kontrolle entzogen und hast du mitbekommen, wie das bei deinen Eltern passiert, suchst du dir nun einen Punkt, an dem du die unbedingte Kontrolle behältst. Du selbst bestimmst die Tiefe der Schnitte, wie stark sie bluten oder schmerzen sollen...und das verschafft dir ein Freiheitsgefühl, das einfach gut tut.

Das Problem: es ist ein Ventil für dich...doch dieses Ventil fügt dir erheblichen Schaden zu, das merkst du ja selbst. Die Folge ist, dass du nicht in Sport willst oder keine Sachen anziehen möchtest, die Mitmenschen auf deine Narben aufmerksam machen. Du richtest die Wut und den Druck, der in dir ist, GEGEN dich, statt es rauszulassen. Und das Schlimme: auch wenn du dich einen Moment lang frei und kontrolliert fühlst, erhöhst du den Druck noch, denn die äußeren Narben erinnern ständig daran.

Im Prinzip wäre für dich eine längere Psychotherapie mit Medikation wirklich das Allerbeste, Celine. Und ich sag das jetzt nicht, weil ich dich ärgern will, das Teufelchen habe ich weg gepackt. Ich sage das, weil du so viel Schlechtes erlebt hast, dass deine Seele sehr stark gelitten hat und noch leidet. So kann man daran gar nicht arbeiten, es tut zu weh und es ist klar, dass du blockierst. Wer will schon, dass jemand mit einer Nadel in einer eitrigen Wunde rumbohrt? Eine Klinik wäre sicherlich auch eine gute Idee.

Wenn du das erst einmal nicht möchtest, empfehle ich dir, dich an eine Erziehungsberatungsstelle zu wenden. Die hat nichts damit zu tun, dich erziehen zu wollen (sie hat einfach nur einen saublöden Namen...), sondern sie ist da, um bei allen möglichen familiären und nichtfamiliären Problemen von Kindern und Jugendlichen zu HELFEN. Du kannst einfach hingehen, die Beratung ist komplett kostenfrei und diese Beratungsstellen haben ALLE Drähte in der Hand, die möglich und nötig sind. Sie können dir Beratungen, Hilfegruppen anbieten, Einzelgespräche etc. Du musst nur hingehen und sagen: "Ich brauche Hilfe..." Erziehungsberatungsstellen in deiner Nähe kannst du über Google finden. Einfach den Namen deiner Stadt und "Erziehungsberatung" eingeben. Hier wäre eine in München: http://www.ebz-muenchen.de/erziehungsberatung/ Es kann sein, dass auch die dir sagen: "Bitte...mach eine Therapie" und dich an die Hand nehmen und dir da durch helfen. Es kann auch sein, dass sie versuchen, mit dir einen neuen Weg zu finden, den du besser annehmen kannst. Wichtig: nichts passiert, was du ablehnst. Solltest du dich alleine nicht trauen, vielleicht geht deine Oma mit? Oder eine Freundin, der du vertrauen kannst? Wobei ich dir eigentlich zutraue, dass du da alleine hin spazierst und einfach dein Recht auf ein gutes Leben einforderst.

Aber das Allerwichtigste: du musst offen sein und AKTIV WOLLEN. Wenn dir eine Hand gereicht wird, musst du kämpfen, um raus zu kommen...denn sie kann dich als nassen Sack nicht hochziehen. Verstehst du? Du selbst musst es so wollen, dass du alles dafür tust, dass es anders wird. Und es KANN anders werden, das verspreche ich dir. Es KANN.

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute! Ich würde mich freuen, in ein paar Wochen/Monaten wieder von dir zu hören, wie es dir ergangen ist.

Alles Liebe,

Dana