Problem von anonym - 47 Jahre

Bin ich jetzt auf einmal lesbisch?

Ich bin 47 Jahre alt und in einer sehr glücklichen Beziehung und verheiratet. Vor einigen Monaten träumte ich, eine weibliche Person zu küssen und zusammen zu sein. Mir ging der Traum nicht mehr aus dem Kopf. Seitdem merke ich, wie mich interessieren würde, wie es ist, mit einer Frau Sex zu haben. Ich habe Angst, dass ich aus dem Gefühlschaos nicht mehr herausfinde. Ich bin mit meinem Partner sehr glücklich, jedoch merke ich, dass ich seit längerem keine große Lust mehr zum Sex habe. Ich mache zwar mit und komme zum Höhepunkt, jedoch bin ich vorher nicht mehr groß erregt. Ich bezog es auf die beginnenden Wechseljahre. Nun diese sexuellen Anwandlungen, die mir Angst machen. Habe ich zu viele männliche Hormone? Ich nehme keine Pille oder Hormone. Mir macht das sehr zu schaffen! Ich will das eigentlich gar nicht! Vor allem möchte ich nicht, dass die Beziehung kaputtgeht! Ich kann mit niemanden darüber reden. Ich weiß auch nicht, was ich dagegen tun kann. Leider gibt es im Internet darüber auch keine Hilfe.

Bernd Anwort von Bernd

Hallo,
zur Physiologie der Wechseljahre kann ich leider nichts sagen. Mein Ansatz ist ein anderer:

Was unterscheidet Heterobeziehungen von gleichgeschlechtlichen?
Dazu habe ich eine Idee.
Heterobeziehungen leben oft doch durch den "kleinen Unterschied"? Durch das Spannungsfeld, dass nur dadurch entstehen kann, dass es eben einen Unterschied gibt. Dieser Unterschied ist niemals nur der körperliche! Mann und Frau, die zueinander finden werden meist auch mental unterschiedlich gestrickt sein. Wie zwei Magneten, die sich gegenseitig anziehen: es geht nur bei ungleichen Polen. Man kann das aber auch so sehen, dass dazwischen dann keine Luft zum Atmen mehr bleibt?
Bei gleichgeschlechtlicher Liebe stelle ich mir vor, dass die Partner eher den Seelenverwandten suchen. Bei zwei Magneten, die sich denselben Pol zukehren stellt man erst einmal fest, dass die sich abstoßen. Man kann es aber auch anders sehen: der eine Magnet kann den anderen zum Schweben bringen! Er trägt ihn, ohne ihn zu berühren!

Das eine "vereinnahmt", das andere "trägt"?

Du schreibst zwar, dass Du eine glückliche Beziehung führst. Daran will ich auch gar nicht rütteln!
Allerdings schreibst Du auch: "Ich mache zwar mit und komme zum Höhepunkt, jedoch bin ich vorher nicht mehr groß erregt".
Nun weiß ich nicht, wie ich das mit der "Erregung" werten soll.
Es ist natürlich so, dass wir Menschen von unseren Gefühlen meist nur in den Kategorien sprechen können, in denen wir sie erleben. Auch unsere Träume "übersetzen" uns das, was unserer Seele vielleicht fehlt nur in die Sprache, die wir verstehen.
Manchmal empfindet unsere Seele aber vielschichtiger, als wir es uns auch nur erträumen können. Und manchmal liegt die Lösung auch sehr viel näher, als wir sie vermuten?

Du darfst mich hauen, wenn ich Dir jetzt zu nahe trete! Aber lies es bitte trotzdem ganz durch!

Dein Satz: "ich mache zwar mit...." sagt mir, dass Dir Sex im Augenblick nicht fehlt! Es sagt aber auch aus, dass Du Dich "vereinnahmt" fühlst, weil Du es ja wohl in erster Linie Deinem "Gegenpol" zuliebe erträgst?
Wenn ich in dem Zusammenhang Deinen Satz sehe: " ...in einer sehr glücklichen Beziehung und verheiratet", dann ist Dein "Glücklich sein" nicht unbedingt das, was Du als "erfüllend" bezeichnen würdest?
Um mit dem Bild der beiden Magneten zu sprechen: Du fühlst Dich nicht "getragen".
Damit will ich sagen, dass Du nach meiner Meinung nicht "Sex" mit dem anderen Geschlecht suchst, sondern eher die Erfüllung Deiner Liebe in Deiner bestehenden Beziehung.
Du suchst aber nun nicht mehr so sehr den Gegenpol in Deinem "Göttergatten"!
Dir fehlt vielleicht mittlerweile das Gefühl, in ihm (auch) einen Seelenverwandten finden zu können?
Mehr Zärtlichkeit, das Gefühl der Geborgenheit, des "verstanden werden": Gefühle, die Dich tragen, statt Sex, der Dich vereinnahmt?

Ich denke, dass Du gerade "Glück" für Dich selbst neu definierst.
Du lässt gerade etwas hinter Dir, was Du gewohnheitsmäßig als "glücklich sein" bezeichnet hast.
Aber ich denke, dass es sich lohnt, Deinen Partner mit in Deine Suche einzubeziehen. Weil Männer in dem Alter oft ganz ähnliche - und doch gegensätzliche? - Probleme mit sich selbst haben?
Vielleicht ist es die richtige Zeit, eure Liebe neu zu definieren und neu zu erfahren?
Nicht der Orgasmus! Geborgen und getragen fühle ich mich schon und nur sehr viel früher: bei einem wirklichen Kuss! Wenn es dann dabei bleiben darf!
Ob das so "erregt", wie Du es zu vermissen meinst?

Die französische Umschreibung für den Orgasmus?
La petite mort: „der kleine Tod“
Vielleicht ist es ja endlich an der Zeit für euch, das Glück im Leben zu finden?

Das wünsche ich Dir und Deinem Mann von ganzem Herzen!

Alles Liebe,

Bernd